Taner Dogan: Promi-Friseur im Netto

Wo einst Brötchen und Schneckennudeln über die Ladentheke gingen, leuchten heute die gelben Trikots von Jacob Bruun Larsen, Christian Pulisic und Sebastian Rode an den Wänden. Wer bei Mr. & Mrs. Barber im Dortmunder Stadtteil Brackel eintritt, fühlt sich wie in einem Fan-Shop von Borussia Dortmund. Die Chancen, dort auf einen aktiven BVB-Spieler zu treffen, stehen nicht schlecht. Von außen lässt sich das kaum erahnen. Der Friseurladen liegt abseits des Zentrums, mitten auf einem Parkplatz, in einem Netto-Supermarkt. Wer dorthin kommt, möchte für kleines Geld seine Einkäufe erledigen, denkt weniger an Schönheitspflege. Genau das machte Taner Dogan am Anfang seiner Selbstständigkeit zu schaffen. 2016 entdeckte der damals noch angestellte Friseur das leere Bäckerei-Lokal im Netto des gutbürgerlichen Stadtteils und dachte sich: "Warum nicht als Friseur dort einziehen?" Da er sich den Sprung in die Selbstständigkeit zuerst nicht zutraute, griff ein Freund den Gedanken auf, renovierte die Räume und stellte Taner Dogan als Geschäftsführer an. Drei Jahre darauf übernahm dieser mit seiner Frau Darya das Zepter über die 45 Quadratmeter mit vier Sitzplätzen in Eigenregie.

Der Anfang war schwer

"Der Anfang war sehr schwer, das erste Jahr war eine Durststrecke", erinnert sich der 43-Jährige. "Hier wohnen Zöllner, Polizisten, Studierte in der Gegend. Die ticken anders. Beim Netto Haareschneiden, das kannten die nicht." Bemerkungen wie "das ist alles ganz schön hier, aber ich will nicht gesehen werden", bekam er zu hören. Die Wende kam mit dem ersten Spieler vom BVB: Jacob Bruun Larsen. Der damalige B-Jugendspieler logierte im Fußballinternat des BVB, direkt am Trainingsgelände, 150 Meter Luftlinie entfernt. "Der sprang nach der Schule vor dem Training kurz bei uns rein." Dem Nachwuchsspieler folgen mit Christian Pulisic und Emre Mor die ersten Profis auf dem Stuhl. "Dann kamen auch die anderen, das war wie eine Kette." Heute stutzt Dogan selbst dem Trainerstab des BVB Haare und Bart. Mit den Spielern wagten sich die ersten Fans zum Netto-Friseur, Vorbehalte fielen. "Wenn Profis bei dir die Haare schneiden lassen, dann kommen wir auch."

Familientreffen mit Fans und Profis

Inzwischen brummt der Laden, Taner Dogan stehen zwei Mitarbeiter zur Seite, Darya Dogan bedient die Kunden auf Termin. Der gebürtige Dortmunder fühlt sich pudelwohl mit seiner Kundschaft: "Hier kommen alle her, die Fußball lieben. Das ist wie ein Familientreffen." Zu dieser Familie gehörte auch er lange, spielte mit großen Ambitionen beim BVB, bis er erkannte, dass die Disziplin zur Profilaufbahn fehlte. Doch die Verbindungen zu Verein und Spielern blieben. Mit Bruun telefoniert er regelmäßig, auch wenn der inzwischen für Chelsea das Leder tritt.

Spendenaktion für die Türkei

Als Promifriseur sieht sich Dogan selbst nicht. Aber er nutzt seine Kontakte in die Fußballwelt, um Menschen zu helfen, denen es nicht so gut geht wie ihm. In diesem Winter unterstützen er und seine Frau Darya Menschen, die in der Türkei und in Syrien durch das Erdbeben ihr Hab und Gut verloren.

Die Verlosung von handsignierten Spielertrikots von Emre Can und Salih Özcan, eines Bundesliga-Balls mit den Unterschriften aller Spieler und der Handschuhe von Torwart Gregor Kobel – so frisch, dass an ihnen sogar noch Rasen vom Platz klebte – brachten Dogan viel Aufmerksamkeit in den sozialen Medien und die stattliche Summe von 5.800 Euro ein.

Großer Aufwand – lohnender Einsatz

Der Aufwand für seine Frau und ihn sowie seinen Helfer und Stammkunden Maik Müller war groß. "Das war viel Arbeit und sehr anstrengend. Wir hätten uns nicht vorgestellt, dass das so durch die Decke geht." Doch der Einsatz hat sich gelohnt. Zwei Familien konnten sich in der Türkei Wohncontainer kaufen, weitere Spenden gingen an die Stiftung "Ein Herz für Kinder" und ein syrisches Mädchen, dessen Leben durch eine Not-OP gerettet werden konnte.

Inzwischen kann sich Taner Dogan wieder seinen Kunden widmen und gelegentlich seine BVB Trikots an den Wänden im Salon austauschen. "Mehr als sechs kann ich nicht aufhängen", sagt er augenzwinkernd. "Das erlaubt meine Frau nicht." Schließlich ist Mr. & Mrs. Barber ein Friseur und kein Fan-Shop. Auch wenn das manch einer anders sehen mag.

Text: Elke Reichenbach