12.07.2024
Unternehmen müssen Corona-Soforthilfen nicht zurückzahlen
Erste Urteile in Musterverfahren in Baden-Württemberg – Fingerzeig auch für die Friseurbranche
Gute Nachrichten für Unternehmen und Selbstständige in Baden-Württemberg, die Corona-Soforthilfen bezogen haben und diese jetzt wieder zurückzahlen sollten: Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg mit Urteilen in sechs ähnlich gelagerten Musterverfahren am 11. Juli 2024 aufgehoben. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Das berichtet die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die eines der Corona-Soforthilfe-Verfahren führt.
Sie wertet die Urteile als großartigen Erfolg für die durch die Coronazeit angeschlagenen Unternehmen und Selbstständigen und auch als richtungsweisend für die Friseurbranche: „Dies dürfte ein Fingerzeig auch für viele andere Verfahren in Baden-Württemberg sein und durchaus Rückenwind geben für die noch anstehenden Verfahren und Verhandlungen bei den übrigen baden-württembergischen Verwaltungsgerichten (Sigmaringen, Karlsruhe und Stuttgart). Zwar betrifft der von uns vertretene Fall nicht die Friseurbranche. Im Kern geht es aber um allgemeine Fragen, die sich in jedem Verfahren stellen“, sagt die Anwaltskanzlei Dr. Stoll gegenüber Bernhard Ries von der Initiative „Friseure für Gerechtigkeit“.
Das Gericht hat die Rückforderung der L-Bank als rechtswidrig eingestuft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, könnte jedoch bereits ein Hinweis für eine mögliche zweite Instanz sein (Az.: 14 K 1308/24). Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen.
Hintergrund: 2023 kam es plötzlich zu Rückforderungen der Corona-Hilfen
Die Corona-Hilfen in der Pandemiezeit wurden als unbürokratische Unterstützung für Unternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler angekündigt. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz versprach, dass keine Rückzahlung erforderlich sei. In Baden-Württemberg nutzten daraufhin vor allem kleine und mittlere Unternehmen in über 250.000 Fällen diese Hilfen. Doch jetzt ist es zu einem bösen Erwachen gekommen.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die Entwicklungen zusammen:
- Manche Unternehmen müssen mittlerweile wieder um ihre Existenz fürchten. Einige Corona-Hilfen sollen plötzlich zurückgezahlt werden.
- Im vergangenen Jahr hatte das Land mehr als 60.000 Selbstständige und Kleinunternehmen angeschrieben, sich wegen einer möglichen Rückzahlung der Soforthilfen zu melden, berichtete der SWR. Sie sollten nachweisen, ob die Einnahmeausfälle auch wirklich so hoch waren, wie damals während der Lockdowns geschätzt.
- Gegen diese Bescheide ging eine dreistellige Zahl von Klagen bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg ein - Tendenz steigend.
- In Baden-Württemberg gab es bisher noch keine Rechtsprechung zur Rückzahlung von Corona-Soforthilfen.
- Das Verwaltungsgericht Freiburg zog sich nun aus der Vielzahl von Verfahren sechs Musterverfahren heraus und sprach Urteile. Der Tenor ist klar: Die Rückzahlungsbescheide werden aufgehoben. Mit der Urteilsbegründung wird in einigen Wochen gerechnet. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass die L-Bank die Einlegung einer Berufung gegen die Urteile prüfen und diese womöglich einlegen wird.
- Die 14. Kammer des VG Freiburg hatte sich in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2024 vor allem sehr genau mit der Bestimmung des Zwecks der Soforthilfe befasst, wie er aus den Förderrichtlinien, Verwaltungsvorschriften und FAQ hervorgeht. Die Terminologie, wofür die Soforthilfe eigentlich bezahlt wird, variiert sehr stark. Es war zum einen von Liquiditätsengpässen, Umsatzeinbrüchen und von Überbrückung einer existenzbedrohlichen Wirtschaftslage die Rede. Das sind unterschiedliche Begrifflichkeiten, die für das Gericht womöglich nur unzureichend definiert wurden.
- Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die eines der sechs Freiburger Verfahren betreute, stellt fest: Die Bewilligungsbescheide durften nur wegen einer Zweckverfehlung widerrufen werden. Wenn aber dieser Zweck nicht genau bestimmt ist, dann geht der Widerruf ins Leere und es verbleibt bei dem Bewilligungsbescheid. Offensichtlich hat das Gericht die Sachlage ähnlich beurteilt und daher die Bescheide aufgehoben.