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27.10.2022

„Wer mehr Lohn will, muss mehr Umsatz erwirtschaften.“

Mehr Gehalt ist gleich mehr Leistung: eine heikle These? Rene Krombholz teilt seine Beobachtungen.

„Wenn wir mehr Geld bekommen, müssen wir uns immer wieder den A..  aufreißen!  In anderen Berufen bekommt man einfach mehr Lohn, ohne dass immer eine Mehrleistung gefordert wird!“  So der trotzig-zornige Kommentar meiner Mitarbeiterin, als ich ihr erkläre, dass sie ab Oktober für ihre Lohnerhöhung auch mehr Umsatz erwirtschaften muss.

Die neuen Tarife in NRW bringen es mit sich, dass wir auch die bisher übertariflichen Löhne anheben wollen. Ich merke, sie ist sauer und darum erkläre ich ihr, dass auch in anderen Berufen für ein bestimmtes Gehalt eine gewisse Leistung erforderlich ist. Im Friseurhandwerk ist es nun einmal so, dass Leistung und Umsatz direkt den ausführenden Personen zugeordnet werden können und man diese gezielt ansprechen kann. Einerseits ist das gut, denn durch das möglich werdende Gespräch bieten sich Chancen. Andersherum wird es zum Bumerang, wenn Mitarbeiter sich dieser Denkweise verweigern. Das scheint sogar in der Mehrheit der Fälle so zu sein. Nicht umsonst haben wir Tausende arbeitsloser, aber nicht vermittelbarer, Friseur*innen bei der Agentur für Arbeit gemeldet.

Damit findet sich einer der Brennpunkte im Friseurhandwerk, denn diese arbeitslos Gemeldeten sind bei weitem nicht arbeitslos. Im Gegenteil: In Zeiten knapper Kassen greifen Verbraucher gerne einmal auf Heimdienstleistungen zurück und den Unternehmen fehlen diese Kunden.

Der Preis steht ohnehin im Blickpunkt der Verbraucher. An dieser Stelle kommen die Kleinstunternehmer ins Gespräch. Diese brauchen nicht – wie alle anderen Mitbewerber – 19 % ihrer Einnahmen direkt an den Fiskus abführen, sondern sind von der Umsatzsteuer befreit. Dieses trifft für alle Unternehmen zu, die angeben, im Jahr weniger als 22.000 €uro zu erwirtschaften. Das sind bei normalen Arbeitstagen circa 100 Euro Umsatz am Tag und damit relativ unglaubwürdig. Offensichtlich wird hier genauso oft mit Tricks „steuersparend“ gearbeitet wie bei vielen 10 €-Friseuren. Das Nachsehen haben dabei die ehrlichen und noch steuerzahlenden Betriebe, für die es immer schwieriger wird. Das weiß auch der Fiskus, aber es fehlen Mitarbeiter für Kontrollen, die sich dann zudem aus Sicht des Finanzministers nicht rechnen. 

Die Summe dieser Fakten führt dazu, dass die Preise im Friseurhandwerk deutlich niedriger sind, als es wirtschaftlich (und auch wertschätzend) vertretbar wäre. Dieses wird auch durch eine Meldung des statistischen Bundesamtes bestätigt, die besagt, dass Friseure ganz weit hinten und abgeschlagen in der Wertschöpfungsskala aller Handwerksberufe stehen. Fast uneinholbar, auf den vorderen Rängen dieser Skala, die Kfz-Techniker mit 249.000 Euro Jahresumsatz pro Tätigen. Hier wurde von jedem Mitarbeiter fast zehnmal so viel Umsatz erarbeitet wird, wie im Friseurhandwerk.  Aber auch der Blick ans untere Ende der Tabelle macht es nicht besser. Auf dem drittletzten Platz finden sich die Maler und Anstreicher wieder. Hier wurden pro Tätigem 48.000 Euro Jahresumsatz pro Kopf erzielt. Das zweitschlechteste Ergebnis landeten die Konditoren mit 46.000 Euro und Bäcker mit 48.000 Euro. Immerhin noch ein deutlicher Unterschied im Vergleich zum Friseurhandwerk mit 28.000 Euro Jahresumsatz pro Tätigem.

Dass aus solch niedrigen Umsätzen keine tollen Löhne gezahlt werden können, erschließt sich von selber. De facto müssen Preise und Umsätze hoch, wenn man mehr verdienen will beziehungsweise das Gleiche verdienen will, während die Kosten steigen. Will man als Friseur*in gut verdienen, bedarf es einer guten Fach- und Beratungskompetenz, aber auch eines Arbeitseinsatzes, der (Pause inbegriffen) vom morgendlichen Arbeitsbeginn bis zum Feierabend reicht. Es ist so, wie es Unternehmensberater Goebel einmal zitierte: „Im Friseurhandwerk ist heute sehr oft eine zu geringe Wertschöpfung zu beobachten. Das gilt vor allem dann, wenn einerseits die Angebotspreise niedrig sind, die Mitarbeiter aber in ihren Arbeitsabläufen alten Schemata folgen, weil sie die modernen Arbeitsschritte nicht gelernt haben, und wenn seitens der Führung des Unternehmens wenig bis kein Steuerungs-, kein Führungs- und kein Controllingverständnis vorhanden ist.“