Kommt die Zulassung zur Meisterprüfung für Fachkräfte ohne Gesellenbrief? Foto: Melanie Fredel

14.03.2024

Bundeskabinett: (Friseur-) Meister werden ohne Gesellenbrief

Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht vor, dass Fachkräfte mit einer gewissen Arbeitsdauer in einem Handwerksberuf auch ohne abgeschlossene Ausbildung eine Meisterprüfung ablegen können. Der ZV fordert jetzt "eine dringende Überarbeitung".

Das hat das Bundeskabinett Mitte Februar mit dem Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) beschlossen. Der Entwurf muss allerdings noch durch den Bundestag und -rat bestätigt werden. Damit würde für Menschen ohne formalen Berufsabschluss erstmals ein Anspruch auf Feststellung und Bescheinigung ihrer beruflichen Fertigkeiten am Maßstab eines dualen Ausbildungsberufes geschaffen.

Konkret richtet sich das Gesetz an Menschen, die keinen formalen Berufsabschluss haben, aber mindestens die eineinhalbfache Dauer der vorgeschriebenen Ausbildungszeit in dem Beruf gearbeitet haben. Über ein nicht genauer beschriebenes „Validierungsverfahren“ über die Handwerkskammern ihre Berufserfahrung und ihre Kompetenzen „sichtbar machen können“ und eine Bescheinigung über die Vergleichbarkeit zu dem fehlenden formalen Abschluss im Referenzberuf erhalten. Im nächsten Schritt soll ihnen dann die Zulassung zur nächsthöheren Bildungsstufe, etwa dem Bachelor Professional oder der Meisterprüfung möglich sein.

Für das Friseurhandwerk übertragen würde dies in der aktuellen Fassung bedeuten: Eine Fachkraft ohne Gesellenbrief, die mindestens 4,5 Jahre in einem Friseurbetrieb gearbeitet hat, kann über das bisher nicht näher erläuterte Validierungsverfahren diese Zeit anerkennen lassen. Nach bestandener Validierung für eine vollständige Anerkennung könnte die Person eine Zulassung zur Meisterprüfung beantragen.

ZV: Keine geeignete Maßnahme gegen Fachkräftemangel

Damit soll laut Bildungsministerium dem Fachkräftemangel entgegengewirkt und „Menschen ohne formalen Berufsabschluss ein Weg eröffnet werden, ihre Berufserfahrung und ihre Kompetenzen sichtbar zu machen und wieder Anschluss an das Bildungssystem zu bekommen“. Gerade diesen Aspekt hält der Zentralverband des Friseurhandwerks für nicht zutreffend, so Christian Hertlein, Vorsitzender der Berufsbildungsausschusses beim ZV: „Fachkräftemangel ist ja nicht gleich Meistermangel. Gerade im Friseurhandwerk ist der Bedarf an Meistern gut gedeckt. Zudem würde dieser Gesetzesentwurf nicht mehr Fachkräfte ins System spülen; denn Menschen, die eine solche Validierung – in welcher Form auch immer – durchlaufen sollen, arbeiten ja bereits innerhalb des Systems. Somit würde das Verfahren keine neuen Kräfte für die Betriebe bringen.“

Abgrenzung zur dualen Ausbildung notwendig

Christian Hertlein ordnet zum Gesetzesentwurf weiter ein: „In der derzeitigen Fassung gibt es aus unserer Sicht noch sehr viel Änderungsbedarf an dem Entwurf. Es muss vor allem eine deutliche Abgrenzung zur dualen Ausbildung klar werden. Wir arbeiten aktiv im Austausch mit dem Zentralverband des Handwerks und weiteren Fachverbänden an konkreten Änderungen und schließen uns dem Wunsch des ZDH an, das Inkrafttreten um ein Jahr zu verschieben. Wir möchten in dem Validierungsverfahren, das bisher rein praktische Fertigkeiten abprüfen soll, unter anderem eine zusätzliche theoretische Prüfung vorschalten. Ohne dies macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, in eine Meisterprüfung zu gehen.“

Neben der Validierung soll durch das neue Gesetz die berufliche Bildung weiter digitalisiert und entbürokratisiert werden: Die so genannte „Schriftformerfordernis“ soll künftig entfallen und Betrieben und Kammern einen durchgängig digitalen Ablauf ermöglichen, indem sie beispielsweise Ausbildungsverträge digital austauschen dürfen.

Aktualisierung:

In einem Schreiben vom 13. März 2024 findet der Zentralverband noch deutlichere Worte zum Gesetzesentwurf und fordert "dringend die Überarbeitung".

Der ZV bemängelt insbesondere, dass der Entwurf fundamental in die Strukturen der dualen Berufsbildung eingreife: „Es wird ein Parallelsystem geschaffen, welches den direkten Zugang zur Meisterprüfung ermöglicht und damit in direkter Konkurrenz zum System der dualen Ausbildung steht“, bewertet Christian Hertlein

ZV-Präsidentin Manuela Härtelt-Dören kritisiert zudem: „Ich glaube aber nicht daran, dass dieses Gesetz nachhaltig zur Lösung unserer Probleme beitragen wird. Die Unternehmen werden weiter belastet. Es kommt zu noch mehr Bürokratie. Das Schlimmste ist aber, dass damit unser Berufsbild, völlig unnötig, beschädigt und einen irreparablen Imageschaden davontragen wird. Das ist in keiner Weise hinnehmbar.“

Entwertung der Gesellenprüfung sowie des Meistertitels

Darüber hinaus bestehe kein echter Mehrwert für das Handwerk, denn Teile der im Entwurf angedachten Änderungen existierten bereits heute im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und ermöglichten einen qualifizierten Abschluss mit Zugang zur Meisterprüfung auf Basis von Berufserfahrung.

Durch die Gleichstellung werde sowohl der Abschluss der Gesellenprüfung als auch die Fortbildungsstufe des Meisters entwertet, was zu einer Schwächung der Berufsabschlüsse und einem Imageverlust des Berufsbilds führen werde. Weiter werde befürchtet, dass der Entwurf falsche Signale an Jugendliche sendet. „Was eindeutig fehlt, ist eine Abgrenzung der Zielgruppen. Die Einführung einer Altersuntergrenze von 25 Jahren ist ein absolutes Muss“, erklärt Manuela Härtelt-Dören. Eine Altersuntergrenze fehle im aktuellen Entwurf.

Neben der Gleichstellung bemängelt der ZV ebenso das geplante Prüfungsverfahren: Von schriftlichen Verfahren werde im Entwurf explizit Abstand genommen. Die Prüfung praktischer Fähigkeiten sei zwar als Prüfinhalt aufgeführt, könne aber nach dem Gesetzesentwurf zum Teil auch per Darstellung von Facharbeiten der letzten zwei Jahre dokumentiert werden. Die Prüfung von Theorieteilen werde im Entwurf nicht beschrieben. Diese Form der Prüfung könne einem Vergleich mit den Gesellenprüfungen Teil 1 und Teil 2 nicht standhalten.

Zentrale Themenbereiche wie die finanzielle Belastung der Betriebe, eine Einführung einer Altersuntergrenze von 25 Jahren, Inhalt und Ablauf des Feststellungsverfahrens und die Gleichwertigkeit von Abschlussprüfung und Feststellungsverfahren müssten neu überarbeitet werden, fordert der Verband.