Auch nach Jahrzehnten ist Wolf Davids immer noch ein gefragter Coach und Redner. Künftig will er es etwas langsamer angehen – bietet aber immer noch Coachings auf der Sonneninsel Ibiza an. >< Foto: Gabriele Davids

11.07.2017

Wolf Davids spricht Klartext

Unruhestand im Ruhestand – ein Gespräch mit Branchenexperte und TOP HAIR-Referent und -Autor Wolf Davids auf der Insel Ibiza.

TOP HAIR: Unsere Leser werden jetzt stark sein müssen: Sie werden nicht mehr in jeder Business-Ausgabe und in dieser Regelmäßigkeit wie in den vergangenen fast 20 Jahren schreiben und den Friseuren den Kopf zurechtrücken. Was sind die Gründe dafür?

Wolf Davids: Der wichtigste und hauptsächliche Grund: Ich habe ja vor einiger Zeit unsere Geschäfte verkauft und nun festgestellt, dass mir der tägliche Bezug zu den Dingen, die im Salon so passieren, ein wenig abhandengekommen ist.  Auch wenn es um die Veränderungen, die von außen kommen geht. Also das Thema Preispolitik, die Sensibilität der Verbraucher, die Schwierigkeit beim Thema Mitarbeiter. Wenn man das täglich miterlebt, dann hat man auch Antworten, die man, wenn es funktioniert oder auch nicht funktioniert hat, weitergeben kann. Mir ist das zu Anfang nicht so klar gewesen, dass der Erfahrungsschatz, je länger er zurückliegt, nicht mehr den Aktualitäten entspricht.

Ich habe dann, wenn ich geschrieben habe, gemerkt, dass ich doch ein Stück mehr aus der Vergangenheit als aus der Gegenwart erzähle, und da muss ich ehrlich sagen, war ich dann mit mir selber nicht mehr zufrieden.

TOP HAIR: Machen Sie jetzt ganz auf Rentner oder werden Sie weiterhin in der Branche tätig sein?

Wolf Davids: Nein, ich bin ja auch noch an vielen Stellen im Markt aktiv und tätig. Ich bin Mitglied bei den Intercoiffeuren, in einer zweiten, sehr interessanten Erfa-Gruppe (Anm. der Red.: Erfahrungsaustausch-Gruppe), wo man sich mit interessanten Kollegen austauscht, ich lese sehr viel, jetzt mit der neugewonnenen Zeit mehr als je zuvor. Und dann gibt es natürlich auch gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die mit dem Tagesgeschäft direkt nichts zu tun haben, also etwa Ableitungen aus der demoskopischen Entwicklung oder die Situation der Ausbildungsplatzbewerber oder die hohe Zahl der Abbrüche von den weniger gewordenen Ausbildungsverträgen. Das sind Dinge, über die man nach wie vor nachdenken kann und wo ich feststelle, da tut es sogar gut, wenn man ein bisschen losgelöst vom Tagesgeschäft analytisch drüber nachdenkt. Diese Dinge, und das was sich daraus an Konsequenzen ergibt, darüber möchte ich nach wie vor gerne in der TOP HAIR schreiben. Außerdem kommen hier auf die Insel regelmäßig noch deutsche und Schweizer Friseurkollegen zu Coaching-Gesprächen – sodass ich also noch nicht ganz aus der Branche weg bin.

TOP HAIR: Friseure besuchen Sie hier auf Ibiza? Und Sie coachen Sie mit Blick auf Palmen und Meer?  

Wolf Davids: Ja, mit ihrem Team oder auch alleine. Wenn die bei mir zwei Tage Chefgespräche buchen, hat man auch noch den Austausch mit anderen erfolgreichen Friseuren.

TOP HAIR: Dem TOP SALON werden Sie auch weiterhin treu bleiben?

Wolf Davids: Das würde ich gerne tun, denn dieses ist ein Kind, das mir besonders am Herzen liegt, und das ich mir vor ganz vielen Jahren, 20 Jahre ist es her, glaube ich …

TOP HAIR: Richtig …

Wolf Davids: … mit Rolf Wilms (Anm. der Red.: der ehemalige Herausgeber der TOP HAIR) seinerzeit ausgedacht habe. Der Wettbewerb hat sich ja auch aufs Wunderbarste entwickelt und ist heute einer der geachtetsten und auch wichtigsten Auszeichnungen für die teilnehmenden Friseure. Aber was fast noch wichtiger ist: Er ist eine Art Leitstern und Orientierungspunkt für die Leser der TOP HAIR. Das war von Anfang an bei der Juryarbeit elementarer Bestandteil: Wir zeichnen solche Salons aus, deren Konzepte übertragbar sind. Deshalb liegt mir diese Tätigkeit beim TOP Salon so am Herzen, weil sie so wichtig für die Branche ist.

TOP HAIR: Wird man Sie auf der TOP HAIR Messe auch noch live erleben können?

Wolf Davids: Da habe ich mir eine Grenze gesetzt: Solange es so ist, dass der Raum noch so voll ist, dass nicht alle einen Sitzplatz bekommen und sogar die Tür geschlossen werden muss, weil die Sicherheitsbestimmungen nicht mehr Leute zulassen, ist das natürlich ein riesiges Erlebnis auch für einen Referenten. Und solange es die Gesundheit zulässt und ich merke, ich habe den Leuten noch etwas zu erzählen, werde ich das gerne machen. Wenn man mich lässt. Wenn ich dann mal merke, dass nur noch die ersten Reihen besetzt sind, dann werde ich mich rechtzeitig aus dem Staub machen.

TOP HAIR: Das wird so schnell wahrscheinlich nicht passieren! Wie geht es Ihnen denn mit dem „Kürzertreten“?

Wolf Davids: Erstaunlich gut! Ich hatte im Jahr etwa 50 Seminartermine mit größeren, mittleren und auch kleineren Veranstaltungen und noch mal etwa 50 Beratertage. Zum Teil bei mir in der Agentur, zum Teil bei den Friseuren. Das habe ich ganz deutlich zurückgefahren. Dazu kamen die Salons - ohne unbescheiden sein zu wollen - sechs erfolgreiche Salons. Die zu führen, neben den 100 Tagen, die man aushäusig unterwegs war, das war schon eine Aufgabe, die einen gefordert hat. Das ist nun weg. Im Vorfeld wusste ich nicht,  wie ich darauf reagieren würde. Man hat zwar eine Idee, stellt sich vor, man werde seinen Hobbys und Interessen nachgehen, aber trotzdem bleibt die Frage: Falle ich in irgendein ominöses Loch oder geht das? Und da muss ich sagen, es geht erstaunlicherweise besser als ich je gedacht habe. Ich habe noch nicht einen einzigen Tag, eine einzige Stunde Langeweile gehabt!

Wir leben ja mittlerweile einen großen Teil des Jahres hier auf Ibiza und da spielt es natürlich eine Rolle, dass ich noch ein paar Kunden habe, die wie anfangs erwähnt, zu Coaching-Gesprächen hier auf die Insel kommen. Ich organisiere ihnen zwei, drei oder manchmal auch mehr Tage auf Ibiza. Und das ist natürlich eine schöne Abwechslung , ein bisschen der Höhepunkt eines Aufenthalts, wenn ich weiß, nächste Woche kommt ein toller Kollege, der mit mir einen Tag lang sprechen möchte.

TOP HAIR: Warum gerade Ibiza? Welche Verbindung haben Sie hierher?

Wolf Davids: Eine verrückte! Es war eine Idee. Die man im Nachhinein gar nicht richtig erklären kann: Schon vor etwa 40 Jahren habe ich zusammen mit Freunden hier ein Haus gekauft. Das war so ein gemeinschaftliches Freundesdomizil, wo wir mit unseren Familien, getrennt und auch mal zusammen, Ferien machen wollten. Im Laufe der Jahre sind die Interessen allerdings auseinandergegangen und wir haben dann die verbliebenen Anteile des Hauses übernommen. Viele, viele Jahre haben wir dieses Haus, ökonomisch völlig unsinnig, zweimal im Jahr benutzt – weil die Arbeit nicht mehr zuließ. Das sieht nun ganz anders aus. Wir haben dieses Haus nicht mehr nur als Ferienhaus, sondern als reines Privathaus umgebaut und können hier auch überwintern und brauchen, wenn wir auf die Insel kommen, eigentlich kein Gepäck mehr. Von einem Zuhause in das andere Zuhause. Wenn ich die Entscheidung, hier ein Haus zu kaufen, zum jetzigen Zeitpunkt treffen müsste, wage ich zu bezweifeln, dass wir das gemacht hätten – wäre auch nicht so ganz sinnig. Das hat sich also ganz glücklich gefügt, auch wenn es zu Anfang so gar nicht geplant war.

TOP HAIR: Was waren bei all den Dingen, die Sie in der Branche und für die Branche getan haben, Ihre persönlichen Meilensteine?

Wolf Davids: Der erste Meilenstein war eine Institution, die seinerzeit von Schwarzkopf initiiert war: die methodische Friseurdienstleistung. Da wurde das allererste Mal versucht, in die verschiedenen Techniken eine Systematik reinzubringen, die übertragbar, schulbar ist. Um diese Idee zu transportieren, gab es eine Vereinigung von zehn namhaften Friseuren, frühere Welt- und Europameister, die sogenannten Ritter, um die dann eine zweite Reihe gebildet wurde. Das waren  von 20, 25 Stück, die sogenannten Apostel, die dann wiederum in ihren Regionen weitere Mitglieder hatten, damit wie in einem Domino-System diese methodische Dienstleistung geschult werden konnte.

Ich habe als junger Friseur immer in sehr guten Salons im In- und Ausland gearbeitet. Man hat auch viel gelernt, aber eine Methodik hatte das nicht. Da ich selbstständig war, habe ich das zu dieser Zeit gar nicht so bewusst als Mangel empfunden. Man hatte Mitarbeiter, die eine konnte gut dauerwickeln, die andere konnte besonders gut Haare schneiden, die Dritte war perfekt im Strähnen machen, das war eben so. Mit der methodischen Dienstleistung war die Möglichkeit gegeben, die Qualität eines Salons auf ein gleichmäßiges Niveau zu bringen, damit die Preise auch eine gleichmäßige Wertigkeit haben – das war völlig neu.

Ein ganz wichtiger Gedanke ist damals parallel entstanden: Man traf sich mit den Aposteln und den anderen freien Mitarbeitern viermal im Jahr und hatte dabei natürlich einen interessanten Austausch mit tollen Kollegen, den man sonst nicht hatte. Man hatte einen Freund oder ging auf die Innungsversammlung, aber übergreifend war das so nicht der Fall. Da ist mir zum ersten Mal klar geworden, was bis heute gilt: wie ungeheuer wichtig es ist, in der Branche vernetzt zu sein. Uns Friseuren wird ja immer nachgesagt, wir seien ein kommunikatives Völkchen.

TOP HAIR: Klingt nach einem Aber.

Wolf Davids: Ja, das stimmt so nicht! Friseure sind eigentlich relativ einsam. Die kennen den ein oder anderen, man grüßt sich …

TOP HAIR: Also doch Konkurrenzdenken?

Wolf Davids: Ja, entweder das, oder man anerkennt zwar, dass der Kollege ein gutes Geschäft hat, denkt sich aber: Ist nicht mit meinem zu vergleichen! Aber der Austausch, die tausend Fragen, die auftauchen, die müssen viele Friseure für sich alleine lösen: Wie machst du das mit der Werbung? Wie gehst du damit um, wenn viele schwangere Mitarbeiterinnen ausfallen usw.? Vielleicht sprechen sie noch mit ihrem Steuerberater - wenn es um wirtschaftliche Fragen geht. Das war’s. Ich würde das heute wirklich jedem Salon raten, egal wie groß: Suche dir Anschluss an Netzwerke, sei vernetzt in der Branche. Es gibt tolle Vereinigungen, ICD, CAT, BDH, es gibt regionale Gruppierungen und an dritter Stelle auch Angebote, die die Industrie macht. Die einfachste, schnellste und unkomplizierteste Form ist es, einer Facebook-Gruppe beizutreten. Es gibt auch Kollegen, die in ihrer Region interessante Kollegen angesprochen und vorgeschlagen haben, eine Erfa-Gruppe zu gründen. Das hat fast immer funktioniert, und das bewundere ich sehr. Daran merkt man auch, wie groß das Bedürfnis ist. Da braucht es manchmal nur den Anstoß, es zu tun.

TOP HAIR: Mit dem Club der Besten, der an den TOP Salon angegliedert ist, sind wir also auf einem guten Weg?

Wolf Davids: Ja, wunderbar! Damit ist für mich ein wirklicher Herzenswunsch in Erfüllung gegangen! Was man bei anderen Gruppierungen nicht hat, ist ein bestimmter Fokus. Wenn ich Intercoiffeur bin, dann habe ich natürlich den Anspruch, zu den Besten zu gehören. Aber das geht von einem sehr konservativen Geschäft bis hin zum progressiven, wilden Modefriseur. Auch da findet man natürlich seine Gesprächspartner, aber beim Club der Besten ist ja durch die Kategorisierung schon vorgegeben, mit wem ich über was sprechen kann. Der zweite Punkt ist: Wer bei diesem Wettbewerb mitmacht, das sind Friseure - das ist ganz wichtig, das wird oft übersehen - die dadurch, dass sie da mitmachen, bereit sind, ihr Geschäft zu öffnen und bereit sind, es zu zeigen. Denn es gibt auch erfolgreiche Friseure, die würden einen Teufel tun und ihre Zahlen offenlegen und über Werbeideen und ihre Betriebsorganisation sprechen. Die im Club der Besten wissen, nur wenn es der Branche insgesamt gut geht, geht es auch mir gut – eigentlich ein Grundgedanke. Und das ist die Gemeinsamkeit der Mitglieder im Club der Besten – sie haben nicht nur gezeigt, dass sie bereit sind sich zu öffnen, sie haben sich nicht nur unter härtesten Bedingungen prüfen und überprüfen lassen, sondern haben auch erfolgreiche Geschäfte. Allein dieses wäre für mich Grund, als Friseur beim Wettbewerb TOP Salon – The Challenge mitzumachen. Selbst wenn es beim allerersten Mal nicht gleich für einen Platz auf der Bühne reicht. Wir haben ja ganz viele Beispiele, wo jemand zwei- und dreimal mitgemacht hat, um dann in diesen erlauchten Kreis zu kommen. Allein die Tatsache, seinen Salon präsentierbar zu machen, ist für das Unternehmen schon ein Gewinn und unglaublich befruchtend für die Mitarbeiter! Die sind nämlich mächtig stolz, wenn sie mitbekommen, der Chef, die Chefin nimmt an einem Wettbewerb teil, wo wir uns mit den Besten messen.

TOP HAIR-Redakteurin Yvonne Rieken traf Branchenguru Wolf Davids in seiner Wahlheimat – auf der Insel Ibiza. >< Foto: Gabriele Davids

TOP HAIR: Was Ihnen viele hoch anrechnen, ist, dass Sie sich immer anpassen, mit der Zeit gehen, sich dem Fortschritt nicht verweigern. Woher nehmen Sie die Energie dazu?

Wolf Davids: Die Lust an der Veränderung halte ich für einen Friseur für so wichtig wie zwei gesunde Hände. Diese Bereitschaft, mitzuschwimmen, sogar ein bisschen vorauszuschwimmen im Markt, ist elementar. Man muss die Zukunft, die Entwicklung nicht als Feind, sondern als Freund begreifen. Es könnte jemand vom lieben Gott oder von wem auch immer alles Talent dieser Welt bekommen, wenn er nicht bereit ist, dieses Talent mitfließen zu lassen, dann wird er früher oder später im Misserfolg landen. Das ist leider dann auch oft der Fall. Man erlebt immer wieder, dass erfolgreiche Friseure auf einmal nicht mehr zehn, sondern nur noch fünf Mitarbeiter haben, und dann steht der Chef an zwei Tagen plötzlich ganz allein im Salon oder er hat noch eine Aushilfe. Wenn man so ein Schrumpfen erlebt, dann liegt das weniger an den veränderten Umständen, als daran, dass jemand diese Umstände nicht wahrnimmt, es nicht wahrhaben will oder auch resigniert, weil ihm vielleicht die Lust und die Kraft fehlen. Aber die Grundhaltung muss eigentlich sein: Solange ich Lust auf Neues habe, solange es in mir eine naturgegebene Neugierde gibt, solange ist man in der Lage, ein Geschäft zu führen. Wenn das mal nicht mehr ist, dann sollte man sich über einen vorsichtigen Abschied von seinem Tun Gedanken machen.

Woran das bei mir liegt, das weiß ich nicht. Das ist sicherlich ein Stückchen weit Erziehung, Vererbung. Ich habe bis heute eine durchgängig vorhandene Neugierde, Neues zu erfahren, auch wenn es unangenehm ist. Da kann ich ehrlich gesagt nichts für!

TOP HAIR: Hand aufs Herz – haben Sie tatsächlich immer das, was Sie in Ihren Artikeln, Vorträgen und Seminaren predigen, in den eigenen Salon umgesetzt?

Wolf Davids: Es war eher umgekehrt: Ich habe nur über Dinge gesprochen, die ich schon umgesetzt hatte. Auch über solche, die nicht unbedingt erfolgreich waren. Das ist ja auch eine Erfahrung. Es gibt einen Spruch von Henri Thoreau, einem amerikanischen Philosophen, der hat mich mein berufliches Leben begleitet: „Sage nicht, was du glaubst, sagen zu wollen, sage die Wahrheit!“ Jede Wahrheit ist besser als eine Vorspiegelung. Und das hat mich nicht nur tief beeindruckt, sondern damit habe ich gedacht, mache ich mein Leben einfacher, wenn ich nicht versuche, Leuten Dinge zu erzählen, die man selber nicht so macht. Und ehrlich gesagt, ich habe eine kritische Einstellung gegenüber Referenten und mitteilungsbedürftigen Friseuren und Unternehmensberatern, von denen man wusste und merkte, sie tun nicht das, was sie predigen. Ich finde, das bringt so viel Schaden und Unglück, wenn da jemand, der möglicherweise rhetorisch gut ist und den Leuten mit eindrucksvollen Charts erzählt, wie man sein Geschäft erfolgreich machen kann, und man merkt, dass es so nicht geht. Davon gibt es in der Branche leider recht viele. Insofern war das immer wieder ein Korrektiv, zu sagen, wenn ich auf eine Bühne steige, und wenn mich einer engagiert, dann muss er aushalten, dass ich die Wahrheit sage. Und wenn ein Industriepartner mir hätte vorschreiben wollen, das können Sie so aber nicht sagen, dann hätte ich, ich schwöre, Hand aufs Herz, diesen Auftrag nicht angenommen. Was im Übrigen dazu geführt hat, dass ich einmal einen großen und wirtschaftlich für mich interessanten Partner verlassen habe.

TOP HAIR: Heißt aber auch, dass  Sie Ihren Mitarbeitern die Wahrheit gesagt haben. Wollten Sie als Chef nicht geliebt werden?

Wolf Davids: Wenn es sich ergeben hat, hätte ich nichts dagegen gehabt! Aber es war nicht der Zweck der Übung. Respektiert ja, auch als Vorbild anerkannt, aber geliebt? Das ist mir nach meiner Auffassung manchmal der hoffnungsvolle Glaube, über diesen Weg Treue und Verbundenheit zu erreichen. Ich glaube aber, zwischen Mitarbeiter und Chef besteht immer eine Win-Win-Situation. Ich möchte als Mitarbeiter meinen Nutzen haben von der Tätigkeit. Da nützt es mir nichts, wenn ich die netteste Chefin der Welt habe, sondern da muss das Gehalt pünktlich kommen, ich muss merken, ich werde fair bezahlt, ich bekomme Anerkennung und die Möglichkeit, mich weiterzubilden. Dann muss es nicht Liebe sein, dann kann es auch Respekt vor der Leistung eines gut führenden Chefs sein. Geliebt werden ist mir eher ein bisschen suspekt.

TOP HAIR: Wie war Ihre eigene Ausbildung?  

Wolf Davids: Ich komme aus einer sehr traditionellen Friseurfamilie. Mein Urgroßvater durfte noch zur Ader lassen, der Großvater war dann ganz normaler Friseur und mein Vater ebenso. Ich wurde in einem Friseurhaushalt groß, mittags wurde mit den Gesellen gegessen. Es gab überhaupt nichts anderes und es war völlig klar: Opa Friseur, Vater Friseur, ich werde auch Friseur. Ich erinnere mich noch an ein Erlebnis in der Schule, als der Lehrer uns im letzten Schuljahr fragte, was wir mal werden wollen: Der eine sagte Automechaniker, der andere Anstreicher. Ich war in der Schule ein eher robustes Kerlchen, auf dem Sportplatz oder beim Durchsetzen von Interessen, und ich weiß noch, als ich dann dran war und sagte, ich werde Friseur, hat sich die Klasse kaputt gelacht, die konnten sich das nicht vorstellen. Das hat mich tief getroffen: Warum lachen die denn jetzt alle?

Das erste Jahr habe ich dann im elterlichen Geschäft bei meinem Vater gelernt und der hat mich dann, wie das früher vielleicht noch häufiger der Fall war, an Freunde vermittelt nach Düsseldorf. Und ich habe dann die Lehre bei drei unterschiedlichen Salons durchlaufen. Damals habe ich auch erstmals Kontakt zu Intercoiffeuren bekommen und bin dann drei Jahre lang durchs Ausland getingelt. Ich war in England, in der Schweiz und auf Sylt und Borkum „auf Saison“ arbeiten. Das wollte man früher als junger Friseur, „auf Saison arbeiten“ oder aufs Schiff. Das mit dem Schiff habe ich Gott sei Dank nicht geschafft, aber „in Saison“ war ich. Das war eine tolle Zeit und prägend.

TOP HAIR: Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?

Wolf Davids: In London kamen gerade die Anfänge englischer Schneidetechnik auf. Das war noch nicht Sassoon, aber Sassoon hat ja auch nur etwas kumuliert und professionalisiert, das schon im Markt war. Das war ein Gegensatz zum deutschen Markt. Dort war ein guter Friseur,  der gut frisieren konnte, geachtet. Dass der Schnitt eine solche Bedeutung hatte, das habe ich erst in England erfahren. Manche werden den Namen Roger Thompson noch kennen und verehren. Aber auch das war ein Trend, der im Markt war: Die Kunden wollten nicht mehr diese „frisierten“ Frisuren. Man musste häufiger gut aussehen als man das durch eigenes Frisiergeschick hinbekam. Also war die eigentliche Ursache für den Erfolg der englischen Schneidetechniken, dass die Form aus dem Schnitt und nicht aus der Frisur kam. Das hat mir sehr geholfen, als ich mich später selbstständig gemacht habe. Da waren wir mit Abstand die ersten in Mönchengladbach.

Ich werde es nie vergessen, dass ich bei einer meiner allerersten Innungsversammlungen als junger Friseur, ich war vielleicht ein halbes Jahr selbstständig, vom Obermeister angesprochen wurde: „Ich habe gehört, ihr nehmt euch für einen Haarschnitt eine halbe Stunde Zeit?“ Darauf ich: „Nicht nur eine halbe Stunde, manchmal sogar mehr!“ Da hat er nur den Kopf geschüttelt: „Ja, ihr jungen Leute werdet das wohl auch noch lernen!“ Wie sehr er Unrecht hatte, hat er schneller gemerkt als ihm lieb war.

TOP HAIR: Hatten Sie Vorbilder für Ihr Tun?

Wolf Davids: Oh ja! Natürlich gemessen und analog zur eigenen Entwicklung unterschiedliche: Durch die Apostel und durch die methodische Dienstleistung hatte ich die Chance, solche Leute überhaupt kennenzulernen. Das war Peter Gress, der Vater vom heutigen Peter Gress, das war Europaweltmeister Bernd Pawlovsky, das war Michael Rosinsky, Welt- und Europameister, das war Anita Leutner-Geppert – Namen, die jüngere Friseure heute noch nie gehört haben. Das war sensationell, mit denen am Tisch zu sitzen und zu hören, wie die den Markt, den Salon, die Entwicklungen sehen. Das waren so die Vorbilder der ersten Stunde.

Im zweiten Durchgang kam dann nach der methodischen Friseurdienstleistung, als fast logische Fortsetzung, die methodische Betriebsorganisation. Jetzt brauchen wir eigentlich auch noch eine Methode, um das Kaufmännische in ein Gerüst zu gießen, mit dem man Zahlen vergleichbar macht. Dinge, die heute selbstverständlich sind: Behandlungsfaktoren, Bedienungsfälle und Besuchshäufigkeiten. Das war absolut völliges Neuland. Da hatte sich nie einer Gedanken dazu gemacht. Diese neue Betriebsorganisation brachte dann auch wieder neue Namen ins Spiel: Mecki Grill, der die Minutenkalkulation eingeführt hat – das wurde in der Branche mit Kopfschütteln aufgefasst. Dass man eine Dienstleistung danach berechnet, seine Kosten in Minuten umzulegen und daraus einen Preis zu machen, das haben 95 Prozent der Friseure nicht nur nicht kapiert, sondern für geradezu lächerlich gehalten. Erwin Michaelis. Der eigentlich nie ein wirklich guter Friseur war, daraus hatte er auch eigentlich nie einen Hehl gemacht. Aber er war ein genialer Marketingmann und Kaufmann. Der wusste sich und die Friseurdienstleistung zu verkaufen. Ich glaube, der hat die Branche wie nicht viele andere wachgerüttelt: ungewöhnliche Öffnungszeiten, ungewöhnliche Marketingaktionen. Er hatte vor 30 Jahren schon ein englisches Taxi mit seiner Aufschrift. Da war ansonsten bei Friseurwerbung eine briefmarkengroße Anzeige im Vereinsblättchen schon die Heldentat.

Bis heute sind es eigentlich Macher, die mir imponieren. Die nicht nur reden, sondern das, was sie sich als Ziel gesetzt haben, umsetzen. Darunter gibt es Rebellen, die die Welt auf den Kopf stellen, darunter gibt es Langstreckenläufer, die einen langen, guten, stetigen Weg gehen, aber die nicht aus dem Auge verlieren, wo sie hin wollen. Davon gibt es eine Menge – sieht man ja auch beim TOP Salon. Wenn man es in mein Herz wirklich schaffen will, dann muss etwas hinzukommen, was ich sehr bewundere, dass mir auch imponiert, und dem ich gerne nacheifern will: Sich bei aller Erfolgsorientierung eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren. Ein fröhlicher, nicht verhärteter und von Misstrauen geprägter Umgang mit Menschen. Ich kann es manchmal verstehen, wenn jemand Jahre lang selbstständig ist, dann haben dich beste Mitarbeiter bestohlen, gute Mitarbeiter, die du gefördert hast, haben dich verlassen ohne die Kündigungszeit einzuhalten. Du hast sie auf teure Seminare geschickt und eine Woche später haben sie dich für 50 Euro mehr beim Mitbewerber verlassen. Also dass das möglicherweise im Laufe der Jahre bei jemandem so eine Verachtung schürt, kann man nachvollziehen, aber eigentlich ist es dumm und unklug. Wenn ich jemanden gut kenne, dann rede ich auch mit Engelszungen auf ihn ein: Lass dich nicht zu einem anderen Menschen machen, als dem, der du sein könntest. Und das zeichnet eben die erfolgreichen Friseure aus, die ich als Vorbild betrachte. Die bleiben positiv.

TOP HAIR: Sie sprechen auch immer gerne vom „Gute-Laune-Salon“

Wolf Davids: Ja, der schwebt über allem. Es gibt, das spürt man, wenn man in Salons kommt, den Typ des „Gute- Laune-Salons“. Da kommt man rein und merkt, die sind gut drauf hier! Die erste Voraussetzung zum Erfolg. Und dann gibt es im Gegensatz dazu den „Depri-Salon“. Da kommt man rein und merkt, da stimmt was nicht. Da schwebt durch den Salon so eine Stimmung von Ängstlichkeit und Deprimiertheit. Fürchterlich! Da kann einer frisieren so schön er will, das kriegst du nicht wirklich geregelt.

TOP HAIR: Wenn solche Salons bei Ihnen zum Coaching waren, was haben Sie mit denen gemacht? Im Prinzip müsste man ja die komplette Mannschaft austauschen.

Wolf Davids: Na ja, eigentlich mehr den Chef. Hat der Chef schlechte Laune, laufen auch die Mitarbeiter so rum. Da muss ich sagen, in manchen Dingen bin ich auch ein bekehrter Sünder. Wir sind in den ersten Jahren der Selbstständigkeit relativ schnell gewachsen, hatten ziemlich schnell vier Salons mit knapp 100 Mitarbeitern. Wenn der Tag begann und ich meine Runde im Hauptsalon gedreht habe, habe ich gesehen, da hatte wieder einer vergessen, die Waschmaschine auszuräumen, in der Mixkabine brannte noch Licht, die ganze Nacht, und es war ein stummer Diener nicht aufgeräumt. Wenn die dann kamen, habe ich sie erst einmal zur Schnecke gemacht. Und dann liefen meine Mitarbeiter bis mittags mit gesenktem Haupt rum. Und die Parole hieß: Der Alte hat schlechte Laune. Das habe ich mir schnell abgewöhnt, weil ich gemerkt habe, wenn du was verändern willst, dann musst du das zum richtigen Zeitpunkt machen und nicht morgens, wenn sie noch alle wohlgestimmt ins Geschäft kommen.

Wir hatten es schon davon: Ich möchte gerne geliebt werden, das geistert durch den Kopf von vielen Chefs. Und wenn sie dann merken, das klappt nicht, schalten sie aufs Gegenteil um und hassen ihr Team. Ich hatte einen Kunden, bei dem das Briefing jahrelang das gleiche war, wenn ich in den Salon kam: „Davids, du weißt ja, worum es geht, also mach sie fertig und trete sie in den Arsch.“ Ein anderer ist, immer wenn er sich über einen Mitarbeiter aufgeregt hatte, in seinen Wald gegangen und schrieb mit einer Farbdose den Namen des Mitarbeiters, über den er sich geärgert hatte, auf einen Baum und sägte diesen Baum um. Nun haben ja wenige ein Wäldchen, aber ich glaube, viele würden das gerne so machen.

TOP HAIR: Andersherum, die Mitarbeiter mit dem Chef wahrscheinlich auch.

Wolf Davids: Ja, wenn die die Erlaubnis hätten, einen Baum zu fällen, wenn sie sich über den Chef ärgern, dann wäre der Wald bald weg!

TOP HAIR: Gibt es den geborenen Chef?

Wolf Davids: Nein. Das ist erstmal mit Persönlichkeit verbunden. Wer nicht selber in sich eine Persönlichkeit darstellt, mit allen Ecken und Kanten, aber authentisch ist, der wird es als Chef immer schwer haben. Da kann er Seminare besuchen noch und nöcher. Wenn ich nicht authentisch bin, funktioniert das nicht, dann ist das immer ein Stochern im Nebel. Hinzu kommt, dass man wissen muss, was will ich eigentlich, was ist mein Ziel. Das ist eine traurige Erfahrung, die ich in all den Jahren gemacht habe, dass dieses Nichtwissen ganz viele ins Unglück führt.

TOP HAIR: Wie wurde aus Ihnen, dem Friseur in vierter Generation, ein Berater?

Wolf Davids: Es gibt ja immer so Brüche im Leben. Ich habe so eine Vorstellung, dass es im Leben von uns Menschen so etwas wie Weggabelungen gibt. Du kommst an eine Stelle und dann musst du dich entscheiden, gehe ich nach links oder nach rechts. Dadurch, dass wir Vorreiter in unserer Stadt waren, waren wir in Mönchengladbach gehasst. Wir machten langen Donnerstag, wir öffneten am Montag.  Die Friseure haben immer gesagt: Der Mann ist schrecklich, aber eines hat er gut gemacht, er hat uns die Preise höher gebracht, denn wir haben Preise genommen, die waren das Doppelte von dem, was andere genommen haben. Wir haben relativ früh einen Studio-Salon eröffnet, dann einen sehr exklusiven Herren-Salon –  die heutige Barber-Salon-Idee hatte ich schon vor 35 Jahren. Dann folgte ein Spa-Salon in einem Hotel, dann ein Toupet-Studio. Die insgesamt sieben Salons waren bis auf zwei völlig unterschiedliche Konzeptsalons. Wir hatten vor 30 Jahren sogar einen Mitnahmesalon, der endgültig dazu geführt hat, dass man mich aus der Innung rausschmeißen wollte und dass ich von großen Firmen einen Lieferstopp bekam, weil es völlig ungewöhnlich war, dass man an Endverbraucher Produkte verkaufte. Dann hatte ich ein Gespräch mit meinem Steuerberater, der sagte: Sie müssen jetzt mal konsolidieren, so können Sie das nicht weitermachen. So unterschiedliche Geschäfte, mit dem Toupet-Studio machen Sie dicke Verluste, in den Spa-Salon stecken Sie auch jeden Monat viel Geld rein. Hinzu kam, dass ich aufgrund der vielen Mitarbeiter häufiger als mir lieb war vor dem Arbeitsgericht stand; dass ich mehr Stunden im Büro sitzen musste. Ich habe gemerkt, ein Geschäft zu gründen und eine Idee umzusetzen, das macht Spaß, aber sie am Leben zu halten, das ist etwas anderes. Also dachte ich mir, ich will nochmals was anderes machen. Da war ich 35. Rückblickend war das absoluter Aberwitz, aber damals fand ich das ganz normal: Ich hatte damals für unsere Salons recht witzige und auch erfolgreiche Werbung gemacht, und da dachte ich mir, das wär’s. Ich habe dann aus dem Branchenbuch große Düsseldorfer Werbeagenturen rausgesucht, wirklich die namhaften, und habe zehn davon angeschrieben, dass ich gerne in die Werbung möchte, und habe ihnen meine Anzeigen vorgelegt. Und, oh Wunder, bei dreien davon konnte ich mich vorstellen, bei zweien davon hätte ich anfangen können, und bei einer bin ich dann gelandet. Dann saß ich plötzlich in der Werbeagentur. Das ging dann wie ein Lauffeuer rum: Wir haben jetzt einen Friseur. Fanden viele auch etwa diskreditierend. Mein erstes Projekt war ein Prospekt für einen Motorradhelm.

TOP HAIR: Und die Salons liefen weiter?

Wolf Davids: Einen habe ich geschlossen, vier verkauft und den großen Salon hat meine Frau dann alleine gemacht. Ich habe mich dann eine Zeit lang gar nicht im Salon sehen lassen, und bin nur für ganz harte Fans am Samstag so für zwei, drei Stunden in den Salon gekommen.

TOP HAIR: Wie ging es dann in der Werbung weiter?

Wolf Davids: Ich habe das wirklich mit sehr gutem Erfolg gemacht. Innerhalb eines Jahres bekam ich ein großes Büro mit einer eigenen Sekretärin, ich wurde Kundenberater, das hatte so ein bisschen mit meiner Friseur-Vergangenheit zu tun, und Texter. Ich hatte relativ schnell auch sehr gute Kunden, die ich betreut habe. Einer dieser Kunden war die Warsteiner Brauerei – und da Konzeptioner, Texter und Berater zu sein, das war in der Tat Karriere. Bei der Vorstellung vor der Führungsmannschaft des Unternehmens, stellte mich der damalige Chef vor und sagte: „Herr Davids ist einer der wenigen Werbeleute, die einen richtigen Beruf erlernt haben, Herr Davids ist nämlich Friseur.“

Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich habe dann insgesamt fünf Jahre in dieser Agentur gearbeitet, mit dem Angebot, Partner zu werden. Aber es kam anders: Es gab einen Kunden in der Agentur, der lebte in Baden-Baden, der mir eines Tages sagte: „Herr Davids, ich will Sie haben.“ Darauf ich: „Sie haben mich doch.“ „Nein, ich will Sie richtig haben, Sie sollen hierher kommen.“ Ich sollte der Generalbevollmächtigte seiner Unternehmensgruppe werden. Und das Angebot habe ich dann angenommen. Da war ich dann anderthalb Jahre, bis ich gemerkt habe, das war es nicht. Über diese Zeit könnte ich ein Buch schreiben, sie war unauslöschlich prägend.

So hatte ich dann jetzt eine Ausbildung sehr marketingspezifisch in der Agentur, ich durfte auch mal an großen Rädern drehen – und dann wieder zurück an den Stuhl Haare schneiden. Mit Gabrieles Geschäft waren wir ja weiterhin Kunde bei Schwarzkopf, und da wurde ich in der Zwischenzeit gefragt, ob ich auf der Messe einen kleinen Vortrag halten möchte. Uns so war ich dann plötzlich der Friseur mit Marketing-Hintergrund. Was mir für das konzeptionelle Denken und für das Erkennen von Chancen und wie man das formulierte, geholfen hat. Ich habe dann auch mal, allerdings nicht zu Ende gemacht, dreieinhalb Jahre in Köln an der Werbefachschule versucht, den Werbefachwirt nachzumachen. Ist ehrlich gesagt nicht daran gescheitert, dass ich zu blöd war, aber das hat dann zeitlich vorn und hinten nicht geklappt. Und auch mein Chef in der Agentur hat gesagt, Mensch Junge, was willst du damit, bei uns kannst du bleiben solange du willst, ich habe dir die Teilhaberschaft angeboten, ob du da jetzt ein Diplom oder Master dahinter hast, ist mir egal.

TOP HAIR: Und nach Ihrer Zeit in Baden-Baden sind Sie wieder zurück in die Friseurbranche. War das von Anfang klar?

Wolf Davids: Nein, das war nicht so klar. Das mit der Referententätigkeit hat sich so ergeben, natürlich hatte man signalisiert, wenn ihr wollt – ich könnte. Ich war mit dem Gebietsverkaufsleiter von Schwarzkopf sehr eng befreundet, der uns auch über alle Jahre begleitet hat. Der sagte, wir haben einen neuen Chef. Ich habe der Innung in Mönchengladbach ein Seminar versprochen, und das will der neue Chef sich mal anhören. Und dann kam der Chef zu der Veranstaltung, und dem muss das sehr imponiert haben. Es stand eine Kundenreise nach Thailand an, und dort suchten sie noch einen Referenten, und der Schwarzkopf-Chef sagte: „Das wäre doch etwas für den Davids, die Eröffnung zu machen, die Leute mal richtig heiß zu machen.“ Das habe ich dann mit großer Freude zugesagt. Dieser Auftritt dort führte übrigens dazu, dass ich Rolf Wilms näher kennengelernt habe. Wir haben dann das ein oder andere Stündchen an der Bar miteinander verbracht und dabei ist der TOP Salon entstanden. Und von da an nahm das Schicksal seinen Lauf. Das wurde dann bei Schwarzkopf immer mehr.

TOP HAIR: Sind Sie dann selber auch noch am Stuhl gestanden?

Wolf Davids: Nein.

TOP HAIR: Hat Ihnen das nie gefehlt?

Wolf Davids: Nein. Ich war auch eher jemand, der, im Sinne von Erwin Michaelis, Chancen erkannt hat und auch wusste, wie man sie umsetzt. Aber selber Haare schneiden oder färben – ich konnte es, ich konnte es auch nicht schlecht, aber das war nicht meine wirkliche Leidenschaft. Neue Läden aufmachen, wenn man damit hätte Geld verdienen können … Und zwar jeden Laden anders. Immer den gleichen, das wäre auch nicht mein Ding gewesen.

TOP HAIR: Sie haben einen Sohn. Wollte der nie in Ihre Fußstapfen treten?

Wolf Davids: Der Junior, der hat so einen Ernüchterungsprozess mitgemacht. Das war eine Zeit, wo er in die Schule kam, wo ich vier, fünf Tage in der Woche unterwegs war. Und dann war ein Elternabend in der Schule. Da lagen die Hefte der Kinder und die Lehrerin kam und sagte, lesen Sie mal, was ihr Sohn geschrieben hat bei der Frage, was man später einmal werden möchte. Und da stand: Ich möchte einmal Friseur werden, dann fliege ich immer morgens mit dem Flugzeug. Als ich ihm dann erklärt habe, dass das nicht die alleinige Aufgabe ist, hat er sich das anders überlegt. Er hat Betriebswirtschaft studiert und durch einen guten Freund einen tollen Einstieg gefunden. Er war Geschäftsführer der Heinz-Sielmann-Stiftung, ist danach Chef eines Kulturbuchverlags geworden und heute in einem großen Verlag für das Marketing zuständig.

TOP HAIR: Hätten Sie es gerne gesehen, wenn er Friseur geworden wäre?

Wolf Davids: Nein, nein überhaupt nicht. Das war nie ein Punkt. Ich musste ihn später allerdings, als er dann Chef in dem Kulturbuchverlag war, etwas aufziehen:  Ich habe eine Reihe von Immobilien, die wir für unsere Altersvorsorge gekauft haben. Jedes der Objekte ist absolut schuldenfrei. Da sagte mir mein Sohn: „Das kriege ich in meinem Leben nicht hin, dass ich noch mal das erwerben kann, was du in deinem Leben aufgebaut hast.“ Da habe ich ihm gesagt: „Hättest Du was Vernünftiges gelernt!“

TOP HAIR: Haben Sie das Gefühl, dass Sie auch immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren?

Wolf Davids: Ich glaube, dass ich ein Talent besitze , dafür zu sorgen, am richtigen Ort zu sein, zu wissen, wo die Futterstellen sind, wo der liebe Gott die Steine unter das Wasser gelegt hat, wo man über den See gehen kann. Ich glaube, das ist es eher.

TOP HAIR: Wie sind Sie mit Kritik umgegangen?

Wolf Davids: Dass ich der meist gehasste Friseur in Mönchengladbach war, das hat sich völlig gelegt. Auch darum, weil viele der Dinge, die man bekämpft hat, später normal geworden sind. Die Montagsöffnung, der Profi-Shop – dieser Shit-Storm hat sich völlig gelegt und ist eigentlich einer respektierenden Behandlung gewichen. Wenn ich heute einen Kollegen treffe, dann stelle ich eher fest, dass man wohlwollend, respektvoll miteinander umgeht. Wirklichen Widerspruch habe ich eigentlich relativ selten bekommen. Es gab zweimal eine Situation, wo in der Industrie der Geschäftsführer gewechselt hat. Bei Schwarzkopf gab es einen neuen, der kam von Beiersdorf: Da saßen alle zusammen in Frankfurt, der Außendienst und die freien Mitarbeiter, 150 Leute, und dann kam in seiner Rede vor: „Ich habe schon zur Kenntnis genommen, dass sie der Meinung sind, der Friseurmarkt sei ein ganz spezieller. Das können sie sich mal gleich aus dem Kopf schlagen. Es gibt keine speziellen Märkte, alle Märkte funktionieren gleich.“ Und dann gab es ein getrenntes Gespräch davon mit seinen freien Mitarbeitern, mit denen er ja nicht so restriktiv reden könnte wie mit seinen festen Verkäufern, da habe ich ganz klar Stellung bezogen und gesagt: „Das glaube ich nicht, funktioniert auch nicht und ich werde so etwas in meinen Seminaren nicht verkünden.“ „Dann müssen wir leider die Zusammenarbeit beenden“, sagte er. Und dann haben wir sie beendet. Dann hatte ich mit Schwarzkopf ein halbes Jahr nichts zu tun. Zu dieser Zeit hatte ich aber auch schon genug Aufträge in den Innungen und Verbänden.  Dann war der neue Chef aber auch schnell wieder weg, und dann wurde ich in Ehren wieder aufgenommen.

Das gab es bei Schwarzkopf zwei Mal. Die dritte, harte Konfrontation, die entgegen meiner Art fast in Handgreiflichkeiten ausgeartet wäre, war bei Wella. Irgendwann hatte mich Wella von Schwarzkopf abgeworben. Da war ich beschäftigt wie eigentlich nie zuvor, das war schon fast an der Grenze des Machbaren. Dann wurde Wella an P&G verkauft und dann kam der neue Chef, der eigentlich die Wella zertrümmert hat. Er gab eine neue Restriktive heraus, worauf ich sagte:  Tut mir leid, ich werde nie etwas gegen die Wella sagen, aber ich werde auch nichts gegen meine Überzeugung sagen. Er drohte mir dann, sollte ich für einen Mitbewerber auf die Bühne gehen, werde er mich  von der Polizei von der Bühne holen lassen. Da habe ich ihn gefragt, ob das jetzt nicht ein Anflug von Größenwahn sei? Und dann war es so weit, dass ich mir dachte, wenn er jetzt noch ein Wort sagt, dann kriegt er eine. Also so etwas Dreistes und Freches! Wilfried Lindloff ist damals dazwischen gegangen. Dann bin ich nach Hause gefahren und habe am gleichen Tag noch meine Kündigung geschickt. Und war dann relativ kurze Zeit später wieder bei Schwarzkopf. Dort haben sie mir einen Vertrag angeboten, den sie in Deutschland nicht erfüllen konnten und darum haben sie mich dann an die Schweiz ausgeliehen. Was mir aber sehr gefallen hat, denn über diesen Einsatz habe ich dort ein paar tolle große Friseure kennengelernt, von denen auch noch zwei, wie erwähnt, regelmäßig nach Ibiza kommen.

TOP HAIR: Was war für Sie in den vergangenen Jahrzehnten das Revolutionärste in der Branche?

Wolf Davids: Klar, gab es immer wieder starke Veränderungen. Aber revolutionär? Vielleicht der Durchbruch der Neuen Medien und der Umgang damit. Dass es heute fast normal ist, eine Website zu haben, dass man sich informiert, dass man vernetzt ist. Die stärkste Revolution, aber revolutionär hört sich so nach Aufbruch an, aber das ist es ja eigentlich nicht, ist das, was zur Zeit passiert mit der demografischen Entwicklung, dass wir in den nächsten Jahren 30 Prozent weniger Kunden in der Altersklasse unter 30 Jahren haben werden. Das wird die Branche verändern und noch viel mehr die Tatsache, dass sich die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber halbiert hat. Der Friseurberuf war mal bei den Mädchen an zweiter Stelle der Wunschberufe, jetzt steht er an siebter oder achter Stelle. Die Tatsache, dass etwa 50 Prozent, diese Zahl hat mich wirklich vom Hocker gehauen, aller Ausbildungsverträge abgebrochen werden.

TOP HAIR: Woran liegt das? Die Friseure haben ja kapiert, dass sie was tun müssen und viele fördern die Jugendlichen richtig und machen ihnen attraktive Angebote. Es geht ja nicht um Kaffee kochen und Haare fegen.

Wolf Davids: Das hat vielschichtige Gründe, die man als Chef zur Kenntnis nehmen muss, um darauf zu reagieren. Das fängt damit an, dass ganz viele der jungen Menschen, die in eine Ausbildung gehen, von zu Hause keine Pflichten mehr kennen. Wenn die das, was es zu Mittag gab nicht mochten, haben sie sich etwas anders aus dem Kühlschrank geholt. Die mussten für ihre neuen Sneakers nichts tun, die hat Mutter oder Oma bezahlt. Leistungsanspruch kennen die nicht, die sind völlig platt, wenn das von heute auf morgen selbstverständlich ist. Ein weiterer Punkt ist: Der klassische Ausbildungsplatzbewerber hat selber als Kunde beim Friseur gar keine Erfahrung. Die haben zu Hause von Mutter ihre Haare geschnitten bekommen, oder von der Tante. Sie kennen den Beruf, den sie erlernen, nicht von einer gewissen Innensicht. Und die sind dann platt, was im Salon so zu tun ist. Die haben völlig diffuse Vorstellungen von dem, was da in Wirklichkeit passiert. Und ein ganz, ganz wichtiger Punkt: Die Menschen sind  ja entweder mit der rechten oder linken Gehirnhälfte stärker. Das, was beim Friseur ansteht, ist ja ganz stark in beiden Polen verankert. Du musst sowohl die kreative, schöpferische Seite als auch das logische, strukturierte Denken beherrschen. Und auch das ist eine gesellschaftliche Entwicklung: Menschen mögen heute nichts mehr tun, was ihnen keinen Spaß macht. Die glauben ja auch, das sei ein Grundrecht,. Das war ja früher überhaupt nicht so. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das läuft heute anders. Und jetzt stellen sie plötzlich fest, ich muss auch Dinge tun, die ich nicht gerne tue.

Und ein weiterer Grund ist – das habe ich mal von einem guten Freund gelernt, der ist Diplom-Psychologe, mit dem ich viel über das Thema Motivationen gesprochen habe. Der hat mir etwas ganz Wichtiges gesagt: Jeder Mensch, ob er will oder nicht, und ob er sich dessen bewusst ist oder nicht, hat in sich eine Frustrationstoleranz. Die ist beim einen ganz kurz und beim anderen sehr lang. Ein Friseur hat, wenn er den Beruf aus Neigung und freiwillig ausübt, eine kurze Frustrationstoleranz. Wenn man das weiß, ist das eine der größten und sensationellen Chancen, die der Friseur hat.

Ich mag das nicht, wenn man den Beruf so hochjubelt: Der schönste Beruf der Welt. Das kann man so sehen, dann muss man aber auch den Hintergrund nicht nur verstehen, sondern auch zulassen. Der schönste Beruf ist es dann, wenn ich eine geringe Frustrationstoleranz habe und mir bewusst ist, ICH spreche mit einem Menschen, nicht irgendjemand anderer. Dann darf ich das Besprochene mit meinem Talent durchführen. Am Ende zeige ich dem Kunden das Ergebnis, im besten Falle strahlt dieser Mensch. Das gibt es sonst nicht. Sag mir wirklich einen Beruf, außer Straßenmusiker, wo das noch so möglich ist, dass man die gesamte Kette seines Könnens abrufen kann.

Und wenn ich mir dann aber unsere so hochgelobte duale Ausbildung anschaue, dann läuft das eher in die andere Richtung. Damit gewinne ich nie Freunde. Wenn ich das auf einer Innungsversammlung sage, dann würde ich mir etwas Böses anhören müssen: Jemand, der die derzeitige, in den meisten Salons noch laufende klassische Ausbildung, die sich an die Ausbildungsordnung hält, erfolgreich abschließt, ist für den Friseurberuf nicht geeignet. Das sind zwei konträre Dinge. Der durchläuft eine Ausbildung, die mit dem, was er eigentlich können müsste, nichts zu tun hat.

TOP HAIR: Das ist eine gewagte Aussage. Ich verstehe, dass der Verband das nicht gerne hört.

Wolf Davids: Ja, natürlich nicht. Das ist in den romanischen Ländern völlig anders. Die dürfen machen und tun. Dieses Kapitulieren vor dem Arbeiten an echten Menschen, diese scheinbar unverzichtbaren Übungsköpfe – das hat doch mit Friseur überhaupt nichts zu tun! Da kriegt einer einen Übungskopf, da haben schon drei vorher dran rumgeschnibbelt, und dann sollst du da graduieren oder sonst was lernen.

TOP HAIR: Also wäre die Lösung, die Auszubildenden sofort auf die Kunden loszulassen?

Wolf Davids: Ja, schneller zumindest. Dass möglicherweise der erste Haarschnitt am Übungskopf stattfindet, aber sorry, wenn ich als Ausbilder es nicht schaffe, unter Mitverantwortung des Auszubildenden, der darf da sehr wohl auch tätig sein, ein lebendes Modell zu bekommen, dass die Oma oder die Schwester oder die Freundin kommt und sich unter Anleitung die Haare schneiden lässt, und ich kriege stattdessen so einen zerrupften Übungskopf – das hat mit dem, was ich mir unter dem Beruf vorstelle, wirklich überhaupt nichts zu tun.

Mein Ansatz ist: Ich würde die Ausbildung zum Friseur teilen, und zwar in die Möglichkeit, einen anspruchsvollen Spezialisten und einen Generalisten heranzuziehen. Das, was wir jetzt tun, ist der Versuch, immer den Generalisten zu haben. Die sollen sprachlich versiert sein, die sollen was darstellen, die sollen eine kreative Idee hervorbringen. Das muss man sich mal vorstellen, ein noch nicht vorhandenes Frisuren- und Farbbild mit Worten zu erklären, das kriegt wahrscheinlich noch nicht mal ein Germanist richtig hin. Und dann sollen sie es auch noch machen und freundlich dabei sein und auch noch wissen, der Kunde trinkt seinen Kaffee ohne Milch und Zucker – also ganz schwierig. Es gibt diese wunderbaren Menschen, die alles können, die sind aber rar gesät.

Wenn man die Friseurdienstleistung sieht, dann gibt es technische Disziplinen, dazu gehört die  Ausführung eines Haarschnitts, nicht der Entwurf, wenn es um Winkel und Graduationen geht. Dazu gehören die Erstellung einer Farbrezeptur und auch das Auftragen einer Farbrezeptur. Und es gibt diesen kreativ-schöpferischen Bereich, das ist dann die Frisur oder eben auch eine kreative Farbkonzeption.

Ein Beispiel: Wir hatten von einigen Jahren eine Mitarbeiterin, Conny. Conny war ein sehr simpel und einfach gestricktes Mädchen, kam aus einer Familie mit zehn Kindern, und die hätte ich nie genommen, wenn die Klassenlehrerin der Sonderschule nicht gesagt hätte, Davids, ich habe da ein Mädchen, die wäre was für Sie. Conny war wunderbar! Conny konnte niemals langsam gehen, Conny war hochgeschätzt bei unseren Kunden, weil sie so angenehm war, und Conny konnte in einer Präzision Strähnen und Farben machen, das war außerordentlich. Und wir hatten ganz viele schwierigste Kunden, die die Strähnen nur von Conny wollten. Sie konnte aber nicht Haare schneiden, nicht föhnen, nicht frisieren. Und als sie fertig war mit der Ausbildung, habe ich gesagt: Conny, du siehst doch wie es ist, nur mit Farben kann ich dich hier nicht beschäftigen, dann bist du Assistentin, und du willst ja mal was verdienen. Bleiben kannst du leider nicht. Das war so ein Fehler, den ich heute nie mehr im Leben machen würde. Ein Geschenk vom lieben Gott, eine Farbspezialistin zu haben, die das in dieser Sorgfalt, Akribie und Schnelligkeit kann, die war mit den tollsten Strähnen in zehn Minuten fertig.

Ist natürlich eine Frage der Salongröße, aber warum gibt es nicht die Verwöhnerin, jemand, der Haarpflege zelebrieren kann, der Haarkuren aufträgt, der Spitzenbehandlungen macht. Ab fünf oder sechs Mitarbeiter oder bei einem Kundendurchlauf von 50 Kunden pro Tag würde sich so jemand bezahlt machen. Die muss nicht auch noch Haare schneiden können. Ein anderes Beispiel unser Benno. Ein Mitarbeiter, den die Kunden sehr mochten. Das war zu der Zeit, als die Dauerwelle so modern war, Doppeldecker und Huckepack und Pyramidenwicklung und all so ein Kram. Das mochte der nicht, das konnte der nicht und bei jeder Besprechung habe ich gesagt, Mensch Benno, wir haben alle zusammen einen Dauerwell-Anteil über 20 Prozent, die eine hat einen über 40 Prozent und du drei oder vier Prozent. Da sagte er: Davids, ich mache Ihnen noch zehn Färbungen mehr, aber lassen Sie mich mit der Dauerwelle in Ruhe. Ich habe ihn nicht in Ruhe gelassen – dann ist er abgehauen.

Warum lässt man nicht die Menschen das tun, was sie tun können? Ich glaube sogar, dass es kaufmännisch gesehen, unter den Gesichtspunkten der Produktivität, auch sinnvoll wäre. Das habe ich natürlich auch mit Inbrunst in meinem Kollegenkreis erzählt. Da kam dann: Aber die Kunden wollen es doch nicht, die Kunden möchten doch von dem gleichen, der ihnen die Haare geschnitten hat, auch frisiert werden.

TOP HAIR: Ja, diese Kunden gibt es bestimmt.

Wolf Davids: Vielleicht müssen Sie sich daran gewöhnen, dass es in Zukunft anders ist.Wenn ich das dann richtig verkaufe: Die Farbe macht unsere Farbspezialistin, die Frisur unsere Schnittspezialistin, dann versteht das auch die Kundin, wenn sie den Qualitätsunterschied merkt.

TOP HAIR: Hätten denn aber die Mitarbeiter untereinander nicht ein Problem damit?

Wolf Davids: Ja, das könnte sein. Allerdings ist auch dies ein Punkt, der relativ gerecht und einfach zu lösen ist. Wenn man die Dienstleistung in andere Etappen aufteilt, also wenn ich die Farbe aufteilen würde in: Erstellung der Rezeptur hat einen Preis, Applizieren der Farbe hat einen Preis. Dann kriegt der eine das und der andere das, die Beratung für einen Haarschnitt hat einen Preis und die Durchführung hat einen Preis. Also da gäbe es schon sehr gerechte Möglichkeiten, das zu machen und Wege zu finden. Jetzt ist es doch oftmals so, dass es total ungerecht verläuft: Da hat eine Auszubildende im dritten Lehrjahr eine Stunde lang Alusträhnen gefaltet, gekniffen und gemacht und hinterher auch noch abgespült. Und die Friseurin schreibt sich hinterher 82 Euro Umsatz auf, den sie überhaupt nicht gemacht hat. Man kann diese Form von ungerechter Verteilung von Umsätzen und den daraus resultierenden Beteiligungen so lassen wie sie ist, oder man muss darüber sprechen, dass man sie anders macht. Dass alle auf ihre Weise zufrieden sein müssen, ist klar. Ich bleibe dabei: An der Grundvoraussetzung wird sich nicht viel ändern, wir werden weniger Leute haben, diese wenigen Leute werden weniger tun wollen, was ihnen keinen Spaß macht, und sie würden mehr Hochleistung erbringen, wenn man sie das tun lässt, was ihnen Spaß macht.

TOP HAIR: Wenn man derzeit die Branche anschaut, dann klingt das alles nicht so positiv: Es fehlen Azubis und Mitarbeiter, Mitarbeiter wandern ab, machen lieben was anderes. Gibt es denn auch irgendetwas, was Sie erfreut, ein Hoffnungsschimmer für die Branche?

Wolf Davids: Ja! Wo das Negative wächst, wächst das Gute auch! Ich sehe bei dem Trend, der von den Friseuren, der Industrie und den Verbänden als negativ betrachtet wird, die Entwicklung zum Kleinstsalon, durchaus positiv. Das will ich erklären: Es war ja lange Zeit so, dass man da die Nase gerümpft hat. Aber insbesondere durch den Wettbewerb TOP Salon, aber auch durch viele Beobachtungen, die ich machen konnte, gibt es hier eine ganz starke Entwicklung, dass diese kleinen und Kleinstbetriebe professionell sind. Die ganz guten Mitarbeiter, die aus großen Betrieben kommen, sagen sich heute, ich bin doch nicht bekloppt und mache da einen großen Salon auf mit vielen Mitarbeitern und der ganzen Buchhaltung. Ich mache um mich herum einen schönen Laden, hole mir eine, die ich gut kenne noch dazu. Ein Teil der interessantesten Salonkonzepte geht eben nicht mehr auf groß. Und ich glaube, dass es hier auch einen Trend bei den Kunden gibt, die nicht mehr gleichsetzen, ein guter Friseur ist einer mit 20 Plätzen, 20 Mitarbeitern und zwei Rezeptionistinnen. Das findet auch im Markt Nachfrage. Die Entwicklung zu den profitablen, spannenden, hochprofessionellen Kleinstsalons, das finde ich eine positive Entwicklung.

TOP HAIR: Aber das ist ja nur die eine Seite. Es gab ja auch die Kellerfriseure, die Garagenfriseure, die unter 17.500 Euro Umsatz bleiben. Eigentlich will sie niemand, aber sie sind da. 

Wolf Davids: Das Problem, da bin ich bereit, in der TOP HAIR eine Wette auszuschreiben, die ich gewinnen werde, wird sich von allein erledigen.

TOP HAIR: Wie das?

Wolf Davids: Weiles politisch gewollt ist, dass das Bargeld abgeschafft wird. Es wird noch Bargeld geben, aber man wird an ganz vielen Stellen nicht mehr bar bezahlen können oder wenn mit Bargeld, dann nur mit Aufschlag. Viele Geschäfte, auch kleine Geschäfte werden mit Kreditkarte abrechnen. Die Banken, und das steht fest, werden ihre Bankautomaten um die Hälfte reduzieren. Ich werde also nicht mehr einfach um die Ecke schnell anhalten können und mir eben einen Hunderter ziehen.  In dem Maße, wie sukzessive das Bargeld abgeschafft wird, wird das Geschäft, das nur von Bargeldzahlungen lebt, weniger werden. Die werden nicht alle auf einen Schlag pleite gehen. Die Entwicklung zum bargeldlosen Zahlungsverkehr ist unaufhaltsam. Und das wird relativ schnell kommen. Der Mini-Friseur in dieser Form, er wird nicht aussterben, es wird immer welche geben, denen man drei Gläser Marmelade und einen Kasten Bier mitbringt. Aber in der Breite und in der Anzahl, wie das jetzt noch ist, wird das nicht funktionieren.

TOP HAIR: Jetzt haben wir auf der einen Seite die ganz kleinen Salons, auf der anderen Seite die ganz großen Salons mit 20 und mehr Mitarbeitern. Bricht die Mitte weg?

Wolf Davids: Ja. Was wir heute oft als Mitte bezeichnen, waren ja mal bei der Gründung große Salons oder größere, die sind zur Mitte geworden, weil sie den Salon nicht voll kriegen.
90 Prozent aller Friseurunternehmer gründen zu große Geschäfte. Da haben sie von ihrem Einrichter gehört, machen sie lieber 15 Plätze, wenn sie wachsen, wird das sonst teuer, wenn sie nachträglich aufstocken müssen. Daher ist das Schwimmen in der Mitte schon ein organischer Prozess, die haben einfach zu groß angefangen. Die, die mal mittelgroß waren, die leiden natürlich unter diesem Problem, mangelndes Personal und die Qualität auf gleichem Niveau zu halten.

Die durchschnittliche Auslastung eines Salons setzt sich zusammen aus – hoffentlich – 100 Prozent Chef, 90 Prozent die Top-Friseurin, 70 Prozent die zweite, 40 Prozent die dritte. Aus der durchschnittlichen Auslastung von 70 Prozent ergibt sich die Wirtschaftlichkeit. Wenn jetzt mit dem Aspekt des Mindestlohns auch die Schwache entsprechend entlohnt werden muss, dann rechnet sich das mit einer Mitarbeiterin, die am Tag drei Kunden bedient – und im Übrigen der anderen beim Färben hilft, nicht mehr. Die Mitte ist gefährdet, weil sie Strukturen hat, die schwierig sind. Gleichwohl, wo es eine dynamische Chefin gib, wo das ein funktionierende Familienunternehmen ist, gibt es nach wie vor hochprofitable und gewinnstarke Unternehmen im mittleren Bereich.

TOP HAIR: Welche weiteren Punkte beeinflussen die Marktentwicklung neben der Demografie?

Wolf Davids: Ich denke, die derzeitigen Öffnungszeiten entfernen sich von den gewünschten Nutzungszeiten der Verbraucher. Das hat sich zwar so eingebürgert, man fängt morgens um 9 Uhr an, häufig zwar bis 20 Uhr, aber dann mit reduziertem Personal. Also das läuft noch nicht so professionell, wie es sein könnte. Und 20 Uhr ist auch noch nicht unbedingt die Traumzeit. Hier die Wünsche der Verbraucher mehr zu berücksichtigen wäre gut, aber hier hängt man sehr starr am Status quo.

Wir haben bei unseren Unic-Salons weit überdurchschnittlich erfolgreich gearbeitet: Wir hatten an sechs Tagen die Woche von 10 bis 20 Uhr geöffnet, wechselnd in einem Geschäft bis 22 Uhr. Unsere Leute haben nur vier Tage in der Woche gearbeitet. Vier Tage à zehn Stunden. Das war ein wichtiger Grund, warum wir kein Personalproblem hatten. Es gibt viele gute, motivierte Leute, die lieber vier Tage zehn Stunden powern als fünf Tage je acht Stunden arbeiten. Dann haben die drei Tage in der Woche frei, wenn man das dann intelligent macht, dann kann das heißen, dass die einen Kurzurlaub haben. Und es bedeutete eine große Flexibilität im Privatleben. Das war ein Riesenargument. Das ist sicherlich natürlich auch davon abhängig, wo sich der Salon befindet.

TOP HAIR: Davon waren aber doch sicherlich nicht alle Mitarbeiter gleich begeistert?

Wolf Davids: Doch ja. Dazu muss man jedoch sagen, dass wir bei den Unic-Salons das von Anfang an so gehabt haben, es gab nie eine Alternative. Grundsätzlich hatte das eine magnetische Wirkung auf Hochleister.  

TOP HAIR: Wenn Sie sich eine Zukunft für die Branche basteln könnten – wie sehe die aus?

Wolf Davids: Ich würde mir wünschen, diese Jammerei über die Billig-Friseure würde aufhören. Das finde ich völlig albern. Kein Sternekoch würde sich aufregen, dass es Imbissbuden gibt. Dann lass die doch ihre Bratwurst braten, ist doch in Ordnung. Es interessiert mich nicht, ob es einen Friseur gibt, der für fünf Euro Haare schneidet. Die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter. Das kann nicht mein Thema sein! Wenn jemand glaubt, er kriegt für seine Leistung nicht mehr als 5, 7 oder 10 Euro, ja, dann soll er es machen. Wir haben eine freie Marktwirtschaft, was soll ich denn tun. Wenn ich dem gesetzlich vorschreibe, er muss 20 Euro mehr verlangen, davon habe ich doch keinen Kunden mehr. Ich muss für mein Geschäft das tun, was mein Geschäft bewegt. Und das heißt, ich muss eine Qualität haben, die oberhalb dessen liegt, was die Kunden bezahlen. Immer. Etwas anderes ist die Subventionierung von Dumpingpreisen durch Steuerbetrug. Da bin ich sehr wohl hochallergisch.

Dann würde ich mir ganz stark wünschen, dass die Friseure mehr Eigenverantwortung übernehmen und nicht so sehr auf die Industrie oder Verbände schielen. Die Industrie soll jetzt die neue Ausbildung finanzieren oder möglich machen. Wobei das ja Scheingefechte sind. Dieser Versuch von L’Oréal ist aller Ehren wert. Aber: Über diesen Weg hätten im Jahr, bei den angeschlossenen Schulen, die es dort gab, maximal 50 Auszubildende ausgebildet werden können. Mehr wären es nicht gewesen. Ja, was hilft das der Branche? Überhaupt nichts. Das ist eine Alibi-Veranstaltung. Was derzeit die Biosthetiker machen – wunderbar, und sie sind auch ein Stück weiter als L’Oréal, ist aber im Prinzip die gleiche Nummer. Das ist ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Also da muss auch Eigeninitiative ins Spiel kommen, und mein Lieblingsthema ist ja das neudeutsche Wort "Employer Branding". Man muss verstehen, dass man eine Marke sein muss für Mitarbeiter.

Wir haben einmal im Jahr von guten Schulen die Lehrer eingeladen, die in den Abschlussklassen die Berufsvorbereitung machen, und denen haben wir gezeigt, was wir machen. Die waren oft erstaunt, die hatten auch ein falsches Bild von unserem Beruf. Ich habe immer einmal im Jahr mit den Berufsberatern, bei uns waren das zwei, beim Arbeitsamt gesprochen. Da gehen 60, 70 Prozent von Berufsanfängern durch deren Hände. Dann sitzt da jemand mit einem guten Zeugnis, dann sagen die, nö, Friseur nicht. Ich will aber haben, dass die sagen, Friseur ja, aber beim Davids. Also muss ich mit denen sprechen und erklären, was wir anders machen. Man muss auch ein paar Dinge tun, die die Mädchen oder Jungs in der Schule erzählen: Ich war jetzt eine Woche bei Meininghaus in der Schule, ich durfte das oder das tun. Den Ruf, den man als Arbeitgeber in seiner Stadt hat, den kann man beeinflussen, der ist 100 % hausgemacht. Das wird derzeit sträflichst vernachlässigt.

TOP HAIR: Welchen Tipp würden Sie einem jungen Friseur oder einem guten Freund geben?

Wolf Davids: Mach dir klar, oder noch mal klar, was du eigentlich willst. Willst du am Stuhl stehen, der König deiner Kunden und Mitarbeiter sein? Oder möchtest du dich zu irgendeinem Zeitpunkt zum Führen zurückziehen? Möchtest du eigentlich wachsen? Sei dir darüber im Klaren, was du eigentlich wirklich willst. Denn die Unklarheit darüber führt zwangsläufig in die Irre. Dann gibt es eine zweite Frage: Mache dir, egal wie alt du bist, Gedanken darüber, wie lange du denn überhaupt arbeiten möchtest. Überlege dir diesen Zeitpunkt. Ob es dann 60 oder doch 62 werden, das spielt keine Rolle. Wenn du das weißt, dann mache dir heute Gedanken darüber, wie du deinen Lebensstandard finanzieren wirst, wenn dieser Punkt gekommen ist. Das sind klare Dinge: du kannst nachschauen, welchen Rentenanspruch du wahrscheinlich haben wirst – bekommst du ja von der Rentenanstalt geschickt. Dann weißt du, wenn du sie hoffentlich hast, wann deine Lebensversicherung fällig wird und in welcher Größenordnung. Diesen Gedanken kann man eigentlich gar nicht früh genug haben, zu wissen, wenn ich mit 65 Golf spielen, immer noch ein kleines Auto fahren möchte, noch gerne zweimal im Jahr in den Urlaub fahre, ein bisschen Zusatzkrankenversicherung wäre auch nicht schlecht: Dann bin ich schnell bei 3.500 bis 4.000 Euro. Wo kommen die her? Wenn du das nicht weißt, dann stehst noch mit 65, 68 oder 70 am Stuhl. Und wenn man das nicht will, sondern muss, ist das das Traurigste, was einem passieren kann. Und ehrlich gesagt, davon gibt es unendlich viele Friseure. Die erzählen dir zwar, ich kann nicht ohne, aber die könnten, wenn sie könnten. Diese Situation sollte man nicht haben.

TOP HAIR: Wann haben Sie sich über diese Dinge Gedanken gemacht?

Wolf Davids: Wann ich einmal aufhören möchte, wusste ich, bevor ich den Laden aufgemacht habe. Das hatte ich die Idee: mit 60. Daraus ist dann doch ein bisschen mehr geworden. Wir hatten ja das große Intercoiffure-Geschäft, das meine Frau Gabriele geführt hat, das war ein Flagship-Salon, der in Ordnung war, und damit hätte man es auch beschließen können. Ich hatte aber dann mit etwa 60 die Unic-Salons gegründet – fünf Stück, die bewusst dafür da waren, noch einmal die letzten aktiven Jahre zu kapitalisieren. Ich wollte etwas aufbauen, das ich für einen guten Preis verkaufen kann.

TOP HAIR: Das war aber auch mutig.

Wolf Davids: Ja, aber ehrlich gesagt: Wenn man mit der Erfahrung sich jahrzehntelang vor die Kollegen stellt und sagt, wie man als Friseur reich und glücklich wird, dann muss man selber den Mut haben, das zu tun. Das habe ich auch ganz gut hingekriegt. Diese Unic-Salons sind vom ersten Tag an gegründet worden, um mein Wissen, mein Können, meine Erfahrung zu kapitalisieren und am Ende zu sagen, ich suche mir vom ersten Tag an schon einen Nachfolger, der auf die Übernahme des gesamten Pakets oder einzelner Salons vorbereitet wird. Das hat auch generalstabsmäßig so geklappt.

TOP HAIR: Das heißt, Ihre Salons hat jemand übernommen, der bei Ihnen gearbeitet hat?

Wolf Davids: Ja, die war vom ersten Tag an bei uns. Eine Lehre im Geschäft von Gabriele, dann gewechselt als Mitarbeiterin zu  Unic, sie wurde dann Salonleiterin. Dann war eigentlich schon relativ früh klar, dass sie einmal alle Geschäfte übernimmt. Und wir haben sie mit ins Boot geholt, zu Seminaren geschickt, und sie hatte Einblick in die Zahlen. Sie hat, ich war immer der Meinung, wir haben die Umsatzgrenze eines großen, voll ausgelasteten Geschäfts erreicht, aber sie hat das noch mal toppen können. Also da bin ich sehr stolz drauf, dass das so gekommen ist. Das war ein guter Deal. So früh wie möglich wissen, wann ich aufhören will, aber dann muss man sich mindestens fünf Jahre vorher um die Übergabe kümmern. Da schauen mich viele Kollegen groß an.

TOP HAIR: Was muss ich in diesen fünf Jahren alles machen?

Wolf Davids: Ich muss schauen, dass meine Zahlen in Ordnung sind. Ich muss Kosten, die man gewohnt ist, die aber beim Verkauf einen negativen Eindruck erwecken, die die Gewinnzahlen beim Verkauf ins Negative bringen, reduzieren. Nicht an der Qualität und nicht an den lebenserhaltenden Dingen sparen, aber an den Dingen, die unnötigerweise, weil man es sich erlauben kann, die Kosten in die Höhen treiben.

Ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich mir das vorstelle: Möchte ich noch möglicherweise ein, zwei Tage mitarbeiten oder bin ganz raus. Will ich jemanden aus dem eigenen Blut nachzüchten, dann muss man das sehr früh wissen. Wenn man weiß, das wäre mein Ideal, dann geht man an den Mitarbeiter auch ganz anders ran. Das heißt ja nicht immer, dass das dann klappt, da kann ja viel Unwägbares noch kommen, aber wenn man es nicht tut, dann klappt es schon mal überhaupt nicht.

Ist es sinnvoll, dass ich noch rechtzeitig eine GmbH oder KG gründe, damit der Verkauf steuerlich  einfacher abzuwickeln ist. Ist möglicherweise auch eine Abgabe auf Rentenbasis denkbar, da bin ich eher pessimistisch, ist aber auch eine Form, wenn man jemanden sehr gut und lange genug kennt. Man wird sich wundern, wie schnell fünf Jahre vorbei sind und was alles anfällt an Entscheidungen: Kaufen wir noch drei neue Hauben oder repariere ich das alte Ding. Das kann sinnvoll sein, sie neu zu kaufen, denn mit alten Hauben kommt jemand auf die Idee, die alten bezahle ich dir nicht. Also auch die Ausstattung des Salons ist ein wichtiger Punkt.

TOP HAIR: Egal ob es eine fremde Person ist oder Familie?

Wolf Davids: Bei Familie ist es glaube ich noch etwa anders. Was ich jetzt gerade gesagt habe, trifft auf Familie nicht ganz so zu. Natürlich ist es anders, wenn die Tochter oder der Sohn weiß, ich werde mal das Geschäft übernehmen. Es ist aber auch eine Frage, wie manches Mal leichtfertig falsch gemacht, man lässt die Frage nach dem Wann offen. Das möchte aber ein erfolgsorientierter junger Mensch nicht, der will das wissen, und dann muss auch der Senior loslassen können. Am Sankt-Nimmerleins-Tag kriegst du mal das Geschäft, da hauen die ab und machen selber was. Und auch dann die Zeit nutzen, um nochmals auf ein Seminar zu gehen. Wenn ich erst einmal verantwortlich im Laden stehe, sind eine Woche oder 14 Tage Sassoon schwerer zu verwirklichen.

TOP HAIR: Bei Ihnen ist alles glatt gelaufen?

Wolf Davids: Ja, kann ich nicht anders sagen. Und wenn es anders wäre, könnte ich das auch zugeben. Wir haben uns gefragt, was wäre für uns selber ein fairer Preis, und den haben wir dann auch so formuliert. Das hat sich orientiert an Umsätzen, am Gewinn, und vielleicht ist das noch ein wichtiger Tipp: Der Kaufpreis für ein Geschäft in einem einigermaßen guten Zustand, sollte der Käufer aus den Mitteln des Geschäfts innerhalb von drei Jahren finanzieren können. Damit hat man eigentlich eine ganz gute Größenordnung. Kann ich, nachdem ich das eigene Gehalt entnommen habe, so viel entnehmen, um das Geschäft innerhalb von drei Jahren zu refinanzieren. Wenn ich da schon fünf Jahre und länger brauche, dann stimmt am Preis was nicht oder ich sollte die Finger davon lassen.

TOP HAIR: Gab es einen Leitspruch für Ihr Handeln?

Wolf Davids: Der steht sogar heute noch auf meinen Schreibtisch: Handle so, wie du selbst behandelt werden möchtest, sei der Freund und Partner, wie du ihn gerne haben möchtest und behandle deine Mitarbeiter und andere Menschen so, wie du auch selbst behandelt werden möchtest. Letztlich: Was du nicht willst, dass man dir tut, füge auch keinem anderen zu. Aber ins Positive gekehrt.

Vielen Dank für dieses Interview!

Autorin: Yvonne Rieken