TOP HAIR-Steuerexperte Holger Püschel >< Foto: Jektarina Knyasewa

13.01.2021

Corona und meine Finanzen: Was kann ich tun?

Überbrückungshilfe III ist der Fördermechanismus, der jetzt einsetzt. Doch es läuft schleppend. Unser Steuerexperte Holger Püschel über den Stand der Dinge und was man tun kann.

Holger Püschel ist Steuerberater für mittelständische Unternehmen, darunter viele Friseure. Im 2. Lockdown herrscht in seiner Kanzlei mehr Gesprächsbedarf denn je.

TOP HAIR: Herr Püschel, was raten Sie Ihren Klienten aktuell, wenn es um die Beantragung von Hilfen geht?

Holger Püschel: Ich rate ihnen, die Überbrückungshilfe III und parallel einen KfW-Schnellkredit zu beantragen. Die Sachlage ist die: Im Zuge der Überbrückungshilfe III erhält man 90 Prozent der Fixkosten, man muss aber 40 Prozent Umsatzeinbruch nachweisen (Anmerkung der Redaktion: seit 19.1. muss man nur noch 30 Prozent Umsatzeinbruch nachweisen). Für Dezember werden die allermeisten Betriebe nichts bekommen (Anmerkung der Redaktion: Ebenfalls seit 19.1. gilt die Fördermöglichkeit bereits ab November - wo Friseure allerdings noch geöffnet waren.) Für Januar schon, aber der Antragsweg ist sehr mühsam. Das Portal des Wirtschaftsministeriums erfordert einen großen Erfassungsaufwand. Hinzu kommt: Es muss ein Steuerberater beantragen! Und die Kanzleien sind überlastet. Ausgenommen sind Soloselbstständige, die das Verfahren über ELSTER selbst durchlaufen können. Alle anderen benötigen den Steuerberater, der muss die Fixkosten für die Buchführung für Januar erst mal ermitteln. Vor Mitte Februar kommt es realistischerweise nicht zu einer Auszahlung.

Ich rate deshalb wie gesagt dazu, parallel den KfW-Schnellkredit zu beantragen. Durch die hundertprozentige Haftungsfreistellung der Banken reicht die Bank den Kredit durch, haftet also nicht, und es sollte daher leichter gehen. Doch auch hier: Es kostet Zeit. Denn die Bank braucht einen Plan, was abgedeckt sein soll und sie muss prüfen, ob das Unternehmen vorher schon in Schwierigkeiten war. Machen Sie als Unternehmer was geht, das ist mein Rat!
 

TOP HAIR: Viele sagen, die Überbrückungshilfe III sei ein Tropfen auf den heißen Stein …

Holger Püschel: Da ist leider etwas dran. Die Überbrückungshilfe III deckt lediglich 90 Prozent der Fixkosten. Sie deckt keine Lebenshaltung, keine Krankenkasse, keine private Altersvorsorge, wobei letzteres natürlich in diesen Zeiten etwas ist, was man, wenn auch schweren Herzens, mal zwei Monate aussetzen muss. Doch ehrlicherweise ist es so, dass die Überbrückungshilfe III mit Glück die Hälfte dessen deckt, was man so braucht. Und diejenigen, die keinerlei Rücklagen oder vielleicht auch schon überzogene Konten haben, bekommen Probleme.
 

TOP HAIR: Ist die Stimmungslage unter Ihren Klienten schlechter als im Frühjahr 2020?

Holger Püschel: Der ungewisse Zeithorizont der momentanen Schließung drückt die Stimmung. Man befürchtet einen weitaus längeren Lockdown als im vergangenen Frühjahr. Auch die Betriebe mit Substanz sind frustriert, denn diese Substanz schmilzt dahin und sie dürfen nicht arbeiten. Der Unmut ist absolut verständlich.
 

TOP HAIR: Wie können Sie, auch moralisch, unterstützen?

Holger Püschel: Indem wir vor Augen halten, auf was man als Betrieb jetzt hinarbeiten sollte. Ich sage meinen Klienten, dass wir jetzt keine Schreckensszenarien entwickeln und nicht über Insolvenzen reden wollen. Das betrifft euch jetzt nicht! Denkt darüber nach, was ihr für den ersten Tag der Öffnung machen wollt. Wie sieht meine Preisschiene aus? Wie bereite ich meine Mitarbeiter auf die Öffnung vor, wie setze ich sie ein? Welche, vielleicht veränderte, Leistungen setze ich um? Darauf arbeiten wir hin – auf den ersten Tag der Öffnung.

Und langfristiger gedacht: Sollte ich mir vielleicht mal Gedanken darüber machen, eine GmbH oder UG zu gründen, die den Vorteil hätte, das Privatvermögen besser zu schützen. Denn bei einer solchen Geschäftsform ist die private und geschäftliche Haftung getrennt. Damit stehe ich solch unkalkulierbaren Risiken, wie Corona nicht mehr so ohnmächtig und schutzlos gegenüber. Oder wir gehen mal mit unserem Vermieter ins Gespräch, um über die Laufzeit des Mietvertrages zu reden.  Denn auch hier kann man ansetzen, da langfristige Mietverträge, teils über zehn Jahre, einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Wichtig ist, nicht zu verzweifeln, sondern sich zu fragen: Was lerne ich und wie kann ich mich verändern?

Interview: Susanne Vetter