17.06.2024

Ministerpräsident Weil als Praktikant im Friseursalon

In die für ihn ungewohnte Rolle eines Praktikanten schlüpfte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil kürzlich im Salon von Oliver Bremer in Wardenburg und lernte so die Branche von einer ganz anderen Seite kennen.

Volle vier Stunden nahm sich Stephan Weil trotz gefülltem Terminkalender Zeit und ließ sich von Oliver Bremer und seinem Team in die Friseurbranche einführen. Angefangen beim professionellen Haarewaschen bis hin zur Königsdisziplin Dauerwelle - der niedersächsische Ministerpräsident zeigte neben großem Interesse wohl auch Talent. „Dauerwelle war definitiv technisch die schwierigste Übung“, sagte Stephan Weil. Geübt hatte er diese an einem Übungskopf – sehr zur Erleichterung der Kund*innen, die sich aber von ihm, unter Aufsicht natürlich, den Ansatz färben und die Haare mit der Maschine schneiden ließen. „Ich habe eine Menge gelernt und es hat viel Spaß gemacht“, sagte er nach Beendigung seines Kurzpraktikums. „Ich war schon in vielen Berufen und heute bin ich zum ersten Mal beim Friseur als Friseur“, sagte er.

Wie es überhaupt dazu kam, dass ein Ministerpräsident als Praktikant beim Friseur arbeitet, hat uns der Inhaber des Salons, Oliver Bremer, im Interview erzählt.

TOP HAIR: Das ist ja nicht alltäglich, dass ein Ministerpräsident ein Praktikum machen möchte. Wie ist das zustande gekommen?
Oliver Bremer: Herr Weil hatte vor einiger Zeit mal ein Projekt, bei dem er in verschiedene Berufe reingeschnuppert hat. Eigentlich macht er das aber gar nicht mehr. Als wir ihn dann mit mehreren Obermeistern der Innung Oldenburg in Hannover bei einem Termin getroffen haben, hat er von dem Projekt erzählt und gesagt, er hätte noch nie bei einem Friseur „gearbeitet“. Und die Steilvorlage habe ich natürlich genutzt.

D. h. Sie haben ihm vorgeschlagen, zu Ihnen zum Praktikum zu kommen?
Ja, und er hatte großes Interesse, obwohl die Aktion schon abgeschlossen war. Aber unsere Branche ist ja auch anders als andere Handwerksberufe. Diese Nähe, die wir zu den Kunden haben, die haben andere Branchen nicht. Denn wenn man als Dachdecker, Maurer oder als Tischler arbeitet, fasst man sie in der Regel nicht an, geschweige denn, dass man ständig mit ihnen kommuniziert. Wir arbeiten am Kunden und nicht nur für den Kunden, das war tatsächlich auch so ein Punkt, der ihn beeindruckt hat.

Was denken Sie, hat Herr Weil von dem Tag bei Ihnen mitgenommen?
Ich glaube schon, dass es uns gelungen ist, Herrn Weil tiefere Einblicke in die Friseurbranche zu geben. Ich war selbst überrascht, dass er sich vier Stunden Zeit genommen hat. Normalerweise sind diese Termine nur eine halbe bis eine Stunde. Aber dadurch, dass er vier Stunden da war – und erst in der letzten halben Stunde die Presse dazukam - hatten wir sehr viel Zeit für persönliche Gespräche. Sowohl mit mir als Inhaber und Obermeister als auch mit den Mitarbeiterinnen.

Was war Ihnen besonders wichtig?
Herr Weil sollte einen richtigen Einblick in unseren Beruf bzw. in den Salonalltag bekommen. Und so machen wir das ja grundsätzlich - Praktikanten kommen zu uns nicht zum Haare fegen und Kaffee kochen. Denn genau davon wollen wir ja weg. Ich glaube, es gibt sehr viele Salons, die mittlerweile sagen, Praktikanten und Azubis sollen wirklich das erlernen, was man in der Branche wissen muss.

Wie stehen Sie generell zu Praktikanten?
Wenn jemand ein Schulpraktikum machen möchte, versuchen wir das immer einzurichten. Wir klagen über Azubi und Fachkräftemangel und dann sagen wir, Praktikanten wollen wir nicht, das passt ja nicht zusammen.

Wie ist Ihr Resümee von dem Tag?
Das war schon eine ganz tolle Sache, und für mich ist entscheidend, dass das auch eine Wertschätzung für die ganze Branche war.

Sie sind Obermeister der Innung Oldenburg - haben Sie die Chance genutzt und mit ihm auch über das gesprochen, was die Branche bewegt?
Ja, wir haben am Anfang des Termins eine Dreiviertelstunde zusammengesessen und über Branchen-Wirtschaftspolitik gesprochen. Da waren viele Dinge dabei, bei denen er gesagt hat, dass ihm das noch gar nicht bewusst war. Was jetzt dabei rauskommt, das weiß ich natürlich nicht. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich gerne einmal persönlich mit den wirtschaftspolitischen Experten in Niedersachsen – oder auch mit Wirtschaftsminister Olaf Lies direkt – sprechen möchte. Ich bin nächste Woche auf einer Veranstaltung in Oldenburg, bei der auch Olaf Lies anwesend sein wird, und da werde ich ihm Unterlagen in die Hand drücken, mit dem, was wir letzte Woche mit dem Ministerpräsidenten besprochen haben.

Was haben Sie von dem Besuch mitgenommen und wie waren die Reaktionen aus der Branche?
Diese Wahrnehmung der Branche, das ist für mich ein ganz großer Punkt. Und das höre ich auch von Berufskollegen. Ich habe sehr viel positive Resonanz aus der Branche bekommen, die gesagt haben: „Toll, da passiert was, da wird auf uns aufmerksam gemacht“. Das ist für mich eigentlich das Allerwichtigste bei der Geschichte. Dass die Entscheidungsträger merken, es gibt die Friseure. Und die Friseure, das sind ja auch nicht wenige, und die meisten machen einen sehr guten Job.“