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11.10.2018

Skandal um verbindliche Azubivergütungen für Friseure

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft verhindert verbindliche Azubivergütungen für Friseure. Verärgerung beim Landesinnungsverband Bayern und Ver.di.

Mit großem Unverständnis reagieren die bayerischen Friseure auf eine Entscheidung im Tarifausschuss des bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums. Die branchenfremden Arbeitgebervertreter haben dort eine verbindliche Regelung der Ausbildungsvergütung für die knapp 4.000 Friseurazubis in Bayern abgelehnt.

Der Landesinnungsverband des bayerischen Friseurhandwerks (LIV Bayern) und die Gewerkschaft ver.di hatten im Frühjahr einen Tarifvertrag über die Ausbildungsvergütungen abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag sollte nun durch den Tarifausschuss für allgemeinverbindlich erklärt werden und damit für alle Friseurauszubildenden in Bayern gelten. Das sei im Moment vom Tisch, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung des LIV Bayern und Ver.di. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) verhindere mit ihrer Entscheidung flächendeckend bessere Ausbildungsvergütungen im Friseurhandwerk. Die Vertreter der vbw im Tarifausschuss des Arbeitsministeriums ignorierten mit der Ablehnung den Willen der Arbeitgeber und Beschäftigten im Friseurhandwerk und stimmten gegen den gemeinsamen Antrag von Landesinnungsverband und Gewerkschaft.

Der Tarifausschuss ist paritätisch von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite besetzt. Die Arbeitnehmerseite hat den Antrag auf die Allgemeinverbindlichkeit unterstützt.

Die Reaktionen von Landesinnungsverband und Gewerkschaft sind eindeutig: „Es ist ein Skandal und menschenverachtend, dass die Vertreter der Wirtschaft Dumping und Verschlechterung der Ausbildung unterstützen und rechtlich legitimieren“, so Kai Winkler, Vertreter der Gewerkschaft ver.di. „Gute Ausbildungsvergütungen, so wie wir sie im Tarifvertrag vereinbart haben, sind auch der Schlüssel für eine hochwertige Ausbildung im Friseurhandwerk. Die Entscheidung des Tarifausschusses ist für uns völlig unverständlich“ betont Christian Kaiser, Landesinnungsmeister des bayerischen Friseurhandwerks. Jetzt prüfen Landesinnungsverband und Gewerkschaft das weitere Vorgehen.


Wir haben Doris Ortlieb, Geschäftsführerin des Landesinnungsverbands des bayersichen Friseurhandwerks dazu befragt:

TOP HAIR: Ist so eine Ablehnung zum ersten Mal passiert?
Doris Ortlieb:
Im vergangenen Vierteljahrhundert ist keiner unserer Anträge auf Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages abgelehnt worden.

TOP HAIR: Aus welchem Grund wurde der Antrag von der vbw abgelehnt?
Doris Ortlieb: Die Bundesregierung will eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz verankern. Uns wurde im Vorfeld angedeutet, dass man mit einem quasi freiwilligen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag nicht einer gesetzlichen Regelung vorgreifen wolle. Sprich, man will keine Marke setzen, wohin die Reise für die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung gehen soll.

TOP HAIR: Ist die Tarifautonomie der Friseure künftig komplett der Willkür der Politik ausgesetzt?
Doris Ortlieb: Das ist genau das, was wir verhindern wollen. Wir können die Entscheidung der vbw, unseren Antrag auf Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit abzulehnen, überhaupt nicht nachvollziehen. Wir denken: Gerade, weil der Gesetzgeber dieses Vorhaben „gesetzliche Mindestausbildungsvergütung“ plant, müssen die Tarifparteien gestärkt werden. Um zu zeigen: Wir als Berufsgruppe Friseure sind in der Lage, das selbst für uns zu regeln. Wir wollen keinen Eingriff des Gesetzgebers, da man nicht alle Branchen über einen Kamm scheren kann.

Auch für Jörg Müller, den Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, ist die Situation nicht nachvollziehbar.

Er sagt gegenüber TOP HAIR: "Mehr als unglücklich ist, dass der Ausschuss die besondere Marktsituation und kleinbetriebliche Branchenstruktur des Friseurhandwerks offensichtlich unzureichend berücksichtigt hat. Ich bin überzeugt, dass sich aufgrund dieser besonderen Strukturen im Friseurhandwerk sehr wohl eine Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse begründen lässt. In anderen Tarifgebieten hat man diesen Aspekten sehr wohl Rechnung gezollt. Wir werden uns mit den bayerischen Kollegen beraten und weiter unterstützend einwirken."