Foto: Egbert Krupp

18.04.2019

Ärger um Barbershops

Immer mehr Barbershops bieten offziell traditionelle Bartpflege an, ihr Angebot umfasst oft de facto alle Friseurdienstleistungen für den Mann. Sehr zum Ärger der Friseure, denn jeder darf sich auch ungelernt als Barber selbstständig machen. Aber auch Barbiere sind an Handwerksordnung und (Sozial-)gesetze gebunden.

Es ist ein großes Aufreger-Thema in der Branche: Immer mehr kleine Barbershops bieten – offziell – traditionelle Bartpflege an, ihr Angebot umfasst aber de facto alle Friseurdienstleistungen für den Mann. Andreas Baer von der Handwerkskammer Halle/Saale erklärt: „Barber ist kein geschützter Begriff. Daher muss niemand, der als solcher tätig ist, eine Befähigung nachweisen. Für Nicht-EU-Ausländer gilt einzig die Einschränkung, dass sie in Deutschland einen Aufenthaltstitel und eine Gewerbeerlaubnis haben müssen.“
So großzügig der Schritt in die Selbstständigkeit gehandhabt wird, so eng gesetzt sind die Grenzen der erlaubten Tätigkeiten. Denn die Dienstleistungen, die ein solcher Barber anbieten darf, sind klar umrissen. Andreas Baer dazu: „Er darf Nasen- und Ohrenhaare entfernen – auch mit orientalischen Methoden. Er darf die Augenbrauen in Form bringen. Und natürlich darf er auch rasieren und den Bart trimmen. Er darf alles bis zu den Koteletten.“ Nicht jeder hält sich daran. Was aber darüber hinaus geht, ist „unerlaubte Handwerksausübung“ und kann ein Bußgeldverfahren nach sich ziehen, so Andreas Baer.

Guido Bösherz, Foto: Lichtschacht Essen

Zoll soll regelmäßig prüfen

Für Guido Bösherz, Friseurmeister und Inhaber eines klassischen Barbiersalons in Essen, ist schon diese Regelung ein Ärgernis. Er betont, dass bereits die Rasur eine friseurnahe Tätigkeit sei und also in die Hände des Fachmanns gehöre. „Wir lernen in der Ausbildung den Aufbau der Haut, die Beschaffenheit, ihre Pflege kennen. Das gehört zu einer professionellen Bartpf lege dazu“, erklärt er.
Guido Bösherz beherrscht alle Haarschneide-Techniken, mit dem Messer, mit Schere und Maschine, und kann seinen Kunden garantieren, dass er ihre Wunschfrisur kreiert. Er plädiert für einheitliche Standards: Wer eine Ausbildung hat, solle gerne in seinem Beruf arbeiten; wer den Meisterbrief in der Tasche hat, dürfe sich auch gern selbstständig machen. Und er fordert, dass die Handwerkskammern mit regelmäßigen Betriebsprüfungen sicherstellen sollten, dass diese Regelungen nicht unterlaufen werden.
Matthias Moser, Landesgeschäftsführer des Fachverbands Friseur und Kosmetik Baden- Württemberg, unterstützt das: „Andernfalls machen wir den Meistertitel kaputt!“ Er freue sich über ein breites Angebot im Markt – wenn mit gleichen Mitteln gekämpft werde.

Zur Prüfung von Betrieben ist auch der Zoll zuständig, Abteilung FKS, Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Er überprüft initiativ oder Hinweisen folgend Personal und Arbeitsbedingungen, ob etwa die Mitarbeiter ordentlich angemeldet sind und ob Mindestlöhne gezahlt werden. Markus Funke, Sachbearbeiter Prüfung und Ermittlung beim Hauptzollamt Dortmund: „Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse werden im Nachgang mit den Geschäf tsunterlagen des Betriebes verglichen.“
Treten bei der Prüfung von u. a. Stundenaufzeichnungen, Lohn- und Meldeunterlagen Unregelmäßigkeiten auf, so werden Ermittlungsverfahren eingeleitet, mit Zeugenvernehmungen und, wenn nötig, Durchsuchungen.

„Nach Feststellung und Auswertung aller Unterlagen wird das Ergebnis bei Straftaten der zuständigen Staatsanwaltschaft zugeleitet, bei Ordnungswidrigkeiten der zuständigen Bußgeldstelle im Haus“, führt Markus Funke aus. Selbstverständlich arbeite man dabei mit anderen Behörden, beispielsweise Melde- und Sozialämtern, zusammen.

Verräterische Niedrigpreise

Rainer Schmauder, Inhaber des Familienfriseurs Schmauder in Pfullendorf und Obermeister der Friseurinnung Sigmaringen, hält die Zahl der Kontrollen durch den Zoll für längst nicht ausreichend. Er beobachtet den Markt sehr genau und wünscht sich im Interesse all der weißen Schafe eine regelmäßigere und genauere Überprüfung der Branche: „Ich kämpfe vehement gegen illegale Geschäfte, die ohne ausgebildeten Meister Friseurdienstleistungen anbieten.“ Er selbst kümmert sich seit Jahren ausschließlich um die männlichen Kunden und gerne um ihre Bärte, war Bart-Weltmeister und darüber hinaus verantwortlich für die Bärte von weiteren sechs Weltmeistern.
Schon ein Blick auf die Preisliste, sagt Rainer Schmauder, gebe klare Hinweise, ob in einem Salon oder beim Barber alles mit rechten Dingen zugeht: „Wir leisten sehr gute Arbeit, und die hat ihren Preis. Niedrige Preise, irgendwo zwischen 10 und 18 Euro, sind möglicherweise der Grund, dass die Barber-Shops derartig zahlreich sind und ständig neue aufmachen.“ Jürgen Fritz, Geschäftsführer des Bereichs Recht bei der HWK Köln, bestätigt, dass die Zahl problematischer Betriebe wächst. Konkreten Hinweisen, sagt er, gehe man nach. Er wünscht sich eine Aufstockung des Personals bei Ordnungsämtern und Zoll. Laut tagesschau. de ist das bereits beschlossen: Demnach sind 3.500 neue Stellen geplant, mit mehr Befugnissen.

Schritt zum legalen Salon ist möglich

Fehlenden Gewerbezulassungen begegnen die Handwerkskammern mit Realismus und Lösungsansätzen. Dazu erläutert Andreas Baer: „Die Handwerkskammer will niemandem die Lebensgrundlage entziehen. Vielmehr bietet sie Möglichkeiten, den Betrieb zu legalisieren.“ So kann ein Ausnahmebewilligungsbescheid erlassen werden, wenn man fundierte Friseurkenntnisse mitbringt und in einer „Fachkundeprüfung“ nachweist, dass man die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Gesellen im Friseurhandwerk besitzt. Sein Kollege, Rechtsberater Andreas Dolge, ergänzt: „Eine Ausnahmebewilligung wird regelmäßig mit der Auflage verbunden, die Meisterprüfung innerhalb von maximal drei Jahren zu absolvieren. Diese Frist kann ausnahmsweise und auf Antrag verlängert werden, wenn der Betreffende sie ohne Eigenverschulden nicht einhalten kann.“ Werden die Auf lagen nicht erfüllt, erlischt diese Bewilligung. „Was nicht zwangsläufg das Aus für den Betrieb bedeutet, denn der Inhaber kann immer noch eine Person einstellen, die über die Eintragungsvoraussetzung, etwa den Meisterbrief, verfügt“, so der Jurist. Auch kann er einen sogenannten Altgesellen beschäftigen, der mindestens sechs Jahre als Geselle, davon vier Jahre in verantwortlicher Position gearbeitet hat.
Sind damit alle Schwierigkeiten ausgeräumt? Ist der angestellte Meister das Deckmäntelchen, um in alter Weise weiterzumachen? Darf nun jeder Mitarbeiter alle Friseurdienstleistungen anbieten? Ganz so einfach natürlich nicht! Andreas Dolge: „Es müssen zwar nicht alle Friseurleistungen vom Friseurmeister selbst ausgeführt werden, doch muss er die Aufsicht haben über die fachgerechte Ausführung.“

FAQ zur Rechtslage beim Barbier

Wer darf als Barber arbeiten?
Jeder, es ist kein geschützter Begriff.

Welche Dienstleistungen darf ein Barber anbieten?
Er darf rasieren und den Bart trimmen – alles bis zu den Koteletten, nichts darüber hinaus, Nasen- und Ohrenhaare entfernen und Augenbrauen in Form bringen.

Welche Strafen drohen?
Es können Bußgelder bis zu 10.000 Euro verhängt werden.

Und wenn er doch als Friseur tätig werden möchte?
Wer die Kenntnisse eines Gesellen nachweist, kann mit einem Ausnahmebewilligungsbescheid das Geschäft betreiben. In max. drei Jahren hat er die Meisterprüfung abzulegen – oder einen Meister oder Altgesellen einzustellen, der fachgerechtes Arbeiten sicherstellt.

Lesen Sie hier, wie das Verwaltungsgericht Düsseldorf über einen Barbier geurteilt hat.