Foto: William Henry Scott

03.10.2022

Avantgardist und Promi-Stylist Emmanuel Esteban: So sieht sein Alltag aus

Was muss man als Avantgardist eigentlich können? Emmanuel Esteban erzählt aus seinem (künstlerischen) Alltag mit Perücken und reichen Kunden.

Wenn Sie sich für Avantgarde-Hairdressing interessieren, werden Sie die Kreationen von Emmanuel Esteban kennen. Der gebürtige Franzose lebt in London, wo er als Freelancer aber auch betuchte Kund*innen verschönert, Fotoshootings und Videodrehs begleitet und Diva Pro Styling als Ambassador vertritt.

TOP HAIR: Deine Avantgarde-Arbeiten sind beeindruckend. Woher kommt deine Liebe für dieses Genre?
Emmanuel Esteban:
Es ist ein guter Weg, deine Kreativität auszudrücken. Außerdem arbeite ich gerne mit meinen Händen. Je öfter man avantgardistisch arbeitet, desto mehr liebt man es.

TOP HAIR: Hast du ein Vorbild?
Emmanuel Esteban: Ich versuche nicht allzu sehr auf andere Friseure zu schauen, um mich von ihnen inspirieren zu lassen. Denn dann fängt man zwangsläufig an, sie nachzuahmen und man verliert seine eigene Handschrift. Um zu wissen, was in der Friseurbranche passiert, schaue ich natürlich auch die Arbeit anderer Friseure an. Aber nicht zur Inspiration. Als Avantgardist muss man sehr persönlich arbeiten. Es muss der eigenen Kreativität entspringen. Schaut man auf andere, macht man automatisch dasselbe, auch wenn man es gar nicht möchte.
Als junger Friseur habe ich Christophe Gaillet bewundert. Wenn ich also eine Person benennen soll, zu der ich aufgeschaut habe, ist er es. Wegen ihm wollte ich Avantgarde machen.

TOP HAIR: Umso schöner, dass ihr nun zusammenarbeitet.
Emmanuel Esteban: Ja! Und es war einer der Gründe, warum ich Ambassador bei Diva geworden bin. Weil er bereits da war.

TOP HAIR: Wie lange brauchst du üblicherweise für eine Avantgarde-Frisur?
Emmanuel Esteban: Etwa sieben Stunden, um einen Look zu erstellen. Aber um ihn zu kreieren, musst du darüber nachdenken. Und das ist ein viel längerer Prozess. Darüber nachzudenken, welche Textur du erschaffen willst, wie du sie erstellen willst, welche Technik du nutzen willst. Wenn du das alles geklärt hast, dauert das eigentliche Erstellen der Frisur nicht mehr lange. Etwa einen Tag.

TOP HAIR: Welche Fähigkeiten und Tools sind die wichtigsten für deine Arbeit?
Emmanuel Esteban: Tools, Skills, alles. Wenn du Avantgardist sein willst, musst du alles beherrschen. Ich habe mir selbst beigebracht, Perücken zu machen. Jetzt kann ich eine Perücke von A bis Z selbst erstellen. Du musst alle Basics kennen und mehr!

TOP HAIR: Wie hast du das Perückenmachen gelernt?
Emmanuel Esteban: Ich habe es mir selbst beigebracht. Deshalb habe ich Perückenmacher in London besucht, um zu sehen, wie sie arbeiten, und mich mit ihnen ausgetauscht.

TOP HAIR: Machst du denn auch Perücken für Kund*innen?
Emmanuel Esteban: Ja, für viele Kunden. Aber nicht für Chemo-Patient*innen. Es ist nicht dasselbe. Die Lace, die ich nutze, ist etwas günstiger. Man kann sie ein paar Stunden tragen, aber dann fängt man darunter an zu schwitzen. Da muss man differenzieren. Ich mache Perücken für Kundinnen, die ausgehen und dabei etwas anders aussehen wollen.

TOP HAIR: Also Mode-Perücken.
Emmanuel Esteban: Ja. Wenn du die Perücken zum Vergleich anfasst, merkst du gleich den Unterschied. Die Basis (von medizinischen Perücken) ist wesentlich teurer, deshalb sind die Perücken für Chemo-Patienten auch wesentlich teurer als die Perücken, die wir für Editorials nutzen. Die Editorial Lace ist dicker, deswegen schwitzt man darunter schneller. Bei den besseren Materialien kann die Kopfhaut besser atmen.

TOP HAIR: Arbeitest du auch im Salon?
Emmanuel Esteban: Ja. Ich bin Freelancer in einem Salon in Chelsea. Ich bediene auch Privatkunden, die nicht in einen Salon kommen möchten oder zu wichtig sind, um in einen Salon zu kommen. Ich mache Editorials, Musikvideos. Eigentlich mache ich alles. Das gehört zum Leben eines Freelance- Friseurs: Du machst alles.

TOP HAIR: Jeder Tag ist also anders für dich?
Emmanuel Esteban: Ja, jeder Tag ist anders. In dem Salon (Sloane), in dem ich arbeite, sind wir nur Freelancer. Vier Coloristen und sechs Stylisten. Unsere Kunden sind sehr, sehr reiche Menschen. Wir bringen sie in den Salon. Wenn sie nicht in den Salon möchten, kommen wir zu ihnen nach Hause. Man kennt den Stylisten, nicht den Salon. Der Salon wird nicht vermarktet.

TOP HAIR: Das klingt nach demselben Konzept, das auch Josh Wood in London hat.
Emmanuel Esteban: Ja, das stimmt. Josh Wood ist etwas bekannter, weil er seine eigene Haarfarbe entwickelt und sich stärker exponiert hat. Der Saloninhaber „meines“ Salons (John Vial) hat vor 20 Jahren gemeinsam mit Josh Wood einen Salon gehabt, The Real Hair Salon. Es war der erste Celebrity Salon in London. Sie haben sich dann getrennt und jeder hat einen eigenen Salon eröffnet. Das Konzept ist dasselbe, alle arbeiten freelance. Freunde von mir arbeiten bei Josh Wood. Wir schicken uns gegenseitig Kunden. Bei diesem Konzept hat nicht der Salon die Kunden, sondern der Stylist.

TOP HAIR: Du hast deine Karriere in Frankreich begonnen. Jetzt lebst Du in London. Kannst Du kurz deinen Lebensweg dorthin beschreiben?
Emmanuel Esteban: Ich habe mit 16 angefangen und wollte kein Friseur werden, ich wollte bloß arbeiten. Mein Friseur hat mir vorgeschlagen den Beruf zu ergreifen, weil ich kreativ und künstlerisch begabt sei. Dann war ich auf einer Friseurschule, wo alle sehr modisch waren. Schöne Mädchen, Make-up, viele Mädchen. Das fand ich toll. Ich hatte auch gute Tutoren. Sie waren sehr leidenschaftlich. Durch sie habe ich die Arbeit immer mehr lieben gelernt. Mit 21 wurde ich Technical Director in einem Salon. Nach zwei Jahren bin ich dann nach London gegangen bzw. zuerst nach Oxford.

TOP HAIR: Warum bist du nach England gegangen?
Emmanuel Esteban: Um Englisch zu lernen. Mein Vater ist Spanier, deshalb habe ich in der Schule Spanisch gelernt (und Französisch), aber nie Englisch. Ich wollte in der Modebranche arbeiten, habe ein paar Fotoproduktionen in Paris gemacht. Jeder im Fashionbereich spricht Englisch, auch in Paris, weil alle aus der ganzen Welt zusammenkommen. Deshalb habe ich beschlossen, Englisch zu lernen, und bin in London geblieben. London ist eine tolle Stadt für Fotoshoots und Videodrehs.

TOP HAIR: Wie sieht deine Arbeit für Diva aus?
Emmanuel Esteban: Ich kreiere Kollektionen für sie und ich berate bei der Produktentwicklung. Wenn sie ein neues Tool entwickeln, ist meine Meinung gefragt und ich teste es. Das macht echt Spaß.