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22.11.2016

Wenn Schwangere nicht arbeiten dürfen

Wenn Schwangere nicht arbeiten dürfen: Schon am ersten Arbeitstag kann „Beschäftigung verboten“ sein. Aktuelle Beispiele aus der Arbeits- und Sozial-Rechtsprechung.

Tritt eine Schwangerschaft ein, so heißt das für die künftige Mutter, sofern sie Arbeitnehmerin ist, oft „Beschäftigungsverbot“ - sprich „Mutterschutz“. Laut Mutterschutzgesetz sollen werdende Mütter sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin nicht mehr arbeiten. Die Beschäftigungsart spielt dabei keine Rolle. Ausnahmen bei der Mutterschutzregelung gibt es dann, wenn die Schwangere ausdrücklich wünscht zu arbeiten. Die dafür nötige Erklärung kann sie allerdings zu jeder Zeit widerrufen.

Nach der Geburt besteht ebenfalls eine Schutzfrist, die auf acht Wochen festgeschrieben ist. Hier besteht allerdings ein ausdrückliches Beschäftigungsverbot. Das alles gilt für den Regelfall, also für eine „normale“ Schwangerschaft. Für Früh- oder Totgeburten gelten besondere Fristen.  

Wo es Gesetze und Regelungen gibt, gibt es auch immer wieder Auslegungs- oder Anwendungsstreitigkeiten. Aktuelle Beispiele aus der  Arbeits- und Sozial-Rechtsprechung:

„Beschäftigungsverbot“ vom ersten Tag an bringt sofort die Entgeltfortzahlung - Schließt eine Arbeitnehmerin mit einem Arbeitgeber zu einem (hier 1,5 Monate) in der Zukunft liegenden Zeitpunkt einen Arbeitsvertrag, wird sie jedoch in der Zwischenzeit schwanger und verordnet ihr ein Arzt zum eigentlichen Beginn der Tätigkeit ein Beschäftigungsverbot, das sie vor gesundheitlich schädlichen Einwirkungen schützen soll, so hat der Arbeitgeber vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an Lohn oder Gehalt zu zahlen. Er kann nicht argumentieren, dass er noch keine Minute ihre Arbeitskraft habe nutzen können. Die Gesundheit von Mutter und Kind gehen vor. (Der Firma geht es deswegen im Übrigen nicht schlecht, da sie ihren Aufwand aus der sogenannten U2-Umlage ersetzt bekommt.) (LAG Berlin-Brandenburg, 9 Sa 917/16)   Arbeits"verbot" spricht allein der Doktor aus - Dem einer schwangeren Arbeitnehmerin vom Arzt bescheinigten Beschäftigungsverbot kommt "im Hinblick auf die Gefährdungslage 'hoher Beweiswert' zu". Der Arbeitgeber kann dem nicht entgegen halten, dass er "keine schwangerschaftsbedingten Beschwerden" habe erkennen können und dies auch während vorheriger Schwangerschaften der Mitarbeiterin so gewesen sei. (ArG Berlin, 28 Ca 10643/12)

Ein "Beschäftigungsverbot" darf Schwangere nicht benachteiligen - Hat ein Arzt einer schwangeren Arbeitnehmerin zu ihrem oder ihres Kindes Schutz ein Beschäftigungsverbot verordnet, so hat sie Anspruch darauf, dass ihr Arbeitgeber ihr das Gehalt weiterzahlt. Berechnungsgrundlage dafür sind ihre in den vorhergehenden drei Monaten erzielten Arbeitsverdienste. Führt dies zu einem Nachteil für sie, weil sie in diesem Zeitraum weniger als normal verdient hat, so ist für die Berechnung das komplette vorherige Jahresentgelt heranzuziehen. (LAG Köln, 8 Sa 1328/10)

Auch mit Beschäftigungsverbot ist "frau" schwanger "vermittelbar" - Wird eine Frau schwanger, nachdem sie ihren Job verloren hat, so muss die Agentur für Arbeit auch dann das Arbeitslosengeld I weiterzahlen, wenn sie ein ärztlich verordnetes Beschäftigungsverbot hat und somit nicht vermittelbar ist. Die Agentur darf die Zahlung nicht mit der Begründung streichen, sie stehe dem Arbeitsmarkt wegen des Arbeitsverbotes nicht mehr zur Verfügung. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz sah das anders: Bei einer „Krankschreibung“ entziehe sich eine Arbeit Suchende ihrerseits dem Arbeitsverhältnis und damit dem Arbeitsmarkt „zwecks eigener Genesung“. Mit dem sich aus dem Mutterschutzgesetz ergebenen Beschäftigungsverbot dagegen werde der Arbeitgeber beauftragt, „zum Schutz von Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind“ die betroffene Schwangere „nicht einer Arbeitsbelastung auszusetzen“ - unter Androhung von Sanktionen. Somit ergebe sich, dass die Arbeitsagentur als „Quasi-Arbeitgeberin“ mit dem Beschäftigungsverbot der schwangeren Arbeitslosen deren Vermittelbarkeit zwar auf "0" reduziert wird, diese sich aber „rein formell“ weiterhin zur Verfügung stellen kann und darf. Und damit auch ihren rechtlichen Anspruch auf das Arbeitslosengeld behält. (LSG Rheinland-Pfalz, L 1 AL 38/10)  

Während eines Beschäftigungsverbotes nicht "im Urlaub" - Ein Arbeitgeber ist nicht berechtigt, eine schwangere Mitarbeiterin, die wegen eines individuellen Beschäftigungsverbotes (hier als Tierarzt-Assistentin) nicht arbeiten darf, zu "beurlauben", um so eine spätere Urlaubsgewährung zu umgehen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz folgte auch dem weiteren Argument des Arbeitgebers nicht, dass er die Frau - hätte er davon gewusst, keinen Urlaub "anordnen" zu können - auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt hätte, der für sie nicht "verboten" gewesen wäre. Rückwirkend könne er den rechtsunwirksam gegebenen Urlaub nicht "umwidmen". (LAG Rheinland-Pfalz, 11 Sa 547/08)  

Kein Lohn ohne Arbeit, weil der Anreiseweg "zu beschwerlich" ist - Eine Schwangere hat keinen Anspruch auf den so genannten Mutterschutzlohn gegen den Arbeitgeber, wenn ihr Arzt ihr die Anreise zum Arbeitsplatz "verbietet", nicht aber die eigentlich von ihr zu verrichtende Arbeit. Dieser Lohn ohne Arbeit kann nur verlangt werden, wenn entweder die Mutter oder ihr Kind durch die Weiterarbeit gesundheitlich gefährdet würden. (Mit dieser Begründung lehnte das Hessische Landesarbeitsgericht den Anspruch einer Flugbegleiterin auf Mutterschutzlohn ab, weil ihr vom Arbeitgeber ein "ungefährlicher" Arbeitsplatz am Boden angeboten worden war. Die werdende Mutter hatte somit kein "Beschäftigungsverbot" im Sinne des Mutterschutzgesetzes zu befolgen.) (Hessisches LAG, 17 Sa 1855/07)  

Autoren: Maik Heitmann und Wolfgang Büser

 

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