13.12.2016

Das richtige Maß

Den Versicherungsumfang sollte jeder Friseur genauer unter die Lupen. Gegen existenzbedrohende Risiken sollte man sich absichern. Will man das auch gegen alles Mögliche, tut man des Guten zuviel. Experte Frank Golfels spricht Klartext.

Lesen Sie sich einmal die Angebote der verschiedenen Versicherungsgesellschaften durch: Da ist eine Versicherung gegen so ziemlich jede Eventualität im Programm; selbst für abwegigste Ereignisse gibt es Absicherungen. Aber dienen sie wirklich dem Versicherten – oder doch nur der Versicherung? Frank Golfels, selbstständiger und unabhängiger Versicherungsberater in Greven, spricht dazu Klartext. Er weiß, welche Versicherungen man braucht, welche unter Umständen sinnvoll sind und welche man sich einfach sparen kann: „Manches ist gesetzlich geregelt, beispielsweise die Kranken- und die Rentenversicherung für alle Arbeitnehmer.“ Darüber hinaus hält er eine Privathaftpflicht für unerlässlich. Und alle, die ihr Auskommen durch eigene Arbeit sichern, brauchen eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie, sagt er, sollte so gestaltet werden, dass der frühere Lebensstandard in etwa zu halten ist. Hinzu kommt die Hausratversicherung, deren Höhe man ebenfalls individuell bestimmen sollte. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man in Antiquitäten wohnt oder in Ikea. Diese Versicherung stellt im Schadensfall – ohne die Abnutzung in Rechnung zu stellen – den ursprünglichen Zustand wieder her. Mehr, sagt Frank Golfels, braucht man als Privatmann zunächst nicht.

Nicht zuviel und nicht zu wenig

Ganz anders liegt der Fall bei einem Unternehmer. Nehmen wir also einen Friseurunternehmer und seinen Salon. Hier ist eine Haftpflichtversicherung unerlässlich, die das Tun, aber auch das Lassen der Mitarbeiter umfasst. Die Prämie kann nach der Zahl der Mitarbeiter variieren, bei manchen Gesellschaften auch nach Umsatz, so der Experte. Um hier keine bösen Überraschungen im Fall des Falles zu erleben, sollte man betriebliche Veränderungen, eine Mitarbeiteraufstockung etwa, in den Vertrag aufnehmen lassen. Auch die Betriebsinhaltsversicherung sollte alles umfassen, was im Salon oder im Laden verkauft wird oder gebraucht wird. Hier rät der Experte zur Neuwert-Versicherung, um vollwertigen Ersatz im Schadensfall beschaffen zu können.

Und schließlich der Knackpunkt für alle Unternehmer: Der Salon kann nicht geöffnet werden – weil er unter Wasser steht, weil Vandalen ihn verwüstet haben oder die Fensterscheiben durch eine Druckwelle zersprungen sind und die Kunden im Durchzug sitzen würden. Hier scheint eine Betriebsunterbrechungsversicherung sinnvoll zu sein, schließlich laufen die Kosten weiter, auch wenn man nicht arbeiten kann. Frank Golfels hält es für eine eher theoretische Gefahr, dass die Versicherung zu hoch abgeschlossen wird, vielmehr setzen Unternehmer gern zu niedrig an. Der Fachmann rechnet vor: 72.000 Euro Versicherungssumme ergibt 200 Euro pro Tag für den Versicherten. Will man davon Mitarbeiter bezahlen, wird’s schon knapp. Besser wäre es also, als Versicherungssumme den Gewinn plus trotz der Unterbrechung weiterlaufenden Kosten wie etwa Miete und Gehälter zu vereinbaren . Eine Unterversicherung kann flugs den Fortbestand eines Unternehmens bedrohen.

Bedarf ermitteln

Zumindest ärgerlich ist aber auch eine Überversicherung, sagt Frank Golfels und benennt drei mögliche Fallstricke. So kann der Versicherungsnehmer „zu teuer einkaufen“: Er schließt eine Versicherung ab, deren Leistungen eher für weit geringere Beiträge bei einer anderen Gesellschaft erhalten könnte. „Eine gute Privathaftpflicht beispielsweise kann 50 oder 60 Euro im Jahr kosten – oder 150 Euro!“, betont er. Die zweite Gefahr, sich suboptimal und also höchst kostspielig zu versichern: Der unbedarfte Kunde setzt falsche Prioritäten. Ein Beispiel: die Vollkaskoversicherung fürs Auto und der Verzicht auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Wenn man nun das Auto gegen den Baum fährt und sich bei dem Unfall selbst bleibende Schäden zuzieht, so erhält man zwar einmalig einige zehntausend Euro, um das Fahrzeug zu ersetzen, aber keinen monatlichen Unterhalt. Schließlich gibt es noch die Versicherungen, die niemand braucht, „beispielsweise eine Handy-Versicherung“, meint Frank Golfels, oder Versicherungen, die mit einer Unzahl an Leistungen überfrachtet und damit sehr kostspielig werden: „Eine Unfallversicherung kann auch noch kosmetische Operationen umfassen oder höhere Leistungen bei Unfalltod.“ Schnickschnack und teuer – so der Fachmann. Auch bei einer Glasversicherung, die mancher Unternehmer für seinen Salon mit großer Schaufensterfront in Erwägung zieht, sollte man gut nachdenken: Wie oft kommt ein solcher Schaden vor? Wie sind die Kosten, wie hoch die Prämien? Und: Wenn ein so großer Glasschaden tatsächlich häufiger vorkommt – wie lange wird es dann wohl dauern, bis die Versicherung den Vertrag kündigt?!

Unnötige Versicherungen

Auch eine Insassenunfallversicherung ist in den Augen Frank Golfels‘ unsinnig und komplett überflüssig – weil hier längst andere Versicherungen greifen: Ist an einem Unfall ein anderer schuld, zahlt dessen Kfz-Haftpflicht für Sach- und Personenschäden. Ist der Fahrer selbst schuld, zahlt seine Kfz-Haftpflicht für alle, die mit ihm im Auto saßen. Der Fahrer selbst sollte sich über seine Unfallversicherung, über seine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung absichern.

Expertenrat

Eindringlich rät Frank Golfels dazu, sich mit der Materie zu befassen: „Letztlich kann es um sehr viel Geld gehen!“ Man sollte sich überlegen, so der Branchenkenner, welche Versicherungen man braucht und in welcher Höhe. Dazu muss man sich informieren, muss Bücher und Fachzeitschriften lesen und Versicherungsdeutsch durchdringen. Wer das nicht mag, wer dafür keine Zeit findet oder trotz aller Anstrengungen nicht durchblickt, für den gibt es Berater in den Verbraucherzentralen – oder, bei komplexeren Situationen, ihn, Frank Golfels, den Fachmann für die ganze Branche, einen unabhängigen Versicherungsberater. Er sagt: „Für ein optimales Versicherungspaket muss man die Angebote kennen und sich mit ihnen auseinander setzen.“  

Text: Kordula Küper