Foto: Melanie Fredel

08.04.2021

Troubleshooter oder Führungskraft: Lassen Sie Ihre Mitarbeiter flügge werden!

Sie wollen selbstständige Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen? Das gelingt, wenn man sie eigene Lösungen finden lässt, weiß Unternehmensberater Harald Müller.

Unternehmer sollen Verantwortung übernehmen. Das ist klar. Aber welches Folgeverhalten kann dadurch entstehen? Viele haben durch diese Anforderung die Neigung, sich für fast alles verantwortlich zu fühlen. Kommt eine Mitarbeiterin in ihrer Lösungssuche nicht weiter, steht die Führungskraft parat und bietet meist die optimale Lösung. Gibt es Konflikte im Team, rutscht der Chef schnell in die Rolle des Moderators, um wieder für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Gibt es eine Aufgabe für die andere keine Zeit haben, springt die Führungskraft natürlich ein. Selbstverständlich steht die Führungskraft auch parat, wenn die Mitarbeiter private Probleme haben und sich Aufgaben stellen, die gelöst werden müssen.

Ohne doppelten Boden

Viele Friseur-Unternehmer werden sich in dieser Beschreibung sicher sehr gut wiederfinden. Ich kenne dies auch aus eigenen Erfahrungen. Gerade wenn wir neue Assistenten ausbilden, hatten einige ihrer Ausbilder oft Probleme, sie „flügge“ werden zu lassen und haben ihre Arbeiten noch einmal und noch einmal korrekturgelesen, damit beim Teamchef auch ganz sicher keine Fehler ankommen. Allerdings sollte man eines dabei nicht unterschätzen. Der neue Mitarbeiter gewöhnt sich daran, „hinter sich“ einen „doppelten Boden“ zu haben, der ihm Fehler korrigiert, Aufgaben abnimmt und damit auch die Verantwortung für ihn übernimmt. Wie soll er dann selbst lernen, Verantwortung zu übernehmen und in etwas anspruchsvolleren Aufgaben Lösungen selbst zu finden? Höre dann aber von den Ausbildern, er könne noch keinen „Freischein“ geben, da der neue Mitarbeiter immer noch zahlreiche Fehler mache. Aber macht er die vielleicht nur, weil er sich auf den Ausbilder verlassen kann? Und tappen wir dann nicht irgendwann in die Falle, die Verantwortung immer nur bei wenigen Führungskräften zu lassen?

Mitarbeiter wollen nicht gerettet werden

So gibt es also viele Führungskräfte, die alle Probleme im Unternehmen zu ihrem Problem machen und ständig Troubleshooter sind, anstatt ihr Team und ihr Unternehmen strategisch zu führen. Zudem machen diese Führungskräfte als Heilsbringer immer deren Mitarbeiter kleiner als diese sind. Die Leader sind die Retter und die Mitarbeiter sind die Geretteten. Diese müssen und wollen aber eigentlich nicht gerettet werden. Sie sollen als selbstständige Mitarbeiter eigene Lösungen entwickeln und Verantwortung übernehmen.  Wenn die Führungskraft immer selbst die Lösungen sucht, dann ist sie keine Führungskraft, sondern ein Chef, der keine Verantwortung und Vertrauen abgeben möchte. Dies geht auch oft mit dem Problem des Perfektionisten einher, der über alles noch einmal sein prüfendes Auge werfen will und damit dem Mitarbeiter das Gefühl gibt, es nie richtig zu machen. Es gibt viele Studien, die belegen, dass das Gefühl sich einbringen zu können, die Jobzufriedenheit deutlich erhöht. Empfundener Stress hat nur selten mit Arbeitsüberlastung, sondern viel häufiger mit dem Gefühl der Ohnmacht und Machtlosigkeit zu tun. So können sie nicht gestalten, sondern dürfen nur dies umsetzen, was andere ihnen auftragen, was sie aber selbst vielleicht gar nicht für sinnvoll erachten. Wenn diese Mitarbeiter dann vielleicht auch noch im Beisein der Kunden „korrigiert“ werden, ist es um die Eigenmotivation der Mitarbeiter schnell geschehen.

    Also:

    • Nehmen Sie sich aus der Verantwortung und aus dem Tagesgeschäft der Lösungssuche raus und entwickeln Sie Ihr Team.
    • Nehmen Sie sich Zeit, Ihr Team zu coachen. Führen Sie viele Gespräche, in dem Sie aber die Gespräche mit Ihren Fragen leiten und nicht Lösungen bieten. Kommen also Mitarbeiter mit einer Aufgabenstellung, dann denken Sie nicht über Lösungen nach, sondern stellen Fragen, die den Mitarbeiter selbst veranlassen, den richtigen Lösungsweg einzuschlagen: „Was hast Du schon getan, um auf die Lösung zu kommen?“, Was würdest Du tun, wenn Du die Verantwortung hättest?“, „Was sind Deine Lösungsansätze und Gedanken?“, „Hast Du Dich schon mit anderen ausgetauscht?“, „Hast Du schon ausreichend recherchiert?“, „Wie könnte die ideale Lösung aussehen?“
    • Führen Sie Ihre Mitarbeiter mit Ihrer Erfahrung, aber lassen Sie die Verantwortung bei ihnen und schenken Sie ihnen damit das Vertrauen, einen guten Lösungsweg zu finden. Dann hat der Mitarbeiter ein ganz anderes Erfolgserlebnis und Sie haben immer mehr Entlastung im Alltag, so dass Sie schon bald in einigen Bereichen nicht mehr gefragt und gefordert werden. Sie machen sich unabhängig und schaffen so mehr Freiraum für Ihre eigentlichen Aufgaben als Führungskraft.
    • Freuen Sie sich ehrlich mit und über die Erfolge Ihrer Mitarbeiter! Je stärker Ihr Team wird, desto stärker ist Ihr Unternehmen und desto mehr sind Sie Ihrer Verantwortung als Führungskraft gerecht geworden. Ansonsten haben Sie auf Dauer kein Führungsteam, sondern sind ein Perfektionist, der alles selbst machen will und dafür nur ein paar ausführende Assistenten benötigt, deren Eigenmotivation aber immer wieder sehr schnell in den Keller rutschen wird.