Cristian Canthal, General Manager von Kao Salon DACH & CZ, im Gespräch mit Rebecca Kandler, TOP HAIR >< Foto: Markus Hildebrand / Kao Salon Division

17.11.2022

Cristian Canthal: Der neue Kao-Chef spricht über Wege aus der Krise

Zum 1. Juni 2022 übernahm Cristian Canthal die Geschäftsführung von Kao Salon DACH. Wir sprachen mit ihm über Mitarbeitermangel, Kundenbetreuung, Nachhaltigkeit und seine Sicht auf die Zukunft der Friseurbranche.

In der Branche ist Canthal kein Unbekannter: Für Wella verantwortete er u. a. das globale Farbmarketing, dann die Region Nordic. Nach einem „Ausflug“ ins Bäder- und Sanitärgeschäft ist er nun zurück im deutschen Friseurmarkt.

TOP HAIR: Was ist so besonders an der Friseurbranche, dass so viele wiederkommen? Und wie erleben Sie den deutschen Friseurmarkt zurzeit?
Cristian Canthal: Ich bin sehr froh, wieder hier zu sein, weil ich den besonderen Spirit der Friseurbranche vermisst habe. Den gibt’s in anderen Branchen so einfach nicht. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Pandemie und Lockdowns waren mit Sicherheit schwierig, haben aber auch Innovationen und neue Ideen hervorgebracht. Viele haben die Zeit genutzt, ihr Salonkonzept und ihr Marketing zu überdenken und sich z. B. auf Social Media komplett neu aufgestellt. Das wird ja nicht nur in der Kommunikation mit Kunden immer wichtiger, sondern auch, um junge Leute auf sich aufmerksam zu machen und Nachwuchs zu gewinnen.

TOP HAIR: Gute Mitarbeiter zu finden, ist nach wie vor für viele Salons die größte Herausforderung. Sehen Sie Lösungen?
Cristian Canthal: Ein wichtiger Punkt ist sicher: Wie positioniere ich mich attraktiv? Denn wenn ich als junger Mensch irgendwo arbeiten will, dann schau ich natürlich erst mal im Internet, wie schaut der Salon aus, haben die Spaß im Team? Ist der Salon nachhaltig aufgestellt? Was gibt es für Arbeitszeit-Modelle? Ich glaube, das zieht junge Leute an. Da müssen auch wir als Industriepartner unsere Konzepte überdenken. Was Kao da macht, finde ich extrem zukunftsorientiert und großzügig: Unsere Mitarbeiter dürfen jederzeit zu Hause arbeiten. Wenn es jemand gibt, der sagt, ich wohne in Berlin, will aber trotzdem für Kao arbeiten, dann geht das. Das schafft uns Zugang zu einem größeren Markt und neuen Talenten.

TOP HAIR: Für Friseure funktioniert das nicht ...
Cristian Canthal: Natürlich. Aber auch hier gilt es, über Konzepte nachzudenken. Ich glaube, viele Salons bieten weiterhin ähnliche Leistungen zu ähnlichen Öffnungszeiten, zu ähnlichen Preisen. Da steh ich im direkten Umfeld in einem harten Wettbewerb. Sich da abzugrenzen, schafft Luft. Wenn ich z. B. einen Salon in Frankfurt habe, wo viele Kunden im Büro arbeiten, die nicht zu normalen Zeiten in den Salon gehen können, muss ich einfach mal darüber nachdenken, meinen Laden zu Vor-Büro-Zeiten oder Nach-Büro-Zeiten aufzumachen, um ein attraktives neues Angebot zu haben – für Kunden und für Mitarbeiter.

TOP HAIR: Das klingt jetzt mehr nach „Chancen durch die Krise“ als nach Bedrohung ...
Cristian Canthal: Ich glaube, die Bedrohung muss man auf jeden Fall ernst nehmen. Aber wir haben auch gesehen, dass bei vielen Salons die Krise sehr viel Mut und Bereitschaft für Veränderung hervorgebracht hat. Hier gilt es Wissen künftig noch besser zu teilen.

TOP HAIR: Auch die Industrie hat ja mit steigenden Kosten zu kämpfen. Was kommt da auf die Salons zu? Gibt es Preiserhöhungen?
Cristian Canthal: Selbstverständlich haben wir wie alle anderen steigende Kosten und durch Lockdowns und geschlossene Häfen Probleme mit den Lieferketten. Wir versuchen die Auswirkungen durch innovative Verfahren beim Verpackungsprozesss und in der Logistik so gering wie möglich zu halten, aber wir werden auch nicht umhin kommen, einen Teil der Kosten weiterzugeben.

TOP HAIR: Können Sie da konkreter werden?
Cristian Canthal: Wir hatten im August eine moderate Preiserhöhung von 2 Prozent – auch da lag die Inflation schon bei knapp 8 Prozent. Ich denke, wir werden im nächsten Jahr wieder etwas im einstelligen Bereich machen müssen. Aber wir werden das fair verteilen und versuchen, durch eigene Effizienz soviel wie möglich einzusparen.

TOP HAIR: Was heißt das für den Außendienst? Wird da die Schraube angezogen?
Cristian Canthal: Wir haben keinerlei Einsparungen beim Außendienst geplant. Der Außendienst ist unsere Stärke: Ich bin viel mitgefahren in den ersten Monaten, um Kunden kennenzulernen. Das wurde mir das immer wieder bestätigt: „Ihr seid da, ihr helft uns.“ Dieses authentisch Menschliche zeichnet nicht nur unseren Außendienst aus, sondern das komplette Team.

TOP HAIR: Seit Jahren gibt es bei Kao-Initiativen in Richtung Nachhaltigkeit, sowohl was die Salons angeht, als auch die eigene Produktion. Warum hört man so wenig darüber?
Cristian Canthal: Da geb ich Ihnen absolut recht. Wir müssen lauter werden und gezielter kommunizieren, was wir alles tun. Es passt ja wirklich gut zu Kao: Wir machen das Leben schöner, und der Planet, die Menschen spielen immer eine große Rolle. Letzlich geht es stets um die 3 großen R: reduce, reuse, recycle – reduzieren, wiederverwenden und recyceln.

TOP HAIR: Oft hört man: Nachhaltigkeit muss man sich leisten können. Wie unterstützen Sie Ihre Salonkunden dabei, das Thema umzusetzen?
Cristian Canthal: Nachhaltigkeit muss nicht immer mehr kosten, Nachhaltigkeit kann auch Kosten sparen. Wir haben z. B. unser Dosensystem für Farben. Haarfarbe aus der Dose lässt sich genauer dosieren, und die Dosen lassen sich besser vollständig entleeren als Tuben. Das produziert signifikant weniger Abfall. Einige unserer Produktlinien z. B. Colorance oder die Marke KMS sind schon komplett klimaneutral. Die Reduzierung von Emissionen hat bei uns Priorität. Unvermeidbare Emissionen gleichen wir durch die Unterstützung von Umweltprojekten aus. Grundsätzlich sind die Salons ein wichtiger Bestandteil unserer Nachhaltigkeitsstrategie, wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck kontinuierlich verbessern wollen. Hierbei starten wir gerade in Deutschland mit der Aktivierung unserer Salons, klimaneutral zu werden.

TOP HAIR: Was sind Ihre nächsten Schritte? Wo wollen Sie mit Ihren Marken hin – nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit?
Cristian Canthal: Unser Fokus wird weiter auf Farbe liegen – mit einem einzigartigen Portfolio, das sich uns von unseren Mitbewerben abhebt. Und auf Oribe, aus meiner Sicht die einzig wahre Luxusmarke im professionellen Segment. Da wird alles mit viel Liebe zum Detail gemacht. Gerade in der Krise erweisen sich Luxusmarken als deutlich resilienter und stabiler. Der sog. „Red-Lipstick-Effekt“ ist ja ein nachgewiesenes Phänomen. Wenn die Leute am Großen sparen, dem Urlaub oder dem neuen Auto, gönnen sie sich gern den kleinen Luxus. Nachhaltigkeit bleibt ein großes Thema. Diese drei Themen gut zu kommunizieren, richtig umzusetzen und weiterzuentwickeln, ist mein Ziel. Natürlich stehen die Friseure dabei immer im Mittelpunkt. Denn um ihren Erfolg geht es!

TOP HAIR: Was wird oder muss sich im Friseurmarkt in den nächsten Jahren ändern?
Cristian Canthal: Nach der Krise werden wir viele unterschiedliche Salonkonzepte haben, vielleicht sind ganz andere dabei als bisher. Wir als Industrie müssen die Plattform bieten, dass die guten Ideen vielen Friseuren zugänglich werden. Wir wissen: Es ist eine megatolle Branche, Das Image muss aber deutlich besser werden. Nirgends hat man so viele Möglichkeiten wie als Friseur. Das macht diesen wunderschönen Beruf aus. Und das müssen wir nach außen tragen!

Zur Person

Cristian Canthal

  • Verheiratet, 3 Kinder
  • Staatsbürgerschaften: deutsch und peruanisch
  • Abitur in Lima 1989
  • BWL-Studium an der European Business School
  • 1994: Erster Job im Vertrieb von Medizinprodukten
  • 1997– 2005: Marketing in der Gillette-Gruppe
  • 2006: Einstieg bei Wella als Head of Selective Brands A (Sebastion, SP, Sassoon) für Asien und Lateinamerika
  • 2006– 2016: Weitere regionale und globale Funktionen bei Wella, globales Marketing für Farben, Geschäftsführer Nordic
  • 2016– 2018: Gründung Coty Landesgesellschaft Nordic und Rückkehr nach Deutschland
  • 2019– 2022 Globales Marketing bei Villeroy & Boch, Verantwortung für den Bereich Bad und Wellness
  • Juni 2022: Rückkehr in die Friseurbranche als General Manager DACH/CZ für Kao Salon