22.09.2023

Künstliche Intelligenz erzeugt Bilder: die Zukunft des Marketings?

Friseurunternehmer Peter Gress sieht in KI-generierten Frisurenbildern große Chancen für das Salon-Marketing. Hier gibt er einen intensiven Einblick und stellt sich Gegenargumenten.

Die Welt der Friseure ist seit jeher geprägt von Kreativität und Innovation. Die Haarmode hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark verändert und mit ihr die Werkzeuge und Geräte. Nur die Art und Weise, wie Bilder entstehen, hat sich in dieser Zeit nicht grundlegend geändert. Professionelle Fotografen und Amateure bilden die Wirklichkeit ab. Die Kluft zwischen Profi und Amateur ist zwar in der Regel groß, aber das Ziel – nämlich das fotografische Festhalten eines Augenblicks – ist erreicht.

Heute eröffnet sich eine weitere faszinierende Möglichkeit, Bilder für das Marketing zu produzieren: die textbasierte Bildproduktion mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Selbst wenn Sie nur wenig über KI wissen, können Sie von dieser aufstrebenden Technologie profitieren. Der aktuelle Stand der bildgenerierenden KI-Technologie ist noch nicht in jeder Hinsicht überzeugend – das werden Sie bei der Arbeit mit KI merken. Aber die Entwicklung schreitet rasant voran. Jeden Monat kommen neue Funktionen hinzu und die Qualität der erzeugten Bilder steigt stetig. In etwas mehr als einem halben Jahr hat der qualitative Marktführer Midjourney drei Versionen veröffentlicht, von denen jede eine noch realistischere Darstellung von Objekten und Personen bietet.

Ich gebe Ihnen einen Einblick in die generative Bilderstellung und wie Sie sie in Ihrem Salon einsetzen können. KI erzeugt Bilder durch die Eingabe von Text, sogenannten Prompts. Was ein guter Prompt ist und welche Vor- und Nachteile die generative Bilderstellung hat, erfahren Sie in diesem Artikel.

Wie hat sich die generative Bilderstellung entwickelt?

Die Entwicklung der generativen Bilderzeugung ist ein Meilenstein in der Künstlichen Intelligenz. Sie begann als Experiment mit neuronalen Netzen, die auf großen Datensätzen trainiert wurden, um Texte zu generieren. Im Laufe der Zeit wurden diese Techniken verfeinert und sind nun in der Lage, kreative Videos, Bilder und Kunstwerke anhand von Anweisungen zu erstellen. Als KI-Kreativer kann ich durch meine Texteingabe (Prompts) die KI in die Lage versetzen, Bilder so zu generieren, wie ich sie mir vorstelle. Die richtigen Prompts befreien die Bildgenerierung weitestgehend vom Zufall.

Wie können Friseure die generative Bilderstellung für ihren Salon nutzen?

Individuelle Styling-Ideen: Verwenden Sie KI-Bilder, um Styling-Ideen für Ihre Kunden zu entwickeln. Geben Sie dem System einfache Anweisungen wie „freundlich aussehende Geschäftsfrau, lange dunkle Haare, Berlin, anspruchsvoll, erfolgreich, portrait photography“ und lassen Sie sich von den generierten Bildern inspirieren.

Ersetzen Sie „lange braune Haare“ durch „kurzer blonder Pixie-Haarschnitt“ und schon haben Sie einen neuen Stil vor dem gleichen Hintergrund erstellt. Darüber hinaus können Sie jedes Bild variieren, um neue Inspirationen zu erhalten.

Farbexperimente und Perücken: Experimentieren Sie mit Haarfarben wie Balayages, Strähnchen und Volltönen, ohne physische Farbmuster erstellen zu müssen. Verwenden Sie generierte Bilder, um verschiedene Farbtöne und Kombinationen zu visualisieren. Für unser Perückenstudio experimentieren wir mit Frauen ohne Haare, die wir Schritt für Schritt in Frauen mit Haaren in verschiedenen Wachstumsphasen verwandeln.

Neue Trendvorschläge: Lassen Sie die Künstliche Intelligenz Ihre Lieblingsbilder analysieren. Dafür gibt es den Befehl „/describe“. Die KI wird Ihnen dann Prompt-Vorschläge machen, die Sie entweder unverändert übernehmen oder – mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit der KI – im Detail anpassen können.

Generativ erzeugte Bilder können Ihnen helfen, Ihre Ideen weiterzuentwickeln und Neues zu gestalten. Das hat nichts mit Teufelswerk oder einer Machtübernahme durch KI zu tun. Es ist einfach eine technische Möglichkeit, die immer den Menschen als Initiator und Richtungsgeber im Hintergrund braucht. KI wird niemals in der Lage sein, den emotionalen Faktor unseres Berufes zu imitieren. Menschen brauchen Menschen, deshalb ist die Angst von Friseur*innen, durch KI ersetzt zu werden, unbegründet.

Die Bedeutung von Prompting

So genanntes „Prompting“ ist der Schlüssel zur Interaktion mit generativen Bildsystemen. Das sind die Anweisungen, die Sie dem System geben, um das gewünschte Bild zu erzeugen. Dabei ist es wichtig, klar und präzise zu formulieren.

Dies gilt nicht nur für den derzeitigen Marktführer Midjourney, sondern auch für andere generative Systeme wie ChatGPT für Text oder Runway Gen-2 für Video. Für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz gilt: Je genauer Sie Ihre Wünsche definieren, desto genauer wird die KI liefern. Diffuse Anweisungen führen nie zu einem befriedigenden Ergebnis. Wie alles im Leben hängt auch die Arbeit mit KI von den Erfahrungen ab, die man Tag für Tag mit ihr macht. Mit jedem Prompt, den Sie erstellen, werden Sie besser und präziser. Lassen Sie sich nicht von der vermeintlichen Komplexität abschrecken, man kann mit ihr spielen. Es gibt nicht DEN einen perfekten Prompt, ein guter Prompt ist immer eine Momentaufnahme.

Welche Informationen sollte ein Prompt enthalten?

Ein guter Prompt sollte spezifisch sein und klare Anweisungen enthalten. Achten Sie darauf, Haartyp, Haarlänge, gewünschte Frisur, Farbwünsche und andere relevante Details anzugeben. Je präziser Ihr Prompt ist, desto genauer wird das generierte Bild Ihren Vorstellungen entsprechen. Die Funktion eines Prompts hängt nicht von seiner Länge ab. Denken Sie bei der Arbeit mit generativer KI nicht in Perfektion, denn diese ist nicht zu erreichen. KI entwickelt sich ständig weiter, sie lernt immer dazu. Eine Eingabe, die Sie jetzt machen, wird nie wieder das gleiche Ergebnis liefern. Generierte Bilder können den menschlichen Aspekt des Friseurhandwerks nicht vollständig erfassen, das bleibt Ihre Aufgabe als Beauty- und Styling-Profi.

Urheberrecht und Nutzung

Das Urheberrecht ist gesetzlich noch nicht abschließend geregelt. Derzeit kann jeder seine KI-Bilder überall veröffentlichen. Bis Ende des Jahres soll die EU-KI-Verordnung vorliegen. Sie wird vier Bereiche definieren:

  • Verbotene KI-Praktiken (z.B. Social Scoring, d.h. Verhaltensbewertung und -prognose)
  • Systeme mit hohem Risiko (z.B. Gesichtserkennung)
  • Niedriges Risiko (z.B. Chatbots)
  • Minimales Risiko (z.B. generative Bild- und Textgenerierung)
  • Entwickler (Anbieter) und Nutzer (Unternehmen, Behörden), die KI-Anwendungen entwickeln und einkaufen, müssen sich an die Regeln der DSGVO halten. Die private Nutzung ist davon nicht betroffen. Unter welche Regelung wir als text- und bildgenerierende Friseur*innen fallen, wird sich erst mit der endgültigen Vorlage der KI-Verordnung (KI-VO E) zeigen.

Tolle Tools oder nutzlose Spielerei?

Bilder für die professionelle Nutzung im Salon mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu erzeugen, ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Wir haben Peter Gress mit den stärksten Gegenargumenten zur Nutzung von KI-Material im Salon konfrontiert:

  1. Die Kunden werden getäuscht: Der Friseur zeigt nicht seine eigene kreative handwerkliche Arbeit. Wäre das so, hätten Generationen von Friseur*innen ihre Kunden belogen, weil sie die allermeisten der im Salon gezeigten Frisuren nicht selber erstellt haben. Friseur*innen sind auf Seminaren, Shows, Messen und online unterwegs, um sich Inspirationen zu holen. Fotografieren sie diese Inspirationen in einem physischen Shooting mit Fotograf, Models, Stilisten und Visagist? Eher nicht, weil der Aufwand groß und die Kosten hoch sind. Wenn sie diese Inspirationen nun mit der KI umsetzen können, haben sie doch einen unglaublich hohen Nutzen und Mehrwert für sich gewonnen. Wir sollten eher die Chancen sehen, die KI uns bietet.
     
  2. Die Frisuren, die die KI erstellen, hat nie ein Handwerker an echtem Haar, an der echten Kopfform tatsächlich selbst kreiert. Sie können nicht handwerklich von Friseur*innen für deren Kunden reproduziert werden. Das stimmt natürlich, sticht aber nicht. Ein Friseur, der Poster seines Lieferanten im Schaufenster aufhängt, hat diese Bilder/Frisuren ja auch nicht selber gemacht. Diese Praxis hat Jahrzehnte lang gut funktioniert, und nie haben Friseur*innen das hinterfragt. Der Deal war klar: kostenlose Lieferung gegen den Aufdruck des Lieferantenlogos. Ob die Friseur*innen die Techniken zur Erstellung der Styles beherrscht haben? Diese Frage wurde nie gestellt. Ob die KI Bilder produziert oder Frisuren real erstellt werden, spielt für mich keine Rolle. Die meisten Friseur*innen machen selbst keine Foto-Shootings – wo also bekommen sie die Bilder für ihr Marketing her? KI kann hier sehr gezielt und einfach helfen, weil sie sich exakt an den Vorlagen orientiert, mit der sie trainiert wurde. Und das sind letztendlich alles Frisuren, die Friseure erstellt haben.
     
  3. Es wird eine unechte Form von Schönheit vermittelt, Stereotypen entstehen. Es besteht die Gefahr, dass wir Benutzer von generativen KIs immer wieder dieselben Schönheitsideale wählen, das will ich nicht abstreiten. Ich muss aber auch fragen: Sind Tattoos, dicke Pinselwimpern, Schlauchbootlippen stereotyp? Das nimmt die KI auf, weil sie damit trainiert wurde. Stereotypen entstehen automatisch, wenn viele Menschen denselben Style tragen. Wer dagegen nicht zu einer Gruppe gehört oder wem etwas nicht gefällt, bemängelt automatisch die Vorlieben der anderen und nennt sie stereotyp.
     
  4. Friseur*innen müssten sich zu Programmierern umschulen lassen. Das ist nicht Teil des Berufsbildes, es blockiert die Zeit, die man sich für Kundin, Team, handwerkliche Weiterbildung und Salon nehmen sollte. KI ist dadurch so schnell erfolgreich geworden, weil jeder sie ganz einfach bedienen kann. Vor ChatGPT, Midjourney, Soundraw, DeepL und anderen KIs musste man Programmierkenntnisse für die generative Bilderstellung haben, heute nicht mehr. Zu diesen Zeiten allerdings waren die Ergebnisse weit weg von der heute gelieferten Qualität. Wobei es auch nicht schadet, wenn junge Menschen in der Ausbildung Social Media Marketing und den Umgang mit KI lernen. Sie kommen später eh nicht daran vorbei. Ich persönlich kann auch nicht programmieren, würde es aber lernen, wenn es mir einen Wettbewerbsvorteil für mein Unternehmen bringt.
     
  5. Die Entwicklung der Bildrechte ist nicht absehbar. Das ist richtig, jedoch arbeitet die EU-Kommission an einer Verordnung, die den Einsatz von KI regeln soll. Die wird bis Ende 2023 erwartet. Wenn die Verordnung fertig ist, werden wir sehen, wie es sich mit den Bildrechten verhält. Bis dahin kann man mit der KI experimentieren und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die KI wird bleiben, und die Gesetzgebung muss verhindern, dass jemand dadurch benachteiligt oder geschädigt wird. Das ist ein akzeptables Ziel, auch wenn es Einschränkungen geben wird. Solange wir keine Persönlichkeitsrechte verletzen, sehe ich kein Problem beim verantwortungsvollen Einsatz von KI-Bildern und Texten.
     

IM GESPRÄCH

Peter Gress
Der Friseurunternehmer hat eine
eigene Facebook-Gruppe zum
Thema KI gegründet