17.01.2020
Die Gefährdungsbeurteilung: Gefahren bannen
Seit 1996 Pflicht und doch längst nicht in jedem Salon dokumentiert: die Gefährdungsbeurteilung.
Die Gefährdungsbeurteilung dient nicht nur dem Schutz der Angestellten vor Verletzungen aller Art; richtig ausgeführt lässt sie sich darüber hinaus auch als Werkzeug einsetzen, den Mitarbeitern zu verdeutlichen, dass sie und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden. Das sagt Renate Korte im Gespräch mit TOP HAIR. Die Expertin in Sachen Gefährdungsbeurteilung ist bei der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) im Bereich betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung tätig.
TOP HAIR: Frau Korte, Gefährdungsbeurteilung – worum geht es?
Renate Korte: Es geht um das gesunde und sichere Arbeiten im Salon – das letztlich auch für den Unternehmenserfolg unverzichtbar ist. Der Chef oder die Chefin muss schauen, ob und wenn ja, welche Gefahren im Geschäft lauern. Arbeitsabläufe stehen da genauso im Blickpunkt wie der Umgang mit technischen Geräten oder Chemikalien und die räumlichen Gegebenheiten. Gibt es zum Beispiel Treppen oder einzelne Stufen, wie ist die Beschaffenheit des Bodens, wie ist die Einrichtung, ist der Weg zum Ausgang barrierefrei und gut zu erreichen? Werden Gefährdungen erkannt, muss der Chef Schutzmaßnahmen ergreifen und die Beschäftigten darüber informieren.
TOP HAIR: Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht das?
Renate Korte: Die Gefährdungsbeurteilung ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz, das seit 1996 gilt.
TOP HAIR: Und auch in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 530 wird darauf Bezug genommen.
Renate Korte: Ja, aber nur als Teilaspekt, nämlich konkret, was den Umgang mit Gefahrstoffen im Salon betrifft. Das sind neben Reinigungs- und Desinfektionsmitteln auch Friseurprodukte. Auch Regelungen zur sogenannten „Feuchtarbeit“ sind hier zu finden. Dazu gehört unter anderem die Haarwäsche im Salon.
TOP HAIR: In Ziffer 3 ist dort zu lesen, wer ausschließlich befugt ist, Gefahrenquellen durch Chemikalien zu beurteilen: fachkundige Personen. Was bedeutet das?
Renate Korte: Der Arbeitgeber muss sich von Fachleuten beraten lassen, sofern er nicht selbst fachkundig ist. Das können zum Beispiel Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte sein. Grundsätzlich liegt die Pflicht der Gefährdungsbeurteilung beim Inhaber. Es ist sinnvoll, bei der Beurteilung von Gefahren die Beschäftigten miteinzubeziehen, denn um deren Schutz geht es ja.
TOP HAIR: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass nur Salons von der Pflicht der Gefährdungsbeurteilung betroffen sind, in denen der Chef nicht alleine arbeitet?
Renate Korte: Ja, das stimmt. Arbeitet der Saloninhaber allein, muss er keine Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Das ändert sich aber, sobald ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin – beispielsweise auch eine Reinigungskraft – ins Spiel kommen.
TOP HAIR: Was passiert denn, wenn Chefs ihrer Verpflichtung nicht nachkommen?
Renate Korte: Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht nur Pflicht, sondern auch im Interesse der Saloninhaber. Sie brauchen gesunde, leistungsfähige und motivierte Beschäftigte für ihren Unternehmenserfolg. Und sie sind mit der Gefährdungsbeurteilung rechtlich auf der sicheren Seite. Ziel von Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht ist es, Arbeitgeber zu beraten, welche positiven Effekte es für sie und ihren Salon hat, wenn sie eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Notfalls können die Aufsichtsbehörden sie auch anordnen.
TOP HAIR: Worst Case: In einem Friseurbetrieb geschieht ein Arbeitsunfall. Welche Rolle spielt dann die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung?
Renate Korte: Bei einem Arbeitsunfall muss diese Dokumentation vorgelegt werden. Aufsichtspersonen der Gewerbeaufsicht oder der BGW können aber auch unabhängig von einem Unfall in die Betriebe gehen und sich diese Dokumentationen zeigen lassen.
TOP HAIR: Als Hilfestellung bietet die BGW sowohl einen Leitfaden zum Downloaden wie auch eine entsprechende Online-Gefährdungsbeurteilung für Friseursalons an. Wie kommt das an?
Renate Korte: Mit unserer Online-Hilfe haben bereits über 5.500 Personen gearbeitet. Wir erhalten zu der App positives Feedback. Es wurden aber erst knapp 1.700 Gefährdungsbeurteilungen auf diesem Wege abgeschlossen.
TOP HAIR: Woran liegt das?
Renate Korte: Hier kann ich nur mutmaßen. Zum Beispiel sind die abzuarbeitenden Themenfelder aufgrund der Vielfalt der möglichen Gefährdungen recht umfangreich. Das gilt aber für die Gefährdungsbeurteilung in jeder Form. Sie lässt sich nicht einfach nebenher erledigen. Es empfiehlt sich deshalb, bei Bedarf Arbeitsschutzfachleute hinzuzuziehen. Von einer guten Gefährdungsbeurteilung profitiert der gesamte Salon. Letztlich erfahren die Beschäftigten dadurch auch Wertschätzung. Das trägt dazu bei, dass sie sich mit dem Salon identifizieren und gern dort arbeiten. Das wiederum merken die Kunden. Wichtig ist, dass die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen im Salon tatsächlich gelebt werden.
Interview: Kai Lohwasser
AUF DER SICHEREN SEITE
Informieren, starten, sicher sein: Die BGW bietet dafür auch eine Online-Gefährdungsbeuteilung an, die dafür sorgt, dass alles sauber digital erfasst und jeder Zeit abrufbar ist. Dafür muss man sich nur mit einer Mail-Adresse und einem Passwort registrieren und schon kann man loslegen! Das Programm führt durch die sieben Schritte und erstellt am Ende die erforderliche Dokumentation. Worauf warten Sie noch? |