27.01.2016

Betriebsübergaben gut vorbereiten

Viele Aspekte sind bei der Übergabe eines Unternehmens an einen Nachfolger zu ­beachten und zu klären. Eine gründliche Vorbereitung ist umso wichtiger

Was hat man damals geplant und gerechnet. Konzepte wurden entwickelt, verbessert und immer detaillierter ausgearbeitet, man hat Genehmigungen eingeholt, einen Finanzplan auf- und Rentabilitätsrechnungen angestellt – nichts hat man damals, in der Gründungsphase des Unternehmens, dem Zufall überlassen wollen. Und das war offenbar richtig. Die Kredite sind pünktlich bedient worden, und bis heute ernährt der Betrieb Inhaber und Angestellte. Inzwischen hat man die 50 erreicht, ja, überschritten – und wähnt die Zeit des Ruhestands in weiter Ferne.

Ganz anders sieht das Helge Valentien, Berater bei der Handwerkskammer Aurich-Ostfriesland. Etwa Mitte 50, sagt er, sei der richtige Zeitpunkt, um über einen Nachfolger nachzudenken: „Wir brauchen einen Vorlauf von mindestens fünf Jahren!“ Schließlich stehen die Bewerber für die Übernahme eines Unternehmens nicht eben Schlange. „Wir haben ein großes Angebot, aber eine vergleichsweise geringe Nachfrage“, erklärt der Experte. Denn die Bereitschaft zur Selbstständigkeit, zur Übernahme unternehmerischer Risiken, so seine Beobachtung, ist gegenüber früheren­ Jahren deutlich zurückgegangen. Als Unternehmer möglicherweise viel Geld zu verdienen – das lockt nicht mehr jeden. Andere Werte, Freizeit, Familie, haben dem finanziellen Aspekt den Rang abgelaufen, sagt Helge Valentien. Verantwortung wird manchmal als eine Belastung empfunden: der Kampf im Markt, beispielsweise um geeignete Fachkräfte, und die ständigen Anstrengungen, sich hier zu behaupten.

Wenn der Generationswechsel im Unternehmen naht

Das Thema ist brisant. Rund ein Viertel aller mittelständischen Unternehmen stehen vor einem Generationswechsel – mit Inhabern, die 55 Jahre und älter sind. Viele Handwerkskammern lenken daher mit vielfältigen Aktivitäten den Blick auf eine rechtzeitige Nachfolgeregelung. Sie unterstützen Unternehmer mit eigenen Experten, die aktiv auf ältere Betriebsinhaber zugehen, um ihnen die Dringlichkeit zu verdeutlichen. Dabei ist vielen Angesprochenen die Problematik noch sehr fern, sagt Valentien.

Seine Arbeit beginnt mit der Prüfung der Übergabewürdigkeit eines Unternehmens. Das heißt: Kann man mit ihm mindestens ein ordentliches Meistergehalt erwirtschaften? Wenn das bei allem Einsatz nicht möglich ist, macht man den Laden besser zu. Da bleibt die Suche nach einem Nachfolger, der ja schließlich eine Existenz gründen will, vergeblich. Auch die Übergabereife gilt es zu prüfen – und das macht Helge Valentien manchmal mit der einfachen Frage: „Haben Sie ein Hobby?“ Dass vor ihm ein langer Weg liegt, weiß er spätestens dann, wenn die Antwort lautet: „Ja, meine Firma!“

Die Nachfolgersuche beginnt idealerweise innerhalb der Familie. Haben aber die eigenen Kinder andere berufliche Pläne, so muss der Radius erweitert werden. „Besonderen Mitarbeitern, die vielleicht durch unternehmerisches Denken aufgefallen sind, kann man die Nachfolge anbieten“, so Valentien. Wenn sie die Selbstständigkeit für eine attraktive Perspektive halten, kann man sie gezielt aufbauen: zunächst als „rechte Hand“ des Unternehmers und durch Seminare und Schulungen zu allen betriebswirtschaftli­chen Aspekten. Die drittbeste Möglichkeit ist die externe Suche. Und schließlich gibt es noch die Fälle, in denen man zwei oder mehr ­Anläufe unternehmen muss.

Realistischen Preis für das Unternehmen ermitteln

Nicht zuletzt deshalb betont der HWK-Experte unermüdlich, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig mit dem Thema zu befassen. Gut laufen muss der Betrieb, nur dann kann man ihn auch gut verkaufen oder weiter­geben. Wenn die Aktivitäten schon heruntergefahren wurden, weil man nicht mehr so kann oder kürzertreten will, dann wird die Suche nach einem Nachfolger umso schwieriger – und der Preis sinkt. Logischerweise aber will man natürlich den besten Preis erzielen; der aber muss für beide­ Seiten stimmen. Svea Wagner, ebenfalls Beraterin bei der HWK Aurich-Ostfriesland, aber zuständig für Start-up-Unternehmer und Unternehmensnachfolger, sagt: „Auch wenn der Unternehmer sein Lebenswerk übergibt, das er natürlich per se für unbezahlbar hält – die Banken müssen mitmachen!“ Sie machen mögliche Kredite von realistischen Zahlen abhängig. Steuerberater und Fachleute, u. a. bei den Handwerkskammern, helfen, sie zu ermitteln und zu bewerten. Weitere Risikofaktoren sind ein zu geringes Eigenkapital und eine zu hohe Kostenbelastung, so die Expertin.

Etwa durch die Übernahme sämtlicher Mitarbeiter. Wer meint, er könne erst mal kleiner anfangen, hat sich schon verrechnet: Die Mitarbeiter sind nämlich im Fall einer Unternehmensübergabe vor Kündigung geschützt. Die einzige Hoffnung für den neuen Chef mit dem Wunsch, sich zu verkleinern: Der eine oder andere befristete Vertrag läuft aus oder ein Mitarbeiter geht freiwillig. Das aber sollte vorab geklärt werden. Zur Vorsicht mahnt Svea Wagner bei einem Salon, „dessen Kunden so alt sind wie der ausscheidende Inhaber.“ Ohnehin hält sie es für ratsam, insbesondere für externe Nachfolger, ein paar Tage zur Probe zu arbeiten. Dabei erfährt man auch, ob die „weichen Faktoren“ dem eigenen Naturell und den eigenen Vorstellungen entsprechen.

Teuer wird es immer dann, wenn man sich nicht richtig oder zu spät informiert, wenn man ungeprüften Zahlen vertraut, sich auf mündliche Zusagen verlässt und wesentliche Details nicht vertraglich regelt. Fördermittel beispielsweise müssen beantragt werden, ehe man das Geld ausgibt; eine rückwirkende Unterstützung erhält man in der Regel nicht. Die ausgehändigten Unterlagen geben Einblick, ob der bisherige Inhaber Steuerschulden hat. Und die „erbt“ der Nachfolger: Der Staat hält sich an ihm schadlos. Und was ist bei einer Nachfolge­ innerhalb der Familie, wenn eines von mehreren Kindern das Unternehmen weiterführt? Sind dann alle erbrechtlichen Konsequenzen geregelt worden, ist der junge Unternehmer abgesichert im Fall des Falles, oder können die Geschwister eine Auszahlung eines möglicherweise ererbten Firmenanteils verlangen? Alles Fragen, die im Einzelfall zu regeln sind – am besten mithilfe von Fachleuten, die die Fallstricke kennen.

So planen Sie eine erfolgreiche Unternehmens-Übergabe:

  1. Planen Sie die Betriebsübergabe rechtzeitig und ohne Zeitdruck, also mit drei bis fünf Jahren Vorlaufzeit, mit klar formulierten Zielen.
  2. Bereiten Sie Ihr Unternehmen langfristig auf die Übergabe vor; halten Sie es auf dem aktuellen Stand.
  3. Denken Sie bei der Suche auch an Ihre derzeitigen oder früheren Mitarbeiter.
  4. Bedenken Sie, dass der neue Inhaber nicht nur fachlich, sondern auch unternehmerisch fähig sein soll, dass er die nötige Belastbarkeit und Sozialkompetenz mitbringt.
  5. Erstellen Sie einen Zeitplan für die Übergabe, mit allen notwendigen Etappenzielen.
  6. Räumen Sie Ihrem Nachfolger genügend Zeit ein für die Vorbereitung, für Bankgespräche, betriebswirtschaftliche Seminare etc. Machen Sie ihn bekannt bei den Kunden und unterstützen Sie ihn in der Anfangsphase.
  7. Ziehen Sie Fachleute zurate: HWK, Steuerberater, Anwalt.
  8. Ermitteln Sie einen für beide Seiten akzeptablen Preis.
  9. Regeln Sie alles per Vertrag.
  10. Bei Übergabe innerhalb der Familie: Sprechen Sie mit allen Angehörigen und regeln Sie auch die erbrechtlichen Aspekte.
  11. Scheuen Sie sich nicht, ggf. Nachfolgemoderatoren hinzuzuziehen, die den Übergabeprozess begleiten.

 Quelle: Betriebsübergabe im Handwerk, Broschüre der HWK für Ostfriesland

(TOP HAIR sprach mit Svea Wagner und Helge Valentien, HWK Aurich-Ostfriesland; www.hwk-aurich.de)