20.09.2024
Fingerzeig mit klarem Signal: Rückzahlung der Corona-Soforthilfen rechtswidrig
Die Rückforderung der Corona-Soforthilfen ist rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Stuttgart heute beschlossen. Dieses Urteil ist nicht nur für die Friseurbranche ein Fingerzeig mit Signalwirkung.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat heute der Klage eine Hotel- und Gaststättenbetriebs sowie eines Friseurs gegen die Rückforderung von Corona-Soforthilfen durch die Landeskreditbank Baden-Württemberg, L-Bank, stattgegeben. Damit folgt das Gericht den wegweisenden Urteilen des Verwaltungsgerichts Freiburg vom Juli dieses Jahres, das ebenfalls die Rückforderungen der L-Bank in mehreren Fällen als rechtswidrig erklärte. Für die Friseurbranche gibt dieses Urteil Anlass zum Aufatmen.
Zum Hintergrund
Doch von Anfang an: Der Heidenheimer „City-Friseur“, vertreten durch Holger Schier, hatte unlängst gegen die Forderung der L-Bank, die die Corona-Soforthilfe rückerstattet sehen wollte, geklagt. Am Morgen des 18. September war es dann so weit und 15 Friseur*innen hatten sich vor dem Gerichtssaal eingefunden, um dem Musterprozess, der sich als richtungsweisend für die gesamte Branche abgezeichnet hatte, beizuwohnen und ihren Kollegen Schier zu unterstützen.
Der Fall hatte im Vorfeld bereits für großes mediales Aufsehen in den sozialen Netzwerken, lokalen und überregionalen Tageszeitungen gesorgt. Der Gruppierung „Friseure für Gerechtigkeit“, die sich gegen die Rückzahlung der Corona-Soforthilfen wehrt, mithilfe derer die unter anderem für Friseure existenzbedrohenden Folgen des ersten Corona-Lockdowns hatten abgemildert werden sollen (wir berichteten), hatte sich Schier, einer von drei Inhabern des Friseursalons City-Friseur Heidenheim, angeschlossen. 15 000 Euro hatte Schier erhalten, die L-Bank machte später einen Rückzahlungsbedarf von 10 424,21 Euro geltend.
Berechtigungszeitraum für Soforthilfe ist entscheidend
Im Prozess am Mittwoch wurde schnell deutlich, dass sich das Gericht auf das Corona-Soforthilfeprogramm des Landes für Soloselbstständige und kleine Firmen mit bis zu 50 Erwerbstätigen beziehen werde, konkret also auf die allerersten Hilfen auf Grundlage einer Richtline vom März 2020. Es sind diese Fälle, erklärt Schier im Gespräch mit TOP HAIR, die die Mehrheit der beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klagen ausmachen. Beim gemischten Programm von Bund und Land auf Basis einer Verwaltungsvorschrift vom April 2020 ist die Rechtslage eine andere – dass hier klar unterschieden werden müsse, weil die Bedingungen zu jenem Zeitpunkt verschärft wurden, machte das Gericht deutlich. Zu klären galt am Mittwoch für das Gericht also, ob Schier von den anfänglichen Angaben ausgehen konnte. Schier erinnert sich an die Verhandlung: „Uns ging es in diesem Punkt ganz klar darum, zu zeigen, dass seitens der Regierung auf Länder- und Bundesebene ein Zuschuss und eben kein Darlehen angekündigt worden war.“ Die L-Bank berief sich im Prozess auf den Liquiditätsengpass im Zeitraum drei Monate ab Tag der Antragstellung und nicht für die Zeit des tatsächlichen Lockdowns. Die Empfänger der Corona-Soforthilfen, im konkreten Fall Holger Schier, seien angehalten gewesen, mit der Soforthilfe die laufenden Kosten, als da wären Betriebsausgaben wie Energie, Salonmiete und dergleichen abzudecken, nicht mit eingerechnet werden sollten hier jedoch die Personalkosten, die allerdings, wurde vor Gericht betont, bei Friseur*innen mehr als 60 Prozent des Umsatzes ausmachen.
Das Gericht äußerte Zweifel an der Eindeutigkeit: Der Zweck der Soforthilfen sei für die Empfänger womöglich nicht hinreichend erkennbar. Der Kernpunkt des Urteils überraschte letztlich keinen mehr, sorgt aber innerhalb der Friseurbranche für große Freude und Erleichterung. Der Versuch der L-Bank, die Hilfen nachträglich in rückzahlbare Darlehen umzudeuten, wurde als rechtswidrig eingestuft.
Holger Schier zieht im Nachgang an diesen denkwürdigen Tag im Gespräch mit TOP HAIR ein klares Fazit: „An dem heutigen Urteil und auch bereits während der Verhandlung hat sich ganz klar gezeigt, wie unsere Judikative funktionieren soll.“ Die Initiative „Friseure für Gerechtigkeit“ geht davon aus, dass die L-Bank in Berufung gehen wird – „aber auch dagegen werden wir uns mit unseren Rechtsmitteln wehren“, macht Holger Schier klar. (zoe)