11.06.2019
Reinschnuppern und dableiben
Praktikum ist nicht gleich Praktikum: Was sollten Salons anbieten, was kann man Praktikanten zutrauen, und wie klappt die Zusammenarbeit mit der jungen Generation?
Im Vergleich zu den neuen Möglichkeiten der Personalakquise, die Unternehmer durch die Digitalisierung hinzugewonnen haben, erscheint das Thema Praktikum schon fast altmodisch. Doch es lohnt sich, einmal mit frischem Blick draufzuschauen. Schließlich haben sich mit den Heranwachsenden auch die Ansprüche an die erste Arbeitserfahrung verändert. Nach wie vor ist das Investment in Praktikanten eine Werbung für den Friseurberuf, über die sich neue Azubis und Mitarbeiter gewinnen lassen. Wenn es nach Experten geht, rentieren sich gut organisierte Praktika mehr denn je, auch wenn sie Fingerspitzengefühl erfordern. Zudem heißt es, dass junge Friseure, die den Berufseinstieg über ein Praktikum gefunden haben, insgesamt leistungsstärker seien.
Schnupper-Parcours
Dass Praktikanten Aufwand bedeuten, manchmal sogar ziemlich viel, weiß Birgit Nöckl aus eigener Erfahrung. Dennoch hat die österreichische Unternehmerin die Akquise von Praktikanten über die Jahre immer weiter vertieft. Präsenz in Schulen, auf Ausbildungsmessen und in den sozialen Kanälen ist für sie selbstverständlich geworden. „Praktika sind für beide Seiten eine enorm wichtige Sache“, sagt Nöckl. Über die Jahre hat sie mit ihrem Team ein eigenes Programm dafür organisiert. Seitdem durchlaufen Praktikanten während einiger Schnuppertage eine Art Parcours im Salon, auf dem ihnen unterschiedliche Fragestellungen aus dem Arbeitsalltag begegnen. Dazu gehören neben leichten Aufgaben am Übungskopf auch schriftliche Rechenaufgaben und etwa das Verpacken eines Geschenks. „Die Erfahrung hat gezeigt, wie wichtig es ist, Praktikanten in mehreren Bereichen einschätzen zu lernen“, weiß die Bregenzerin, die für ihr Ausbildungsangebot bereits mit einem Award ausgezeichnet wurde, und fügt hinzu: „Natürlich erwarten wir keine Perfektion. Es geht um ein Grundverständnis, um Kreativität und einen Sinn für Ästhetik.“
Jedes Jahr stellt Nöckl bis zu sechs neue Azubis ein, und rund 30 Jungen und Mädchen lernen den Salon während eines kurzen Praktikums kennen. Die 16-jährige Zoe Troy war im vergangenen Jahr eine davon. Nach einem Vortrag, den ein Kollege Birgit Nöckls an ihrer Schule gehalten hatte, stellte sie sich im Salon vor. Inzwischen ist sie im ersten Jahr der Friseurlehre. „Ich war nur kurz Praktikantin, trotzdem hat das für mich die Wende gebracht“, sagt sie. „Vorher war mir nicht ganz klar, was ich beruflich machen möchte, heute bin ich mir sicher.“ Laut Nöckl lohnt es sich, das Thema Praktikum ernst zu nehmen: „Weil wir am Anfang genau hinsehen, haben wir so gut wie keine Nachwuchsprobleme.“
Klare Absprachen
Für Gisela Wittmer ist „Konsequenz“ ein wichtiges Stichwort im Kontext des Praktikums. „Junge Menschen in die Arbeitswelt einzuführen heißt auch, ihnen bestimmte Werte zu vermitteln“, sagt sie. Vor allem Schüler zwischen 13 und 16 Jahren sind es, die sich in ihrem Salon im baden-württembergischen Hilzingen für ein Praktikum bewerben. „Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass ich einhalte, was ich sage, und dass das für sie ebenso gilt. Ohne konsequentes Handeln ist die Arbeit im Team schwer“, sagt Wittmer. Mit der Zeit hat sie auch eine Reihe negativer Erfahrungen mit Lehrlingen und Praktikanten gemacht, die sich etwa nach der ersten Mittagspause nie mehr blicken ließen: „Viele wollen erst unbedingt Friseur werden, dann wird es ihnen schnell zu anstrengend. Das war oft ernüchternd.“ Aus ihrer Sicht liegt Misserfolg nicht zuletzt an den unterschiedlichen Erwartungen der Generationen. „In meiner Ausbildung wurden bestimmte Regeln gar nicht kommuniziert, das war einfach klar. Heute setze ich mich wieder und wieder hin und erkläre, wie wichtig etwa das Aufkehren von Haaren oder ein sauberer Arbeitsplatz sind.“ Hier sei großer Einsatz gefragt. „Das Wertesystem hat sich spürbar verändert. Für uns Chefs ist das eine Mammutaufgabe, aber wir müssen uns defnitiv an die Jüngeren anpassen.“ Um die Motivation hochzuhalten, baut Wittmer unter anderem auf Feedbackgespräche, in denen beide Seiten sich intensiv miteinander austauschen und etwaige Unzufriedenheiten direkt klären können: „Mir ist wichtig, dass Freude am Beruf besteht und entwickelt wird.“
Step-by-step
Manchmal lohnt es sich schon, etwas mehr Zeit als gewöhnlich ins Praktikum zu investieren, damit alte und neue Kollegen harmonisch zusammenwachsen. So wie im Fall von Ronja Putsche. Die 17-Jährige absolvierte ein Jahrespraktikum in einem Marburger Salon. Dafür wurde sie von der Förderschule, die sie damals noch besuchte, freigestellt. „Am Anfang habe ich den anderen viel bei der Arbeit zugesehen, weil ich das Umfeld nicht gewohnt war. Kundenkontakt fiel mir schwer“, sagt sie. Nach und nach arbeitete sie sich über Aufgaben wie Fegen, Getränke bringen und Experimente am Übungskopf nach vorn. „Später habe ich mich immer mehr getraut, es war ein wichtiges Jahr für mich.“ Durch die Anerkennung des eher seltenen Langzeitpraktikums erhielt das Mädchen einen berufsorientierten Abschluss, mittlerweile hat das Friseurunternehmen sie in die Lehre übernommen. Eine ihrer Ausbilderinnen betont, dass es sehr positiv für Salons sein kann, auch Jugendliche mit formal niedriger Qualifkation zu unterstützen. Einerseits, weil der Nachwuchs rar ist; aber auch, weil sich erst in der Praxis zeige, was jemand „auf dem Kasten“ habe. „Umso wichtiger ist es, dass wir Friseure den Praktikanten die Arbeit realistisch nahebringen“, so Romy Kaczmarek, Bereichsleiterin bei den „Domino“-Salons. „Wer aus Personalknappheit eine perfekte Welt vorspielt, wird langfristig nichts davon haben.“
Fazit?
Wie so oft, geht es auch bei Praktika um gelungene Kommunikation. Was passt gut, wo hakt es, und wie kritisiert man sich konstruktiv? So viel steht fest: Wenn Praktikanten und Vorgesetzte sich auf Augenhöhe austauschen, ist die Fallhöhe niedrig. Zumal, wenn es um Vertreter der sogenannten Generation Z geht, denen das dauerhafte Kommunizieren förmlich in die DNA geschrieben ist. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, investiert auch Gisela Wittmer in die Kommunikationsfähigkeit ihres Hilzinger Salonteams. Regelmäßig bucht sie Coachings und Schulungen zur direkten, sachlichen Kommunikation. „Seitdem ist die Stimmung viel besser. Wenn es Konflikte gibt, klären wir sie gezielt und können uns auch besser auf die Arbeit konzentrieren.“ Eine offene, direkte Art wirke sich eben auf alle aus. Praktikanten eingeschlossen.
Gut zu wissen: Generell werden Schülerpraktikanten nicht fnanziell entlohnt, vom Betrieb versichert oder mit Urlaubstagen bedacht. Alle rechtlichen Infos und Formulare rund um das Schülerpraktikum gibt es unter www.dihk.de/schuelerpraktikum sowie bei den Krankenkassen und Berufsgenossenschaften.