Kritiker warnen vor zu früher Öffnung der Salons. Foto: Melanie Fredel

29.01.2021

Initiative #NurSicherBeimFriseur hat nicht nur Befürworter – Angst vor verfrühter Öffnung

Zwölf namhafte Friseurunternehmer haben sich zusammengeschlossen und unter #NurSicherBeimFriseur eine Petition für die Wiedereröffnung der Salons gestartet. Dieser Vorstoß brachte ihnen nicht nur positive Rückmeldungen von Friseuren ein. Wir haben mit Kritiker Mikael Ahlmeyer gesprochen, der eine Öffnung derzeit für den falschen Weg hält.

„Ich verstehe es einfach nicht. Für schnellere, bessere Hilfen kämpfen... JA! Aber so zu tun als sei der Friseur der sicherste Ort auf Erden, das können leider nur medizinische Laien!

Wir befinden uns in einer Naturkatastrophe. Eine Pandemie. Dagegen kann man nicht ‚kämpfen‘. Und wenn, dann nur, in dem Kontakte reduziert werden. Dieser öffentliche Druck sorgt jetzt dafür, dass in der Öffnungsdebatte die Vernunft vergessen wird. Schade. Ich als Unternehmer mit Verantwortung für Team und Kunden stelle mich ganz klar gegen eine verfrühte Öffnung!“

Diese Zeilen postete Friseurunternehmer Mikael Ahlmeyer unter den TOP HAIR-Post auf Facebook, der auf die Petition verweist. Und bekam dafür viel Zuspruch.
„Ich finde die Aktion generell nicht schlecht“, erklärt Ahlmeyer im Gespräch mit TOP HAIR. Ihm kommen nur die immer noch hohen Covid-19-Fallzahlen in der Diskussion zu kurz. „Das weckt Hoffnungen bei Friseuren, die dann wieder enttäuscht werden.“ Er möchte lieber für eine schnelle, unbürokratische Finanzhilfe einstehen und wünscht sich einen Stufenplan zur Öffnung der Friseursalons: „Ich kann mir total gut vorstellen, dass man die Salons bei einem Inzidenzwert ab X, für mich wäre das bei unter 50 oder sogar unter 25, wieder öffnet“, erklärt Ahlmeyer. "Zuletzt wurde bei einer Inzidenz unter 10 geöffnet! Bei einem erneuten Anstieg über 50 muss wieder geschlossen werden..... das muss den Leuten ja klar sein. Eine zu schnelle Öffnung wäre der größere Schaden."

„Wir dürfen nicht aus einer Notlage heraus öffnen“, so der Unternehmer. Seine Angst: „Der Druck, den die Friseure jetzt machen, kann bei den Verantwortlichen aus der Politik dazu führen, dass zu früh geöffnet wird. Es gibt gerade nichts unwichtigeres als schöne Haare – und das sage ich, obwohl ich leidenschaftlich gerne Friseur bin.“

Austausch im Clubhouse

Lars Nicolaisen, Mitinitiator der Inititivae #NurSicherBeimFriseur, hatte die Kritiker, die sich auf den TOP HAIR-Post zu Wort gemeldet hatten, zu einem Clubhouse-Talk eingeladen.
Michael Ahlmeyer war einer von ihnen, der die Einladung dazu angenommen hat. Nach dem Austausch sagt Ahlmeyer: „Wir sind da ja grundsätzlich auf einer Linie. Für viele kam das, was die Initiative fordert so an, als wolle man jetzt sofort öffnen. Im Gespräch wurde dann aber doch klar, dass auch sie einen Stufenplan und die Öffnung fordern, wenn die Zahlen das zulassen.“

„Es wurde ein Stück weit missverstanden“, gibt auch Marc Breckwoldt, geschäftsführender Gesellschafter bei Ryf und Mitinitiator zu. „Natürlich sind wir auch nur für eine Öffnung der Salons, wenn die Pandemielage handlebar ist“, sagt er im Gespräch mit TOP HAIR. „Selbstverständlich haben wir Existenzängste. Die Idee dieser Initiative war, was wir als Friseure tun können, um Zahlen herunterzukriegen. Dazu können wir einen Beitrag leisten, indem Friseurdienstleistungen hygienisch sicher im Salon stattfinden.“

Dass jeder seinen Beitrag – auch finanziell - zur Pandemie leisten muss, das sieht auch Mikael Ahlmeyer so, und weiß, dass das viele nicht hören wollen. Ahlmeyer, der eine von Grund auf optimistische Lebenseinstellung hat, geht auch jetzt ganz fest davon aus, dass die Branche Hilfe erhält: „Das kommt schon noch. Es wurde doch von Anfang an gesagt, dass da nichts vor Mitte Februar kommt.“

Für 2. Lockdown vorgesorgt

Ahlmeyer ist nicht nur optimistisch, sondern hatte im Frühjahr 2020 auch sehr vorausschauend agiert: Er hatte nach dem ersten Lockdown für die 2. Welle vorgesorgt und im April bei der KFW einen Kredit aufgenommen – obwohl er ihn damals nicht nötig hatte. „Das ging unkompliziert und auch die Hilfen im 1. Lockdown haben gut funktioniert. Ich finde nicht, dass alles schlecht ist“, sagt der Unternehmer, dem bewusst ist, dass das bei anderen vielleicht nicht so gut funktioniert hat. Auch dem vergangenen Jahr kann er durchaus etwas Positives abgewinnen: „Der Teamzusammenhalt wurde gestärkt, wir haben die Zeit genutzt und den Salon renoviert, die erhöhten Hygienemaßnahmen werden wir auch nach der Pandemie beibehalten.“ Wirtschaftlich gesehen war für ihn das Jahr 2020 das erfolgreichste Jahr seit 13 Jahren – trotz Pandemie. „Ich fühle mich in Deutschland sehr sicher und hier muss keiner auf der Straße sitzen“, sagt Ahlmeyer: „Und hier hat auch niemand vor, uns oder eine andere Branche sterben zu lassen. Für uns ist die Pandemie, die Chance, endlich unsere Preis so zu kalkulieren, dass man auch zukünftig Krisen trotzen kann." Auch die Wahl der Geschäftsform könne hier einen Beitrag leisten, rät der Unternehmer: "Eine GmbH ist deutlich Krisensicherer und hilft auch dabei seine Finanzen im Blick zu behalten."
In der ganzen Debatte in der Branche wünscht sich Mikael Ahlmeyer weniger Falschinformationen und mehr positive Energie statt nur Schwarzmalerei.

Unterstützung von Rechtsanwalt

18.860 Unterschriften (Stand 29.1. 10.37 Uhr) konnten mit der Aktion #NurSicherBeimFriseur bereits gesammelt werden. 50.000 werden benötigt, um die Petition im Parlament einreichen zu können. Unterstützung hat die Initiative inzwischen von einem Rechtsanwalt erhalten. Rechtsanwalt Christof Wieschemann schreibt dazu:

„Die BGW ermittelt jährlich die Anzahl der meldepflichtigen BK-Verdachtsfälle, die im BGW Magazin publiziert und auf der Homepage veröffentlicht werden. Im Zusammenhang mit eigenen Recherchen haben WIESCHEMANN Rechtsanwälte aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes die bisher unveröffentlichten Informationen über das Infektionsgeschehen angefragt und unverzüglich aus der Hauptverwaltung in Hamburg erhalten. Das Ergebnis verblüfft. Offensichtlich sind die Friseurbetriebe kein relevantes Infektionsumfeld und ihre Schließung zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung nicht erforderlich, eigentlich noch nicht einmal geeignet, weil mit der Schließung die Dynamik der Pandemie nicht beeinflusst werden kann. Dort finden Infektionen offensichtlich nicht statt.“

[Quelle: https://wieschemann.eu/friseure-covid-19-hygienekonzepte-wirken-nur-nicht-gegen-schliessung/]

Dem pflichtet Marc Breckwoldt bei: „Von Mai bis Dezember hatten wir in unseren Ryf-Salons fast 400.000  Kunden. Nur drei Mal wurden wir vom Gesundheitsamt angerufen und darauf hingewiesen, dass ein Kunde positiv auf Corona getestet wurde.“ Mit Verweis auf unmoralische Angebote von Kunden und die Schwarzarbeit fügt er hinzu: „Wir sind die einzige Branche, in der die Schließung kontraproduktiv wird.“

Michael Ahlmeyer sieht Studien, die besagen, man stecke sich im Salon nicht an, zwiegespalten: "Wir wissen bis heute nicht wirklich, wo die Menschen sich anstecken." 
Sollte der Lockdown für die Friseure mit dem 15. Februar enden, so wird auch Mikael Ahlmeyer, der mit seinem neunköpfigen Team bereits seit Sommer ausschließlich mit FFP2-Masken gearbeitet hat, seinen Salon wieder öffnen: „Wenn wir wieder öffnen dürfen, fällt auch das Kurzarbeitergeld für uns weg. Dann werden wohl auch wir wieder öffnen.“

 

In seinem aktuellen Podcast "Nunmaldeutlich" spricht Lars Nicolaisen auch über #NursicherbeimFriseur.