Friseur Andreas Ehrle aus Tübingen >< Foto: ase

18.03.2021

Testpflicht in Tübingen: Super Idee, aber für Friseure verbesserungswürdig

Andreas Ehrle ist Friseur in Tübingen. Seit Montag, 15.3., gibt es dort eine Testpflicht, auch für den Friseurbesuch.

Zunächst möchte Andreas Ehrle klarstellen: Die Idee des Tübinger Oberbürgermeisters, eine Testpflicht einzuführen, hält er für richtig. „Herr Palmer macht einfach, ist innovativ und möchte den Einzelhandel retten. Das ist in der Pandemie extrem wichtig“, sagt Andreas Ehrle. Das System sei aber nicht komplett durchdacht und für Friseure nicht geeignet.

TOP HAIR: Herr Ehrle, wie läuft das Testen in Tübingen genau ab?
Andreas Ehrle:
An momentan acht Stationen in der Stadt können sich Menschen kostenlos testen lassen und erhalten dann ein Tagesticket. Bei manchen Stationen funktioniert das mit Termin, bei manchen muss man eben mitunter eine Stunde anstehen. Die Grundidee ist super – wenn man vorhat, im Modehaus shoppen zu gehen.

TOP HAIR: Mit einem festen Termin beim Friseur ist das schwierig, oder?
Andreas Ehrle:
Genau! Unsere Bücher sind grad sauvoll und dafür bin ich dankbar. Doch das Testkonzept funktioniert für uns nicht. Wenn eine Kundin um 9 Uhr bei mir einen Termin hat, müsste sie jetzt einplanen, vorher zur Teststation zu gehen, mit einem weiteren Termin oder dort Schlange stehen. Oder wenn eine Mutter ne Stunde weg kann für ihren Friseurtermin, wie soll sie sich dann noch die Zeit für einen Test freischaufeln. Die Idee ist einfach nicht ausgereift für Friseure.

Momentan testen wir jetzt selbst. Die Stadt Tübingen hat dafür Spendengelder zur Verfügung gestellt und wir erhalten die Tests über unsere Innung. Das ist ein toller Service. Wir nehmen die Pandemie ernst, testen unsere Mitarbeiter und die Kunden. Das gehört zum Service. Doch das kostet unheimlich viel Zeit, für Friseure mit vollem Terminbuch ist das einfach nicht praktikabel.

TOP HAIR: Wie könnte es anders laufen?
Andreas Ehrle:
Es gibt so viele Freiwillige, die helfen wollen: Rentner, Hausfrauen und auch Arbeitslose. Man könnte diese Menschen für die Testung einsetzen. Die Stadt sollte solche Menschen schulen, ihnen einen kleinen Beitrag zahlen – auch ich würde etwas dafür drauf legen – und sie für die Tests vor den Salons einsetzen. Speziell dafür geschulte Menschen, das würde auch unseren Kunden ein gutes Gefühl geben!

Wir brauchen hier auf jeden Fall Unterstützung. Wie gesagt, die Idee ist super, das finden auch andere Städte und es wird vielleicht bald auch anderswo umgesetzt. Aber es muss anders umgesetzt werden, sonst schädigt es unsere Branche dauerhaft.

TOP HAIR: Was denken Sie, wie es weitergeht und was wünschen Sie sich?
Andreas Ehrle:
Ich muss sagen, ich habe schon Angst vor einem 3. Lockdown, denn das werden viele Betriebe wirklich nicht mehr überleben. Im Mai feiern wir unser 20-Jähriges. Ich sage meinen Kunden: Ich kann dir nicht garantieren, dass ich dann noch da bin aber ich werde alles dafür tun. Meine Oma war ihr Leben lang Friseurin, ich bin es ihr schuldig, dass wir zumindest unser 20. Jahr noch feiern - auch wenn kein Kunde in den Laden kommen darf!