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13.09.2024

„Auszubilden ist ein Gewinn und ein Muss" - Christian Hertlein im Interview

Der Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks (ZV), Christian Hertlein zur Bedeutung der Dualen Ausbildung, den Schwierigkeiten der Friseurbranche im Bereich Ausbildung und der Bedeutung von selbst ausgebildetem Nachwuchs für die Salons.

Welche Schwierigkeiten haben Friseurbetriebe aus Ihrer Sicht, wenn es darum geht, Nachwuchs zukunftsgerecht auszubilden?

Aufgrund des in vielen Betrieben herrschenden Fachkräftemangels wird es immer schwieriger, Mitarbeitende für und in die aktive Ausbildung der Auszubildenden abzustellen und einzubinden. Die Frage nach „zukunftsgerecht ausbilden“ ist schwierig zu beantworten, da jeder Ausbildungsbetrieb in erster Linie für sich selbst ausbildet. Also muss auch jeder Betrieb die Definition für sich selbst finden. Hier sind die betrieblichen Ansprüche und Besonderheiten doch sehr unterschiedlich. Anforderungen und Erwartungen der jungen Menschen gerecht zu werden, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die Zeit und Ressourcen benötigt. Daran hapert es oftmals im aktiven Salonalltag. Die fachlichen Entwicklungen gehen rasant und die Betriebe müssen mit dem Tempo schritthalten. Moderne digitale Ausbildungssysteme zur Unterstützung der betrieblichen Ausbildung sollten selbstverständlich sein. Ebenso müssen die Betriebe erkennen, welche Trends und Erwartungen von Kundinnen und Kunden sowie Auszubildenden in der Zukunft verlangt werden. Es gibt viele sehr gute Best Practice Beispiele aus der Branche, die als Vorbild und Anregung dienen können.

Im Nachklapp zur Denkfabrik haben Sie einige interessante Ansätze zur Umgestaltung der Friseurausbildung vorgestellt, an denen Sie derzeit arbeiten. Steht der ZV weiterhin zum Dualen System als einzigem Zugang zum Friseurberuf oder ist es denkbar, dass Friseur*innen künftig zudem auch nur schulisch ausgebildet werden, außerhalb der Betriebe?

Die duale Berufsausbildung ist nach wie vor unser primärer Ausbildungsweg, wenn es darum geht, Fachkräfte zu gewinnen. Die Art und Weise, wie zukünftig die duale Ausbildung stattfindet und umzusetzen ist, wird eine spannende Aufgabe darstellen. Allerdings bedeutet das auch, dass sich Ausbildungsbetriebe und unser dualer Partner, die Berufsschule, aus ihrer Komfortzone bewegen müssen. Die Angebote, die es am Markt zur Unterstützung gibt, müssen genutzt werden. Ebenso wie die sich bietenden Möglichkeiten zur Verkürzung der Ausbildung. Digitale Ausbildungsbausteine, begleitendes Lernen mit Homeschooling, individuelle Spezialisierungen sowie betriebliche Kooperationen sind Ansätze, die wir aktiv diskutieren.

Eine rein schulische Ausbildung, ohne eine sinnvolle Kombination mit betrieblicher Praxis ist nach aktueller Sicht keine Alternative. Ein vorgelagertes schulisches Grundbildungsjahr nach dem Vorbild des BGJ mit einer verkürzten anschließenden Ausbildung kann eine Alternative darstellen.

Wir haben viel Bewegung im Markt, um alternative Qualifizierungssysteme zu etablieren. Dabei müss aber immer eine Altersgrenze wegen der gesetzlichen Schulpflicht einzelner Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die hohen Kosten berücksichtigt werden. Die Teilnehmenden der Qualifikation sind keine Azubis und unterliegen dem Mindestlohn, dadurch entstehen deutlich höhere Kosten für die Betriebe. Zu guter Letzt erlangen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer keinen rechtlich anerkannten Berufsabschluss. Dadurch ist ein möglicher weiterführender beruflicher Weg, z.B. zur Meisterprüfung, nicht gegeben. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese alternativen Qualifizierungen in der Branche entwickeln.

Für uns überwiegen nach wie vor die Vorteile einer dualen Ausbildung, auch unter der Prämisse von möglichen Wegen der Verkürzung.

Häufiger Kritikpunkt aus der Praxis ist die lange Ausbildungsdauer. Welche Möglichkeiten zur Verkürzung gibt es und sind weitere geplant?

Zuerst muss ich sagen, dass es keine weiteren Möglichkeiten zur Verkürzung der dualen Ausbildung geben wird. Die Vorgaben zur Verkürzung sind gesetzliche Vorgaben und können nicht durch das Friseurhandwerk individuell angepasst werden. Das Angebot und die Möglichkeiten sind vielfältig und je nach schulischer Vorbildung auch völlig ausreichend. Sie müssen nur richtig genutzt werden.

Ob es sinnvoll ist, die Möglichkeiten zur Verkürzung der dualen Ausbildung in Anspruch zu nehmen, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Die rechtlichen Ansprüche sehen wie folgt aus: Mit allgemeiner oder fachgebundener Hochschulreife (Abitur/Fachabitur) sowie mit einer vorherigen abgeschlossenen Berufsausbildung, ist eine Verkürzung auf zwei Jahre möglich. Mit vorzeitiger Zulassung zur Prüfung sind auf Antrag 18 Monate möglich.

Mit mittlerem Schulabschluss (z.B. Realschule) ist eine Verkürzung auf 2,5 Jahre möglich. Mit vorzeitiger Zulassung zur Prüfung sind auf Antrag zwei Jahre möglich.

Bei allen anderen schulischen Vorbildungen gilt die Regelausbildungszeit von 36 Monaten. Aber auch hier ist bei sehr guten Leistungen eine vorzeitige Zulassung zur Prüfung auf Antrag möglich und eine Verkürzung auf 30 Monate.

Warum ist es wichtig, dass die Betriebe der Friseurbranche weiterhin ausbilden?

Der Fachkräftebedarf wird auch in Zukunft eines unserer drängendsten Probleme sein. Den eigenen Berufsnachwuchs auszubilden und je nach betrieblichen Anforderungen zu prägen, ist für jeden Betrieb und jede Unternehmerin/jeden Unternehmer, die oder der erfolgreich am Markt bestehen will, ein Gewinn und ein Muss. Die Ausbildungsbereitschaft hat in den Jahren nach Corona ziemlich gelitten. Wir können aber erkennen, dass es etwas bergauf geht und wieder mehr Betriebe ausbilden. Vor allem die jungen Kolleginnen und Kollegen, stellen sich vermehrt der anspruchsvollen Aufgabe der Ausbildung. Es ist für uns alle nur von Vorteil, wenn wir auch weiterhin ein starkes Friseurhandwerk sind.