Branchenkenner und Initiator der Initiative „fairer Salon“, Rene Krombholz, spricht hier über die Barber, die vielen in der Branche ein Dorn im Auge sind, und warum die Branche selbst schuld am Erfolg der Barber ist.
Inhaltsübersicht
- Deutlich mehr Umsatz in den Barbershops
- Corona und die Folgen
- Kundenwunsch ignoriert – Beratung vergessen
- Nicht die Haarwäsche begründet den Mehrpreis
- Umsatz freiwillig reduziert
- Hochwertige Barber mit exzellenter Dienstleistung
- Barber-Schattenwirtschaft
Die Barber sind ein Thema, das im Friseurhandwerk kontrovers diskutiert wird und auch vermehrt den Weg in die Medien findet. „Friseure gegen Barber!“ titelte neulich das Offenburger Tageblatt.
Deutlich mehr Umsatz in den Barbershops
Deutlich vermehrt haben sich die Meldungen in den Medien über Auffälligkeiten der Barbershops bei den vermehrt stattfindenden Kontrollen. Deutlich vermehrt hat sich auch der Umsatz der Barbershops: Um satte 44% im Vergleich zum Vorjahr, so Wella General Manager Henrik Haverkamp anlässlich einer Pressekonferenz auf der TOP HAIR 2025.
Corona und die Folgen
Die Maßgabe der Gesundheitsbehörden während der Corona-Pandemie, Haare nur im gewaschenen Zustand zu behandeln, führte in sehr vielen Salons zu dem Entschluss, den ungeliebten Trockenhaarschnitt dauerhaft aus dem Angebot zu entfernen. Der Wunsch nach dieser schnellen und preiswerten Dienstleitung ist bei den Männern nach wie vor vorhanden und wird von den Barbern, die (fast ausschließlich) diese Leistung anbieten, erfüllt.
Kundenwunsch ignoriert – Beratung vergessen
Trockenhaarschnitt und Nass-Formschnitt sind zwei vollkommen unterschiedliche Dienstleistungen. So wurde es über Jahrzehnte gelehrt und gearbeitet, bevor der Trockenhaarschnitt zugunsten von Modernität und Fortschritt aus dem Lehrplan verschwand und damit auch aus den Köpfen der Mitarbeiter.
Als ich im Jahr 1966 meine Gesellenprüfung absolvierte, gehörten zwei Männerhaarschnitte zu den Prüfungsaufgaben, ein Trockenhaarschnitt und ein Nass-Formschnitt. Genau das, hat ganz viel mit der heutigen Barber-Problematik zu tun.
Die heutigen Männerfrisuren Fade-Haarschnitte oder Undercuts waren bereits Anfang der 60er-Jahre unter dem Begriff „kurzer Fasson“ oder „Rasierschnitt“ modisch angesagt. Durchweg Trockenhaarschnitte, Zeitaufwand 15 Minuten, das Haare waschen beim Friseur galt zu der Zeit im Herrensalon als verpönt.
Mit Beatles, Rolling Stones und der Kulturrevolution der 68er änderten sich auch die Frisuren. Die Männerhaare wurden lang getragen. Gleichzeitig brachte Sassoon erstmals eine lehrbare Haarschneidetechnik ins Friseurhandwerk. Plötzlich wurden Haare nicht nur abgeschnitten, sondern gewaschen, graduiert, geformt – alles im nassen Haar.
Innerhalb weniger Jahre gelang es den Friseuren damals, aus nahezu 100% Trockenhaarschnitte, durch intensive Beratung den Trend umzukehren und daraus rund 80 % Formschnitte werden zu lassen, mit kommuniziertem Mehrwert für Kunden und deutlichem Umsatzzuwachs für die Salons. Als sich dieser Trend Ende der 90er umkehrte und Kurzhaarschnitte trendig wurden, waren diese Unterschiede bereits vergessen und die entsprechende Beratung blieb aus.
Nicht die Haarwäsche begründet den Mehrpreis
Der Grundstein des heutigen Barber-Booms wurde von den Friseuren selbst in diesen Jahren gelegt. Die „Beratung“ im Herrensalon reduzierte sich auf die Frage: „Waschen wir auch?“ und wurde vorwiegend mit Nein beantwortet, bevor zeit- und kostensparend die Maschine angesetzt wurde. Die tägliche Haarwäsche war für die meisten Männer zur Normalität geworden, eine zweite Wäsche im Salon als unnötig erachtet – die eigentlichen Unterschiede dieser Dienstleistung wurden nicht mehr beraten, der Mehrpreis für den höherwertigen Haarschnitt wurde auf eine Haarwäsche reduziert.

Umsatz freiwillig reduziert
Im Terminplan wurde nach wie vor mit 20 bis 30 Minuten geblockt, kassiert wurde ein mit 15 Minuten kalkulierter Trockenhaarschnitt. Branchenguru Dieter Schneider sagte seinerzeit: „Der Männerhaarschnitt, mit (damals) 15 -18 DM für 15 Minuten, ist eine der bestkalkulierten Dienstleistungen im Friseurhandwerk.“
Er sagte aber auch: „Es gibt wohl keine Branche, die so beratungsresistent ist, wie die der Friseure!“ In den 90er-Jahren gab es kein einziges Fachmedium, in welchem dieses Thema nicht thematisiert worden wäre.
Die Chance zum Umdenken war gegeben, geändert hat sich rein gar nichts.
Einfacher Haarschnitt | Formhaarschnitt |
wird immer trocken geschnitten, ggf. nach dem Schnitt „angefeuchtet“ | wird immer nass geschnitten, bei bereits gereinigtem Haar ggf. Kopfmassage |
Technik des „über den Kamm schneidens“ | Technik der Graduation |
☹ Wirbel / Schwachstellen schwer erkennbar | 😊 Wirbel und Schwachstellen sofort erkennbar |
☹ wenig Volumen, stark ausgedünnt | 😊 volumengebende oder reduzierende Technik |
☹ Frisur fällt glatt, flach und platt | 😊 Frisur fällt locker und stufig, natürlicher Fall |
☹ individuelle Formgebung schwer möglich | 😊 individuelle Formgebung durch Graduation |
☹Form und Halt durch Finishprodukte | 😊 bleibt durch den Schnitt lange in Form |
Zeitaufwand ca. 15 Minuten | Zeitaufwand ca. 25 -30 Minuten |
mittlerer Preis 2024 14,50 €uro | mittlerer Preis 2024 28,40 €uro |
Quelle Preise: KI Copilot / Google Recherche
Beide Techniken haben nur eines gemeinsam: dass dabei die Haare kürzer werden, ansonsten sind es zwei grundsätzlich verschiedene Dienstleistungen! Durch diese Unterscheidung relativiert sich auch die Diskussion über unterschiedliche Preise bei Männern und Frauen. So sollte es zumindest sein.
Hochwertige Barber mit exzellenter Dienstleistung
Hier haben viele Friseure diesen Wunsch, nach einem einfachen, schnellen und preiswerten Haarschnitt ignoriert und versäumt, eine Beratung entgegenzusetzen. Nicht zu vergessen: es gibt auch hochwertige Barber mit einer exzellenten Dienstleitung und Preisen, an die sich herkömmliche Friseure oft nicht herantrauen. Dazu gehören Kunden mit Ansprüchen, die aber auch erst dahin geführt werden müssen.
Barber-Schattenwirtschaft
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass es in diesem Bereich auch viel Schattenwirtschaft gibt. Eigentlich dürfen Barber nur Haare schneiden, wenn im Salon ein Meister vorhanden ist. So lange Kollegen*innen aber für eine geringe „Miete“ ihren Meisterbrief zur Verfügung stellen, sind Kontrollen müßig. Hinzu kommen Clanstrukturen und andere Ungesetzlichkeiten, die nicht zu tolerieren sind und (bisher) zu wenig verfolgt werden.
Dieses ändert sich derzeit nach jahrelanger Arbeit von Innungen und Verbänden. Diese sind in den letzten Jahren in Richtung Politik sehr laut geworden, diese Arbeit trägt jetzt Früchte.
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