Foto: jirateep sankote / Shutterstock.com

20.11.2020

Richtiges Lüften im Salon

Die AHA-Formel wurde jetzt durch das "L" ergänzt. Wir haben mit Experten darüber gesprochen, wie richtiges Lüften und raumlufttechnische Anlagen die Virenbelastung im Salon senken können.

Saubere Luft in Salons ist nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie ein Thema. Die Belastung der Innenraumluft durch Färbemittel, Sprays sowie Staub, Haare und Hautschuppen führt bei vielen Friseuren zu Atemwegserkrankungen. Das neue Virus bereichert die Debatte um gesunde Luft im Salon um eine neue Facette. Nach aktuellen Erkenntnissen bilden Tröpfchen und Aerosole den Hauptübertragungsweg des Corona-Virus. Diese feinsten Partikel in der Luft werden beim Atmen, Sprechen, Husten oder Niesen ausgestoßen. Viren können dort anhaften und über die Luft in die Atemwege anderer Personen gelangen. In schlecht oder nicht belüfteten Räumen verteilen sich die Aerosole im gesamten Salon, die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung wächst.

Richtiges Lüften senkt Infektionsrisiko

Regelmäßiges Lüften hält die Luft im Salon am besten rein und hilft, die Übertragung von Krankheitserregern deutlich zu verringern. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst- und Wohlfahrtspflege (BGW) empfiehlt, alle 20 Minuten zu lüften. Sehr wirksam sei das „Stoßlüften“, bei dem eines oder mehrere Fenster fünf bis zehn Minuten lang geöffnet bleiben. Huste oder niese eine Person, solle sofort ein Fenster weit geöffnet werden. Fenster zu kippen, kann ebenso dazu beitragen, ein zu starkes Ansteigen der Virenkonzentration im Raum zu vermeiden.

Dicke Luft

Hinweis für einen nötigen Luftaustausch kann auch die CO2-Konzentration der Raumluft liefern. CO2 entsteht beim Ausatmen. Eine CO2-Konzentration bis zu 1.000 „parts per million“ sei gemäß der Technischen Regel für Arbeitsstätten noch akzeptabel. Während der Epidemie sollte dieser Wert möglichst unterschritten werden. Hilfreich kann eine CO2-App sein. Sie ermittelt den CO2-Gehalt der Raumluft und gibt optimale Zeit und Frequenz zur Lüftung eines Raumes vor. Noch exakter sind spezielle Messgeräte, sogenannte CO2-Ampeln.

Raumlufttechnische Anlagen

Doch ausdauerndes Lüften erweist sich im Winter als schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Fein raus sind Salons, die bereits über eine fest installierte raumlufttechnische Anlage mit Frischluft versorgt werden. Diese Anlagen saugen die warme Abluft aus den Räumen ab und blasen frische Außenluft hinein. In manchen, vor allem großen Anlagen, wird die Außenluft mit einem Teil der Abluft gemischt. „Lässt sich der Umluftanteil bis auf ein Minimum verringern oder ganz ausschalten, sinkt damit die eventuelle Virenbelastung der Luft. Manche Anlagen können darüber hinaus mit Hepa-Filtern der Klasse H 13 oder H 14 nachgerüstet werden“, erklärt Daniel Niemüller, technischer Leiter bei der Trox GmbH, Spezialist für Raumbelüftung und -klimatisierung. Nachrüstungen oder Veränderungen an einer Anlage müsste aber der jeweilige Hersteller prüfen. Pauschale Aussagen ließen sich nicht treffen.
 

Tröpfchen und Aerosole

Tröpfchen sind größer als fünf Mikrometer (μm), während Aerosole als feinste Flüssigkeitspartikel und Tröpfchenkerne kleiner als fünf μm sind. Aufgrund ihrer Größe sinken Tröpfchen schneller zu Boden, während Aerosole über eine längere Zeit in der Luft schweben und sich damit in geschlossenen Räumen überall hin verteilen können. Sind Innenräume schlecht oder gar nicht belüftet, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung auch über eine größere Distanz als zwei Meter.

 

Sinnvoll könnte für einen Friseursalon der nachträgliche Einbau einer Lüftungsanlage sein, die konstant Frischluft in den Raum bläst. „Damit sinkt die virenbelastete Aerosol- genauso wie die CO2-Konzentration, Gerüche und Schadstoffe werden ebenfalls weniger“, sagt Claus Händel, technischer Referent beim Fachverband Gebäude-Klima. Nachteil: Sowohl die Nachrüstung mit Hepa-Filtern als auch der Einbau einer raumlufttechnischen Anlage sind für viele Saloninhaber, zumal wenn sie ihre Räume mieten, nicht schnell umsetzbar und mit Bauarbeiten verbunden. Mobile Luftraumreiniger rücken deshalb verstärkt ins Blickfeld. Die Entscheidung für eine bestimmte Technik ist allerdings schwierig.

Schnelle Lösung?

Die Auswahl mobiler Geräte, die fast virenfreie Innenraumluft versprechen, ist groß. Edelstahlverkleidete Luftreiniger in Mannesgröße werden genauso angeboten wie Standgeräte in Hüfthöhe und unauffällig wirkende Decken- oder Wandgeräte. Um die SARS-CoV-2-Viren unschädlich zu machen, bedienen sie sich unterschiedlicher Techniken: Neben Filtern oder UVC-Strahlung setzen die Hersteller Ozon, Elektrofilter, kaltes Plasma oder Ionentauscher ein, um Keime, Bakterien und Viren abzutöten. Manche kombinieren unterschiedliche Techniken, um mehr Sicherheit zu geben. Einige Hersteller haben sich die virenverringernde Wirkung ihrer Luftreiniger von Prüfinstituten bestätigen lassen, andere verweisen darauf, dass es bisher keinen gültigen Prüfstandard gibt.

Prof. Christian Kähler, Physiker und Strömungsforscher >< Foto: privat

Raumgröße zählt

Wichtig bei der Entscheidung für ein Gerät ist nicht nur die eingesetzte Technik, sondern auch die Leistungsfähigkeit gemessen an der Raumgröße. Die Raumgeometrie, Luftströmungen und „Hindernisse“ wie Mobiliar, Lampen und Menschen spielen ebenfalls eine Rolle. Filtergeräte seien im Vergleich günstiger als Raumluftreiniger, die bei gleicher Leistung mit UV-Strahlung oder Ozon arbeiteten. Das sagt der Physiker Dr. Christian Kähler, der als Professor an der Bundeswehruniversität München für mehrere Studien zum Verhalten von Aerosolen in Räumen und deren Desinfektion verantwortlich ist. Er empfiehlt, dass die Geräte mindestens das Sechsfache des Raumvolumens pro Stunde filtern müssen, um die Virenlast in der Luft niedrig zu halten. Ein weiterer Hinweis: Nur Hepa-Filter der Klasse H13 und H14 könnten über 99,95 bzw. 99,995 Prozent der Viren aus dem Luftstrom aufnehmen und somit für ein hohes Maß an Sicherheit vor einer indirekten Infektion bieten. „Filter niedrigerer Klasse wiegen in falscher Sicherheit.“ Bei der Wahl geeigneter Geräte für einen Salon rät Kähler, auch auf die Geräuschentwicklung zu achten. Große Geräte mit langsam laufenden Ventilatoren seien leiser. Mit der Zeit nehme man diese Geräusche nicht mehr wahr.

Kritische Stimmen

Das Umweltbundesamt und die BGW stehen den unterschiedlichen Techniken der mobilen Luftdesinfektionsgeräte kritisch gegenüber. Jede habe bei näherer Betrachtung Nachteile und könne unter Umständen gesundheitliche Schäden auslösen, argumentieren beide Organisationen. Eine Empfehlung für eine bestimmte Technik fehlt deshalb auf den Webseiten. Dennoch sehen sie durchaus den Nutzen mobiler Raumluftreiniger. „Sie können gegebenenfalls raumlufttechnische Anlagen und geöffnete Fenster in kleineren und mittelgroßen Räumen zeitweise ergänzen, um das indirekte Infektionsrisiko in Innenräumen zu reduzieren“, erklärt Dr. Lea Anhäuser. Die Referentin der BGW im Bereich Gefahrstoffe und Toxikologie empfiehlt, unbedingt vor dem Kauf eines Gerätes die Räume mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Lüftungstechnik zu begutachten. Ohne eine Gefährdungsbeurteilung sei der Einsatz eines mobilen Raumluftreinigers nicht zu empfehlen. Bei falschem Einsatz sei die Gefahr einer Infektion möglicherweise höher als zuvor. Anhäuser weist zudem darauf hin, dass die Geräte ausschließlich der Luftreinigung dienen: „Das direkte Infektionsrisiko, etwa durch Anhusten oder längere Gespräche über kurze Distanz, bleibt bestehen.“

Peter Milla, Friseurmeister >< Foto: privat

Zwei Praxisbeispiele

Aller Kritik zum Trotz suchen Saloninhaber händeringend nach Lösungen, um Mitarbeitern und Kunden ein gesünderes Umfeld zu bieten. Peter Milla hat sich bereits vor mehreren Monaten für einen Raumluftreiniger entschieden, der mit kurzwelliger, energiereicher UV­C­Strahlung arbeitet. „Nun habe ich keimreduzierte Atemluft, die Kunden, Personal und mir sicheres Arbeiten erlaubt“, sagt der Friseurmeister aus Gießen. Seine zwei mobilen Luftreinigungsgeräte ziehen stündlich 230 Kubikmeter Raumluft ein, leiten sie an einer UV­C­Leuchte vorbei. Deren Strahlen sollen Keime, Bakterien und Viren abtöten. Die so desinfizierte Luft wird wieder in den Raum geleitet. „Zuverlässige und umweltschonende Entkeimung“, verspricht die Dr. Hönle AG, ein Unternehmen, das auf industrielle UV­Technologie spezialisiert ist. Die Technik der Oberflächendesinfektion per UV-Strahlung kennt Milla bereits aus seiner früheren Tätigkeit als Krankenpfleger in Operationssälen. Rund 2.000 Euro hat Milla angelegt, um in seinem 110 Quadratmeter großen Salon für gesunde Luft zu sorgen. Bei der Wahl der Geräte im August überzeugte ihn der Nachweis der Universität Frankfurt über die Entkeimungswirkung von UVC-Strahlen bei SARS-CoV-2-Viren. „Die im Labor erreichte Abtötungsrate liegt bei 99,99 Prozent auf Oberflächen“, schreibt der Hersteller auf seiner Website. Für Milla zudem wichtig: „Die Geräte können während der ganzen Arbeitszeit laufen.“

Auf das Zertifikat eines Prüfinstitutes achtete auch Dirk Schartenberg, als er sich für einen mobilen Raumluftreiniger entschied, um gesunde Luft in seinem 130 Quadratmeter großen Salon in Hannover zu erhalten. Hauptsächlich dafür gedacht, Räume von Pilzen, Pollen, Schimmeln und Staub zu entlasten, saugt das Gerät seiner Wahl die Raumluft an und leitet sie durch mehrere hintereinanderliegende Filter. Laut Angabe des Herstellers, die Zepter Medical GmbH, werden dabei vom eingebauten Hepa-Filter H 13 auch SARS-CoV-2-Viren aufgenommen und dadurch zu 99,5 Prozent unschädlich. Das habe ihn bei der Suche im Internet und im Austausch mit Kollegen überzeugt, sagt der Friseurmeister. In der Handhabung erweise sich das rund 50 mal 50 Zentimeter große Standgerät unkompliziert und leise. Die Föhne seien lauter.

Sicherheit für Mitarbeiter und Kunden

Wenn auch Milla und Schartenberg das Lüften weiterhin für wichtig halten, so gibt ihnen der Raumluftreiniger zusätzliche Sicherheit. Den Sommer über habe er seine Fenster permanent geöffnet, sagt Schartenberg. Doch könne er im Herbst und Winter weder Mitarbeitern noch Kunden stundenlang kalte Zugluft zumuten. Ökologisch sei stetes Lüften nicht sinnvoll und last but not least seien niedrige Temperaturen bei der Haarbehandlung nicht erwünscht. Dann funktioniere etwa das Blondieren nicht mehr richtig. Schartenberg ist sicher, mit seinem Raumluftreiniger gut über den Winter zu kommen. „Im Mai“, so hofft er, „können wir wieder lüften und brauchen ihn nicht mehr.“