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13.04.2020

Konflikte gut lösen

Auf einmal wird es laut im Salon: Zwei Mitarbeiter streiten sich vor den Kunden. So weit sollte es nicht kommen!

Salonchefs müssen viel leisten: Waren bestellen, Kunden bedienen und der tägliche Bürokratie-Wahnsinn. Kein Wunder, dass oft keine Zeit übrig bleibt, um auf die Stimmung im Salon zu achten. Dennoch lohnt es sich, hier aufmerksam zu bleiben, rät Konfliktberaterin Ursula Wawrzinek. Sie begleitet und trainiert Führungskräfte seit mehr als 20 Jahren.

TOP HAIR: Ein eskalierender Konflikt im Salon entsteht ja meist nicht von heute auf morgen. Wo kommt es am häufigsten zum Streit?
Ursula Wawrzinek:
Am häufigsten eckt eine Person mit ihrem Verhalten oder mangelhafter Leistung bei anderen an. Das kann ein Teammitglied sein oder auch die Führungskraft selbst. Entweder passt das Verhalten dieser einen Person nicht in den beruflichen Kontext oder die Qualität, Quantität oder Zuverlässigkeit der geleisteten Arbeit stimmt nicht. Das führt zu Irritation, Ärger oder sogar Verletzung im Umfeld. Die Folge sind Streit, Lästereien und Demotivation.

TOP HAIR: Wie erkennt der Salonchef einen schwelenden Konflikt? In der Regel kommen ja nicht gleich alle Beteiligten und reden offen darüber?
Ursula Wawrzinek: Es gibt im Vorfeld jede Menge Warnsignale, die es zu erkennen und richtig zu deuten gilt. Zum Beispiel: Die Stimmung ändert sich zum Negativen, spitze Bemerkungen fallen, bis hin zu Zynismus und Sarkasmus, Gereiztheit und Aggression entstehen. Die Toleranz und Kollegialität untereinander nimmt ab. In Folge fließen die Informationen nicht, Doppelarbeiten entstehen, weil die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Mitarbeiter wenden sich meist erst an den Chef, wenn sie bereits emotional aufgeladen sind und lassen dann ordentlich Dampf ab. Das wirkt unsachlich und übertrieben und macht es schwer, die Ursache dahinter zu erkennen.

TOP HAIR: Wenn die Gefahr besteht, dass ein Team auseinanderbricht – was empfehlen Sie als „Erste-Hilfe-Maßnahme“?
Ursula Wawrzinek:
Nicht wegschauen und hoffen, dass sich der Konflikt von selbst wieder beruhigt, sondern beherzt die Ursachen erforschen! In Einzelgesprächen wird jedes Teammitglied ermuntert, seine Belange zu offenbaren. Jeder wird angehört und ernst genommen. Das beruhigt die Gemüter und es entsteht Hoffnung auf eine Lösung. Aus den Gesprächen lassen sich die Konfliktursachen herausarbeiten und geeignete Maßnahmen ergreifen. Bei Bedarf rate ich dazu, einen neutralen Profi von außen hinzuzuziehen.

TOP HAIR: Chefs sind auch nur Menschen. Wie vermeidet man es, Partei zu ergreifen?
Ursula Wawrzinek: Für den Saloninhaber geht es gar nicht darum, keine Partei zu ergreifen, ganz im Gegenteil: Für eine Lösung ist es häufig notwendig, dass er in einer Art „Schiedsrichterfunktion“ eine eigene Position vertritt oder eine klärende Entscheidung trifft. Wichtig ist nur, dass er die Entscheidung nicht voreilig fällt. Er sollte niemanden vorverurteilen und sich nicht vorschnell auf eine Seite schlagen.

TOP HAIR: Welche typischen Fehler machen Chefs?
Ursula Wawrzinek: Führungskräfte sind oft darin geübt, für jedes Problem eine schnelle Lösung parat zu haben. Im Konfliktfall wird dieser Lösungsmodus schnell zum Verhängnis. Wie vorher angesprochen, sollten im Sinne der Fairness zunächst alle Beteiligten die Gelegenheit erhalten, ihre Sichtweisen darzustellen. Während dieser Diagnosegespräche geht es zunächst darum, neutral zu bleiben. Denn erst, wenn sich der Salonchef ein eigenes Bild über die Situation verschafft hat, wird er in der Lage sein, einen geeigneten Lösungsansatz zu finden.

TOP HAIR: Welches Vorgehen hilft, damit man auch als Chef nicht immer wieder in alte Verhaltensmuster verfällt?
Ursula Wawrzinek:
Eines sollte jeder Führungskraft klar sein: Auf schwierige Gespräche muss man sich gut vorbereiten. Mit persönlichen Befindlichkeiten und spontanen Reaktionen aus dem Bauch heraus ist schnell mehr kaputt gemacht als gewonnen. Am besten entwickelt die Führungskraft Antennen für Störungen und Zwischentöne und greift Warnsignale frühzeitig auf. Als Konfliktberaterin erlebe ich täglich, dass Führungskräfte mit emotional herausfordernden Situationen konfrontiert sind. Doch es fehlt ihnen meist das notwendige Wissen und Können, damit umzugehen. Als Folge daraus ist es beinahe Standard, dass sie Konflikte ignorieren und verschleppen – oder zu schnell reagieren. Einen Streit im laufenden Salonbetrieb sollte der Chef nicht mit den Worten beenden „Bitte reiß dich vor den Kunden zusammen.“ Besser ist: „Bitte beruhige dich und lass uns später in Ruhe darüber sprechen. Ich möchte gerne verstehen, was dich bewegt.“ Das suggeriert dem Mitarbeiter, dass der Chef sich für die dahinterliegenden Ursachen interessiert.

TOP HAIR: Können weibliche oder männliche Chefs besser mit konfliktreichen Situationen umgehen?
Ursula Wawrzinek:
Weder noch. Am Geschlecht lässt sich hier kein maßgeblicher Unterschied festmachen. Führungskräfte mit Empathie und einem offenen Kommunikationsstil auf Augenhöhe, der von einer wertschätzenden Grundhaltung gegenüber den Mitarbeitern geprägt ist, tun sich leichter – egal, ob Mann oder Frau.

Buchtipp:

In ihrem jüngst erschienen Buch "Kompass für schwierige Führungssituationen" (Schäffer Poeschel Verlag) zeigt Ursula Wawrzinek Techniken, mit denen Konflikte souverän gelöst werden können.

Ursula Wawrzinek
Autorin und Expertin für strategische Konfliktlösung
www.konfliktberaterin.de