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10.03.2022

Peter Lehmann zum Thema Mindestlohn: "Kümmert Euch um Eure Zahlen!"

Der Mindestlohn von 12 Euro kommt wohl zum 1. Oktober. Was Unternehmer, die das jetzt noch nicht zahlen, tun müssen, weiß Unternehmenstrainer Peter Lehmann.

TOP HAIR: Herr Lehmann, das Kabinett hat den Weg frei gemacht für einen Anstieg des Mindestlohns zum 1. Oktober auf 12 Euro. Was sollte ich als Unternehmer jetzt tun?

Peter Lehmann: Wer jetzt anfängt, sich Gedanken darüber zu machen, der sollte in eine neue Planung für sein Unternehmen einsteigen und alle Kosten aufschreiben. Dabei hilft ein Blick in die betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) – die hoffentlich so aufgebaut ist, dass ihre Auswertung sinnvoll für mich als Unternehmer*in ist. Das heißt, dass die BWA-Konten so angelegt sind, dass ICH sie gut lesen kann und nicht der Steuerberater. Eventuell stelle ich dann dabei fest, dass hier und da Kosten reduziert werden können oder ich mehr Werbung machen muss, um mehr Kunden zu gewinnen. Sehr schnell sehe ich aber auch, welche Kosten unumgänglich sind und welchen Umsatz ich erreichen muss, um auch den Mindestlohn zahlen zu können. 

Kann man dabei Fehler machen?

Ja, man darf Kostenpositionen und auch den eigenen Lohn, die Privatentnahmen nicht vergessen. Ich trenne die Privatentnahmen in einen kalkulatorischen Meisterlohn und einen Unternehmerlohn. Und rechne die Privatentnahmen immer gerne in einen Brutto-Lohn um, dann habe ich als Unternehmer den Vergleich, was ich als Angestellter in einem Salon verdienen müsste.

Jetzt hatten wir in den vergangenen Monaten Preissteigerungen auf Grund von Corona, die zusätzlichen Hygienemaßnahmen verursachen mehr Kosten und wir befinden uns in einer Inflation. Dazu kommt, dass der Mindestlohn ja erst zum Januar erhöht wurde und er sich planmäßig auch nochmals zum 1. Juli erhöht. Da fange ich ja immer wieder von vorne an. Kann ich nicht einfach auf alle Preise 10 % draufschlagen?

Das wäre zu kurz gegriffen. Im ersten Moment würde das natürlich schon etwas bringen, aber besser ist es, die Sache gründlich zu machen. Mit einer guten Planung dahinter weiß ich, was ich wirklich brauche. Als Chef kann ich das dann auch Mitarbeitern und Kunden gegenüber ganz anders vertreten, weil man Klarheit und dadurch Sicherheit hat und damit lassen sich dann auch Mitarbeiter besser überzeugen. Wichtig ist: Mit meiner App (Anm. d. Redaktion: Peter Lehmann hat eine Preis-Lohnfaktor-App entwickelt.) muss eine Planung nicht zwangsläufig einem Kalenderjahr entsprechen, sondern ich kann auch von Juli bis Juni planen. Und nichts ist in Stein gemeißelt: Kleine Änderungen kann man auch später noch einbauen.

Zum 1. Juli wird der Mindestlohn auf 10,45 Euro erhöht, dann käme zum 1. Oktober die nächste Erhöhung auf 12 Euro. Ist es klug, die Preise entsprechend auch in zwei Stufen zu erhöhen oder sollte man besser einmal ein größere Preisanpassung vornehmen?

Da kann ich keine generelle Empfehlung geben, die Strategie muss jeder für sich selbst festlegen. Man kennt seine Kunden und muss sich fragen, wie sie das am besten mitttragen. Wichtig ist es immer, seine Situation zu analysieren und eine Preis-Strategie zu entwickeln. Es sollte wirklich ein jährliches Ritual werden, sich zu fragen: Wie soll es weitergehen? Und auch, wo will ich in zwei bis drei Jahren stehen.

Die Regierung hat versprochen, dass nach der Erhöhung auf 12 Euro Mindestlohn, es mindestens 15 Monate keine weiteren Erhöhungen geben wird. Sollte ich das bei meinen Planungen jetzt schon mit einrechnen?

Ja. Man benötigt eine Preisstrategie und man sollte jetzt schon mitbedenken, wann man die Preise das nächste Mal erhöhen will. Hinzukommt: Was ist denn mit einer Lohnsteigerung der Mitarbeiter, deren Lohn jetzt nicht erhöht wird, etwa weil sie bereits über dem Mindestlohn liegen oder noch in der Ausbildung sind? Sie müssen schon jetzt langfristig planen: Wo sehe ich meine Preise in drei, vier Jahren? Wenn ich immer voll mitarbeite, dann darf mir nicht so viel passieren. Wie sieht es deshalb mit Wachstum aus? Wie ist meine Altersvorsorge aufgestellt? Will ich vielleicht mal weniger am Stuhl stehen - das muss man strategisch für die Zukunft miteinplanen.

Wie nehme ich da am besten meine Mitarbeiter mit?

Wichtig ist es, mit ihnen zu sprechen und sie einzuladen, sich mehr zu informieren über Dinge, die ein Salon leisten kann. Dann bekommt der/die Mitarbeiter*in auch ein anderes Verständnis für den Preis. Vielen ist nicht klar, dass Urlaub, Krankheit und Ausfälle mit in einen Preis hinein kalkuliert werden müssen. Wenn eine Dienstleistung auf 45 Minuten angesetzt ist und der/die Mitarbeiter*in aber 60 Minuten braucht, muss ihm klar sein, was das heißt. Ohne die Angestellten da zu informieren, wird es kaum gelingen langfristig erfolgreich zu bleiben, glaube ich. Ich appelliere hier aber auch an den/die Chef*in, dass sie lernen, mit ihren Mitarbeiter*innen besser zu kommunizieren.

Die Mitarbeiter sind das eine. Wie sag ich’s dem Kunden? 

Wenn das Thema in der Öffentlichkeit da ist, wie es bei der Einführung des flächendeckenden Mindestlohns war, werden Sie weniger Probleme damit haben. Dann kann man dem Kunden auch schon zwei Monate früher sagen, dass die Preise erhöht werden. Eventuell entscheidet er sich dann noch einmal mehr in der Zeit vorher zu kommen. Natürlich kann man auch schauen, ob sich die Qualität eventuell noch etwas erhöhen lässt. Bei Preisanpassungen, die nur auf Grund der Inflation und auch nur in der Höhe der Inflation stattfinden, würde ich das nicht unbedingt machen – man kann nicht immer noch etwas on top setzen. Bei Preiserhöhungen, die meinen Salon in andere Regionen bringen sollen, muss für den Kunden ein mehr an Qualität deutlich zu spüren sein. Mein Appell an alle Unternehmer*innen ist: Kümmert Euch um Eure Zahlen! Das schafft Klarheit, um gute Entscheidungen treffen zu können.

Interview: Yvonne Rieken

App und Buch

Mit der von Peter Lehmann entwickelten Preise-Lohnfaktor-App können ganz schnell Umsatz- und Preiskalkulationen ausgerechnet werden. Sein Buch „Neue Preise“ hilft bei der Preiskalkulation. Mehr Info: www.unternehmenstraining.com