Trinkgeld beim Friseur ::: Foto: Shutterstock

09.06.2016

Trinkgeld ist unantastbar

Das Jobcenter darf Trinkgeld nicht als Einnahme anrechnen. Im vorliegenden Fall ging es um eine alleinerziehende Mutter, die in Teilzeit als Friseurin beschäftigt ist.

Die Teilzeitkraft verdient bei einer monatlichen Arbeitszeit von 60 Stunden einen Bruttolohn von 540 Euro. Sie hatte die Nachfragen des Jobcenters nach ihren Trinkgeldeinnahmen nicht beantwortet. Daraufhin wurde ein geschätztes Trinkgeld von 60 Euro auf ihr Einkommen angerechnet. Das Jobcenter legte pro Kunde und Arbeitsstunde ein Trinkgeld von 1 Euro zugrunde. Zu Unrecht befand das Karlsruher Sozialgericht und urteilte für die Friseurin.

Urteil des Sozialgerichts

Das Geben von Trinkgeld beruhe nicht auf einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung, sondern stelle eine freiwillige Leistung dar, die eine besonders gelungene Dienstleistung honorieren und dem Dienstleistenden selbst zukommen soll. Wüsste der Kunde, dass das Trinkgeld im Ergebnis die Situation des Dienstleistenden nicht verbessert, weil sich im selben Umfang die Leistungen des Jobcenters vermindern, würde kaum noch Trinkgeld an die Betroffenen gezahlt werden. Dies wäre nicht nur ungerecht im Vergleich zu den Kollegen, die mehr verdienen und zusätzlich ihr Trinkgeld behalten dürfen, sondern auch schädlich für die Motivation der betroffenen SGB II-Leistungsbezieher und ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Wegen Vorliegens einer unzumutbaren Härte hat daher die Anrechnung zu unterbleiben, sofern das Trinkgeld ca. 10 Prozent der gewährten Hartz IV-Leistungen oder einen monatlichen Betrag von 60 Euro nicht übersteigt. (SG Karlsruhe, Az. S 4 AS 2297/15)