Claudia Müller freut sich, ihre Kundinnen wieder bedienen zu können. Nach der Flutkatastrophe hat sie ihren Salon verkleinert,Foto: WHKT /RG, privat

30.09.2024

Friseurmeisterin nutzt Katastrophe als Chance

Claudia Müller stellte ihr Salonkonzept radikal um, nachdem eine Flut ihre Existenz fast vernichtete.

Gemächlich schlängelt sich die Dhünn durch Leverkusen-Schlebusch. Idyllisch ist es hier. Gerne machen die Einwohner des Ortsteils mit dörflichem Charakter an dem Bach Abendspaziergänge. Nichts deutete bis zum 14. Juli 2021 darauf hin, dass sich dieser kleine Wasserlauf in einen reißenden Strom verwandeln könnte. Als es an diesem Sommertag anfängt zu regnen, ist in dem 135 qm großen Friseursalon von Claudia Müller zunächst alles wie sonst. Aber am Nachmittag leeren sich die Bedienstühle merklich, weil einige Kundinnen ihre Termine absagen. Sie kämen wegen von Feuerwehr und Polizei gesperrter Straßen nicht durch, hieß es. „Selbst da habe ich mir nichts Schlimmes gedacht. Eher glaubte ich, dass einige Gullys das Regenwasser nicht schnell genug aufnehmen konnten oder dass vielleicht eine Unterführung vollgelaufen sei“, erzählt die Friseurmeisterin.

Nur das Wichtigste mitnehmen

Weil keine Kundinnen mehr zu bedienen sind, will Müller ihre damals 13 Mitarbeiterinnen früher in den Feierabend schicken. „Aber plötzlich stand ein Feuerwehrmann im Laden und forderte uns auf, den Salon zu verlassen und alles Wichtige mitzunehmen.“ Aber was hält man in so einem Moment für wichtig? Claudia Müller schnappt sich den Laptop und die Buchhaltungsunterlagen. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr nicht bewusst, dass ihr Salon nur wenige Stunden später komplett zerstört sein würde. Als sie ihn wiedersieht, ist alles unterhalb von 50 Zentimetern unter einer Schlammschicht begraben. „Ich hatte bis dahin keine Vorstellung davon, welche Kraft eindringendes Wasser entfaltet. Es hat sämtliche Möbel und sogar die Waschmaschinen verrückt – durch die verschlossene Ladentür.“

 

Alles ist unbrauchbar geworden

Claudia Müller ist eine tatkräftige Frau. Da sie Eigentümerin des Ladenlokals ist, kann sie sofort Entscheidungen treffen. Aber das Ausmaß der Zerstörung wird erst nach und nach sichtbar. Nicht nur, dass alles Bewegliche unbrauchbar geworden ist, die Frisierwagen, Stühle, das Verbrauchsmaterial und die Verkaufsware. Die Wände und Böden sind voller Wasser, die elektrischen Leitungen sind zerstört und müssen komplett erneuert werden. „Man muss sich die Baustelle wie einen Rohbau vorstellen, man fängt bei Null an“, sagt sie. Die Pumpen der Trocknungsgeräte laufen sechs bis acht Wochen durch. Alle drei Stunden müssen die Auffangbehälter geleert werden – auch nachts. Müllers Ehemann wechselt sich mit ihr ab, übernimmt trotz eigenem Tagesjob nächtliche Fahrten zum Salon.

Keine finanziellen Reserven mehr

Spontane Hilfe kommt von einer Kollegin. In deren Betriebsferien kann Claudia Müllers Friseurteam den Salon von Besnika Shala nutzen, um die Stammkunden weiter zu versorgen. Auch nachdem die Saloninhaberin aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, dürfen Müllers Angestellte weiter in deren Salon arbeiten. „Wir hatten nach der Corona-Zwangsschließung ja überhaupt erst wieder drei Monate gearbeitet und keine finanziellen Reserven mehr“, erinnert sich Claudia Müller: „Wir konnten uns keine weiteren Ausfälle leisten.“ Sie habe damals drei Tage lang überlegt, ob und wie es überhaupt weitergehen sollte.

Intercoiffeure haben unterstützt

Dann habe sie die Katastrophe als Chance begriffen, sich unternehmerisch zu verändern. Die baulichen Notwendigkeiten schaffen die Möglichkeit einer anderen Raumaufteilung. Der Salon wird auf 82 qm verkleinert, daneben entsteht ein zweites kleines Ladenlokal, das Müller an ein Kosmetikstudio vermietet. „Durch das, was uns hier passiert ist, bin ich gelassener und ruhiger geworden“, sagt Müller. Ihr Glück im Unglück sei ihr gut funktionierendes Netzwerk gewesen. Zum Beispiel hat die Vereinigung der Intercoiffeure sich um das Gutachten für die Fluthilfe NRW gekümmert und bei der Antragstellung geholfen. Gekostet hat die Sanierung 150.000 Euro, die Erstattung von der Fluthilfe betrug 98.000 Euro, musste aber wie ein normales Einkommen versteuert werden.

Nicht aufgeben, neu aufstellen!

Einige Kollegen in Schlebusch hätten damals die Katastrophe zum Anlass genommen, ihr Berufsleben zu beenden. Claudia Müller hingegen, Friseurmeisterin seit 26 Jahren und seit 2006 selbstständig, hat sie genutzt, um sich mit ihrem Unternehmen neu aufzustellen. Aber sie sagt auch: „Zum Glück ahnt man angesichts eines von Wasser ruinierten Ladens noch nicht, was in der Folge an Kräftezehrendem auf einen zukommt.“ 500 Meter vom Salon entfernt schlängelt sich ein kleiner Bach durch den Ort. Es war und ist eine malerische Landschaft – mit Ausnahme von zwei Tagen im Juli 2021.