Lippert's Friseure >< Foto: Stefan Braun

13.01.2022

Lippert’s Friseure: Power-Schwestern im Interview

Seit sechs Jahren führen Natalie und Maxyne das Lebenswerk ihres Vaters Wolfgang Lippert fort – mit Erfolg.

Der plötzliche Tod von Friseurlegende Wolfgang Lippert 2016 schockte Branche und Familie. Lipperts Töchter, damals Mitte 20 und mitten im Studium, übernahmen die Verantwortung für „Lippert‘s Friseure“. Auch wenn der Spirit ihres Vaters noch gegenwärtig ist, so hinterlassen auch die beiden Schwestern ihre Spuren. Ein Gespräch mit zwei selbstbewussten und bodenständigen Unternehmerinnen.

TOP HAIR: 2016 mussten Sie den Betrieb übernehmen – obwohl Sie andere Pläne hatten. Was ist seitdem passiert?
Maxyne Lippert: Einiges! Unser Papa war natürlich eine andere Persönlichkeit und hatte einen ganz anderen Führungsstil. Er war oft Vaterfigur, das sind wir nicht. Wir sind zwei junge Frauen, die aus dem Studium kommen, mit Betriebswirtschaft hatten wir bis dahin nicht viel am Hut. Das hat Vor- und Nachteile.

Können Sie die Vorteile benennen?
Maxyne: Man hat einen neuen Blick auf die Dinge, auch ein bisschen Distanz, was gerade am Anfang vielleicht ganz hilfreich ist. Und wir sind vielleicht noch ein bisschen anders am Puls der Zeit. Obwohl unser Papa auch sehr modern in der Einstellung war. Wir haben uns neu in dieser Rolle eingefunden und so hat sich auch die Führungsebene komplett gewandelt.

Ihr Vater hatte einen Management-Circle eingesetzt. Gibt es den unter Ihrer Führung noch?
Maxyne:
Der Management-Circle war ursprünglich dafür geplant, wenn unser Vater sich weiter zurückzieht und wir das Unternehmen nicht übernehmen, dass er Anteile verkaufen kann. Wir hatten eigentlich nicht geplant, ins Unternehmen einzusteigen. Als wir es dann doch mussten, ist meiner Schwester und mir relativ schnell klar geworden, dass wir, auch unseres Alters geschuldet, in den nächsten Jahren erst einmal nichts abgeben wollen. Dadurch hat sich der Management-Zirkel etwas verändert. Jedoch haben wir immer noch Menschen um uns herum, die unserem Vater schon Jahrzehnte treu waren. Zum einen die persönliche Assistentin unseres Vaters, und Markus Ruidl, unser Betriebsleiter, der seit über 20 Jahren bei uns ist. Die beiden sind immer noch sehr eng an uns dran. Und dann haben wir eben noch einen stellvertretenden Betriebsleiter mit eigenem Verantwortungsbereich. Aber die Hauptentscheidungen treffen wir mittlerweile nur noch allein. Traditionen, wie etwa das Dienstagabend-Meeting, immer am ersten Dienstag des Monats mit dem gesamten Team, haben wir aber übernommen.
Natalie Lippert:  Diese Meetings brechen wir immer auf die wichtigsten Themen runter. Denn, wenn Sie fragen, was sich in den vergangenen fünf Jahren verändert hat, ist es sicher das Thema Work-Life-Balance. Die Leute wollen nicht mehr nur arbeiten, nur Geld. Unter unserem Vater haben diese Meetings immer bei uns Zuhause stattgefunden und sind teilweise auch ausgeufert.
Maxyne: Unser Papa hat immer gesagt, Geschäft macht man auch nach 18 Uhr – und das stimmt auch, da ergeben sich dann mit den Mitarbeitern immer nochmals andere Themen. Für das Betriebsklima sind solche Treffen wichtig. Auch für das Geschäft, weil jeder seine Eindrücke schildern kann.

Wie schnell war für Sie klar, dass Sie das Unternehmen doch weiterführen wollen?
Natalie: Der ursprüngliche Plan war, dass ein Betriebsleiter übernimmt, der hat aber zurückgezogen. Wir konnten dann aber das, was unser Vater hier geschaffen hat, nicht einfach aufgeben.
Maxyne: Damals hatten wir fast 40 Mitarbeiter. Auch der Gedanke, die einfach auf die Straße zu setzen und die Ära Lippert‘s von heute auf morgen zu beenden, fühlte sich nicht gut an.
Natalie: Da wir zu zweit sind, geht es auch. Ich glaube, allein hätte es keine von uns gemacht.
Maxyne: Wir ergänzen uns ganz gut: Ich bin emotional, meine Schwester der kühle Kopf.

Das ist keine schlechte Kombi!
Maxyne: Ja. Das findet man im Friseurbusiness wenig, weil viele Chefs selbst Friseure sind, und kreative Köpfe auch emotional sind, und das oft mit dem Team ganz schön schwierig wird. Wenn es dann Auseinandersetzungen gibt und es drauf ankommt, mal drüberzustehen, tun wir uns da vielleicht leichter.
Natalie: Da professionell zu bleiben, gelingt uns schon ganz gut. Wir empfinden es als Vorteil, nicht Teil des Teams zu sein.

Wurden Sie vom Team gleich akzeptiert?
Natalie: Es war doch mehr Akzeptanz da, als wir zunächst gedacht hätten. Alle waren in so einem Schwebezustand und hatten Angst und waren in dem Moment ganz froh, dass jemand die Verantwortung übernimmt.
Maxyne: Es gab natürlich Mitarbeiter, die mit der Zeit die Grenzen getestet haben. Von denen haben wir uns getrennt, damit auch im Team Ruhe herrscht. Respekt und Akzeptanz ist auch eine Erziehungsfrage. Markus (Anm. d. Red.: Betriebsleiter Markus Ruidl) kennt uns wirklich als kleine Kinder im Schlafanzug – und der respektiert uns sehr, von Anfang an, mit allem, was dazugehört.

Was war für Sie die größte Herausforderung?
Natalie: Rückblickend würde ich sagen, die Personalführung. Alles andere können wir, glaube ich, aufgrund unseres akademischen Hintergrunds gut lösen, Themen rational abarbeiten.
Maxyne: Was man am Anfang macht, sind natürlich betriebswirtschaftliche Fehler, kleine Fehler. Jetzt nach sechs Jahren denke ich: Was haben wir denn da gemacht? Wir hatten aber von Anfang an eine Steuerkanzlei an unserer Seite. Das Personal ist tatsächlich immer wieder die größte Überraschung und Herausforderung. Und natürlich waren wir bei den ersten Bilanzen überfragt, aber das ist eher so eine Prozesssache: Da kommt man schnell rein, wenn man motiviert ist, weil die Existenz dranhängt.

Haben Sie sich als Geschwister neu definiert?
Natalie: Ja, da gibt es natürlich neue Reibungspunkte, aber ich glaube, die stärken einen eher. Wir sind sehr eng, schon immer.
Maxyne: Da gibt es mit unseren verschiedenen Charakteren auch geschäftlich verschiedene Einstellungen. Wenn es aber hart auf hart kommt, passt kein Blatt zwischen uns.
Natalie: Das ist, glaube ich, das wichtigste, dass wir uns drauf verlassen können, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und nach außen hin immer die gleiche Meinung vertreten.
Maxyne: Ich bin eher der großspurige Mensch, meine Schwester ist sehr sicherheitsliebend und eher vorsichtig, auch mit Investitionen. Das sind die Punkte, wo wir mal diskutieren. Wir sind beide sehr bodenständig erzogen, aber ich gehe da dann doch lieber mal auf Risiko.

Sie erwähnten es:  Mitarbeiter*innen mussten auch gehen. Hat sich die Teamgröße verändert?
Maxyne: Ein bisschen dezimiert hat sie sich.
Natalie: Auch aufgrund der Standortaufgabe vom L2 (Anm. d. Red.: 2019 wurde der zweite Salon geschlossen, s. weiter unten). Unser Wunsch ist es, dass wir wieder ein bisschen mehr werden.
Maxyne: Mit den Auszubildenden sind wir 28, der harte Kern ist immer gleichgeblieben. Wir haben schon viele, die lange dabei sind. Aber meist pendelt es sich so zwischen drei und zehn Jahren Betriebszugehörigkeit ein. Wir investieren viel in neue Mitarbeiter.

Für viele ist wichtig, dass sie den Namen Lippert‘s Friseure in ihrem Lebenslauf nachweisen können.
Natalie:
Einige gingen auch und kamen wenige Wochen später schon wieder, weil es woanders dann doch nicht besser war.

Ein schönes Kompliment!
Maxyne: Eine zweite Chance bekommen bei uns auch die meisten, je nach Abgang. Dafür sind wir nicht zu stolz.

Lippert‘s ist ein großer Name. Hilft das bei der Mitarbeitersuche?
Maxyne: Viele haben tatsächlich auch Hemmungen, sich hier zu bewerben. Das habe ich jetzt erst letztens aus dem privaten Umfeld wieder gehört. Uns ist wichtig, dass die Bewerber Lust auf den Beruf haben, Lust auf die Kunden, und das hat natürlich auch ganz viel mit gutem Benehmen zu tun. Aber der Markt ist natürlich schwierig! Von jedem Bewerber machen wir uns einen persönlichen Eindruck, man lernt sich kennen, es wird Probe gearbeitet und dann können beide Seiten entscheiden, ob man zueinander passt. Vielen Bewerbern ist es bei uns auch zu stressig. Work-Life-Balance ist ein hohes Gut geworden. Das ist mit einem 5-Sterne-Unternehmen manchmal schwierig zu vereinbaren.
Natalie: Das ist eine echte Herausforderung der Zeit. Das ist eine neue Generation, die unter Arbeiten etwas anderes versteht. Da versuchen wir immer Lösungen zu finden und schauen uns um, wie andere Branchen das meistern.

Lippert's Friseure >< Foto: Stefan Braun

Eine bessere Work-Life-Balance - das hatten Sie damals auch als Grund angegeben, weshalb Sie das L2 2019 geschlossen haben.
Maxyne:
Ja auch. Zum einen ist der Mietvertrag ausgelaufen. Es ist aber auch dem Fachkräftemangel geschuldet. 45 Friseure auf diesem Level zu haben, das wir wollen, ist nicht ganz einfach. Wir wollten Schichten ausdehnen, was mit einem Standort leichter zu machen ist, ohne dass wir auch immer zwei Rezeptionisten vorhalten mussten.
Natalie: Im Team ist es seitdem auch viel harmonischer. Dieser Wettkampfgedanke durch die zwei Standorte war am Anfang absichtlich initiiert, damit sich das dann ein bisschen pusht. Irgendwann hat das dann aber in die andere Richtung umgeschlagen und das war sehr belastend. Das Team war irgendwann verfeindet. Seit sie jetzt hier integriert sind, läuft das wunderbar und sie arbeiten super zusammen.
Maxyne: Mitunter das Wichtigste ist das Betriebsklima. In der Schließung des L2 haben viele nur etwas Negatives gesehen – entsprechend hatte auch die Bild-Zeitung getitelt. Aber das war rückblickend die beste Entscheidung. Das bereuen wir überhaupt nicht. Aber hier wird es jetzt natürlich wieder eng.

Was heißt das für die Zukunft?
Maxyne: Ein bisschen expandieren wäre schön.

Ist das hier möglich?
Maxyne: Im Moment sind hier nur Flächen mit 200 Quadratmetern frei. Wenn etwas Kleineres frei wird, würden wir hier gerne wachsen - auch was die Mitarbeiteranzahl betrifft. Ein Standortwechsel wäre schade, man kennt uns hier. Falls sich mal etwas Außergewöhnliches ergibt, machen wir das vielleicht, aber im Moment bleiben wir hier!

Interview: Yvonne Rieken