Foto: Melanie Fredel

12.02.2021

Ordnungsamt verbietet Auszubildender Üben am eigenen Bruder

Die Corona-Zeit gleicht für Petra Amma-Oppold einem Hürdenlauf. Zu Jahresbeginn kam für die 52-jährige Friseurmeisterin mit eigenem Salon in Oberndorf, Kammerbezirk Konstanz, auf dem hindernisreichen Weg zu Überbrückungshilfen und Auszubildendenzuschuss eine weitere Hürde dazu: Ihrer Auszubildenden in zweiten Lehrjahr, Annika Aichele, untersagte das städtische Ordnungsamt zu Jahresbeginn das Prüfungstraining am lebenden Modell. Erst nach wochenlangem Kampf und dem Gespräch eines Landtagsabgeordneten mit dem Bürgermeister gab es grünes Licht für den Übungsschnitt am lebenden Modell statt am Übungskopf.

TOP HAIR: Frau Amma-Oppold, Ihrer Auszubildenden Annika wurde zu Jahresbeginn das Üben am lebenden Modell vom Ordnungsamt Oberndorf verboten, wie kam es dazu?

Petra Amma-Oppold: Ich hatte über den Oberinnungsmeister erfahren, dass Friseurauszubildende unter Einhaltung der Hygienebedingungen auch am lebenden Modell für eine anstehende Prüfung üben dürfen. Da gibt es wohl ein Abkommen mit den Ordnungsämtern. Um alles richtig zu machen, erkundigte ich mich beim Ordnungsamt in Oberdorf und stellte dort dar, dass Annika den Herrenhaarschnitt an ihrem Bruder, der im selben Haushalt lebt, üben wolle. Das wurde uns untersagt. Für meine Auszubildende war das völlig unverständlich. Sie erzählte mir, dass alle ihre Klassenkameradinnen an echten Modellen üben dürften, warum sie also nicht?

Warum ist das problematisch?

Herrenfaconschnitt, Bombageföhnen und das Wickeln, Legen und Schneiden von Dauerwellen stehen für Annika am 2. April auf dem Prüfungsplan. Da will die 17-Jährige zur Zwischenprüfung ihrer Friseurinnenausbildung in Oberndorf antreten. Bisher übt sie täglich zuhause am Übungskopf und schickt mir Fotos. Zwei Mal pro Woche üben wir im Salon am Übungskopf. Doch das Schneiden eines Herrenschnitts und das Föhnen im Bombage Stil muss sie auch am lebenden Modell trainieren. Zumal Annika viel mehr Gelegenheit hat zu üben, wenn der Salon geöffnet ist. Wir haben extra ihren Bruder als Modell gewählt, weil der im gleichen Haushalt lebt. Den Übungsschnitt muss Annika aber jetzt machen, sonst sind die Haare ihres Bruders bei der Prüfung noch nicht genügend nachgewachsen. Dann lehnt ihn die Prüfungskommission als Modell ab.

Sie haben das Nein der Behörde nicht akzeptiert, wie sind Sie weiter vorgegangen?

Ich wandte mich an die Handwerkskammer Konstanz, deren Rechtsabteilung einen ausführlichen Brief an das Ordnungsamt in Oberndorf schrieb und klarstellte, dass gewisse Fertigkeiten, wie eben der Herrenhaarschnitt, nicht an einem Modellkopf geübt werden könnten. Das Schreiben zeigte zudem auf, wie wichtig für meine Auszubildende die Zwischenprüfung am Ende des zweiten Lehrjahres ist. Sie bildet ein Viertel der Gesamtnote der Gesellenprüfung. Auch wies die Handwerkskammer nochmals darauf hin, dass der Herrenhaarschnitt am eigenen Bruder geübt werden sollte, der im gleichen Haushalt lebt, wie Annika. Sie bat eindringlich darum, die Entscheidung im Sinne der Auszubildenden nochmals zu überdenken.

Wie reagierte das Ordnungsamt?

Es blieb bei seinem Nein. Es half auch nicht, dass sich der Oberinnungsmeister einschaltete und auf gleiche Rechte für alle Friseurauszubildenden im Bezirk pochte. Andere Ordnungsämter seien viel kulanter, habe er hervorgehoben.

Welchen Ausgang nahm die Geschichte?

Ein Landtagsabgeordneter hatte vor ein paar Tagen einen Stand auf dem Wochenmarkt. Da habe ich ihm die Situation geschildert. Nachdem er sich den Salon angesehen und mit mir die Bedürfnisse für die Prüfungsvorbereitungen meiner Auszubildenden besprochen hatte, wandte er sich direkt an den Bürgermeister. Dann kam überraschend das Ja für die Prüfungsvorbereitung am lebenden Modell. Inzwischen hat Annika an ihrem Bruder den Fassonschnitt und das Bombageföhnen geübt. Das hat auch gut geklappt. Die Dauerwelle darf sie zudem an einem Modell, das nicht in ihrem Haushalt wohnt, unter Einhaltung strenger Hygienerichtlinien und weiterer Auflagen üben. Darüber sind wir sehr froh.

Lässt sich daraus eine generelle Ausnahme für das Üben am lebenden Modell ableiten?

Für Oberndorf gehe ich davon aus. Eine meiner Kolleginnen aus der Stadt hat ebenfalls eine Absage fürs Üben am lebenden Modell bekommen. Die hat sich jetzt erneut an das Ordnungsamt gewendet, ich bin gespannt, was da geht.

Interview: Elke Reichenbach

 

Wichtig: Bitte sprechen Sie mit Ihrer Innung, Handwerkskammer und dem Ordnungsamt, welche Regelungen genau in Ihrer Gemeinde gelten.