01.09.2021
Urteil: Die Brautfrisur ist Handwerk, kein Kunstwerk
Verwaltungsgericht Koblenz stuft Hochstecken als Handwerk ein: Mit etwas schiefer Begründung hat das Verwaltungsgericht Koblenz erneut die Handwerksordnung unterstrichen und jede Umgehung ausgeschlossen. Unser Rechtsexperte hat sich das Urteil näher angeschaut.
Was ist passiert?
Endlich keine Corona-Beschränkungen, endlich wieder Hochzeiten! Voller Freude schaut A auf die kommende Hochzeiten-Saison, die endlich wieder Aufträge verspricht. A ist eine wahre Künstlerin und verwandelt Haare in aufwendige Frisur-Kunstwerke. Dafür wird sie von Bräuten, aber auch Hochzeitsgästen gebucht. Am Morgen der Feier fährt sie zu den Auftraggebern und macht sich ans Werk. Mehr als ärgerlich ist für A, als ihr im Frühsommer eine Untersagungsverfügung ins Haus flattert. Das, was sie tue sei kein Kunst-Werk sondern Hand-Werk. Und zwar Friseur-Handwerk und das dürfe in selbstständiger Tätigkeit nur Ausüben, wer in die Handwerksrolle eingetragen ist. Weil A aber nicht einmal eine Ausbildung zur Friseurin hat, kommt ein Eintrag in die Handwerksrolle nicht in Frage. Um zunächst erst einmal weiter die Termine wahrnehmen zu können, legt A Widerspruch gegen die Verfügung ein und beantragt im Eilverfahren die Aussetzung der Verfügung. Dabei führt sie vor allem an, dass ihre Arbeit Kunst ist. Und Kunst muss schließlich nicht in die Handwerksrolle eingetragen werden.
Was sagt das Gericht?
Das Verwaltungsgericht Koblenz muss nun abwägen: Ist die Arbeit von A Kunst oder doch Handwerk? Die Abgrenzung erfolgt unter anderem an der Frage, ob mit der Tätigkeit Geld verdient werden soll. Denn Kunst dient - so die Rechtsprechung - einem vergeistigten Zweck. Außerdem darf die Kunst keinem wesentlichen Teilbereich eines Handwerkes entsprechen. Dem Handwerk wird wiederum zugebilligt, immerhin teilweise auch eigene schöpferische Leistungen zu haben und damit auch irgendwie Kunst zu sein.
Durch diesen Dschungel mitunter etwas hölzerner Definitionen schlägt sich das Verwaltungsgericht und kommt zu dem Ergebnis, dass Brautfrisuren, bzw. besondere Hair-Stylings ein wesentlicher Teilbereich des Friseurberufs seien. Zwar sei dies auch immer mit einer eigenen Schöpfung verbunden, dies sei aber Merkmal des Handwerks und kein Beleg dafür, dass es Kunst sei. Außerdem diene die Tätigkeit in erster Linie der Erwerbstätigkeit. Ein darüberhinausgehender vergeistigter Zweck sei nicht erkennbar. Und damit kommt das Verwaltungsgericht in dem Eilverfahren zu dem Schluss, dass die Untersagungsverfügung in Kraft bleibt. (VG Koblenz, 01.07.2021 - 5 L 475/21.KO)
Was heißt das für Sie?
Der Supreme-Court der USA hatte die Frage zu beantworten, wie Pornografie von Kunst abzugrenzen sei. Verlegen um eine klare Definition brach er es auf den Satz „I know it when I see it“ (etwa: wenn ich es sehe, erkenne ich es) herunter. So in etwa wirkt die Begründung des Verwaltungsgerichts. Da wird das Erstellen von Frisuren zum reinen Handwerk, ohne künstlerischen Anspruch. Diverse Kolleg*innen schauen jetzt wütend auf die Brautfrisur, die sie in stundenlanger Arbeit und sehr wohl mit einem künstlerischen Anspruch erstellt haben. Das VG hat auch noch eine Erklärung parat, warum es sich um ein Handwerk handelt, das nur von ausgebildeten Personen ausgeübt werden darf: die Gefährlichkeit von Glätteisen, Lockenstab und Kreppeisen. Wer hätte gedacht, wie nah am Abgrund manch Influencer zwischen 14 und 20 mit seinen Stylingvideos balanciert. Die Linie des Verwaltungsgerichts wird jedenfalls schnell deutlich: wenn jemand den Beruf des Friseurs - und sei es nur in einem Teilbereich - ausübt, muss er auch Friseur sein. Sie haben gesehen und erkannt.
So holprig die Begründung erscheinen mag, so ehern ist aber auch deren Ziel: der Schutz des Handwerks und die klare Bestätigung der Notwendigkeit einer Ausbildung zur Ausübung des Berufs und eines Meisterbriefes für die selbstständige Tätigkeit. Abermals legt ein Gericht die Bestimmungen der Handwerksordnung streng aus. Einer Umgehung durch das Argument, eigentlich Künstler zu sein, lässt das Gericht nicht zu. Mit dem Urteil folgt das Verwaltungsgericht anderen Entscheidungen, die beispielsweise zu Barbieren ergangen sind. Oder mit anderen Worten: Ohne Meister geht es nicht.
Sven Kobbelt ist Rechtsanwalt und Experte für mittelständische Unternehmen.