Naim Karimi und Marie-Christine Wolf vor dem Salon in Miesbach >< Foto: Wolf Hairdesign

19.08.2020

Abschiebung eines Azubis droht: Salon wehrt sich

Schlagzeilen um den Salon Wolf Haardesign in Miesbach: Azubi Naim Karimi wird die Arbeitserlaubnis entzogen, und er soll in sein Heimatland Afghanistan abgeschoben werden. Saloninhaberin Marie-Christine Wolf wehrt sich, vorerst mit Erfolg.

Die Vorgeschichte

Friseur Naim Karimi flüchtete im Jahr 2015 aus Afghanistan, über den Iran, die Türkei und die Balkanroute, mehrere Monate lang und oft zu Fuß. Er landete im bayrischen Miesbach und wird von einer freiwilligen Betreuerin aus der Gemeinde begleitet. Diese stellte den Friseur mit zehnjähriger Berufserfahrung im Salon Wolf Haardesign vor, damals noch geführt von Hans und Lilli Wolf, Eltern der jetzigen Saloninhaberin. „Meine Eltern haben sein Potenzial sofort erkannt. In Zeiten des Mitarbeiter- und Azubi-Mangels ein absoluter Glückgriff. Nicht nur fachlich, auch menschlich, passt Naim einfach super zu uns“, berichtet Marie-Christine Wolf. Familie Wolf bot dem 32-jährigen eine Ausbildungsstelle an, um seine Integration regelkonform zu gestalten und ihm anschließend eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu ermöglichen. Sein derzeitiger Status in Deutschland nennt sich „Aufenthaltsduldung“ und gilt nur für den Zeitraum seiner Ausbildung.

Naim Karimi startete inhaltlich aufgrund seiner langjährigen Erfahrung aber nicht als Azubi, sondern direkt als voll einsatzbereiter Herrenfriseur durch. Marie-Christine Wolf zahlt ihm volles, leistungsgerechtes Gesellengehalt: „Er bedient im Salon 10 bis 14 Gäste am Tag, schmeißt im Prinzip den kompletten Herrenbereich und das mit einem richtig tollen Feedback. Natürlich bekommt er da auch ein angemessenes Gehalt. Ich brauche ihn und will ihn auf jeden Fall behalten!“ Neben der Arbeit und Ausbildung lernt Naim Karimi Deutsch, obwohl er in Afghanistan keine richtige Schulbildung bekommen hatte und nahezu Analphabet ist. „Auch das ist für das Team und sogar für die Kunden eine richtige Bereicherung. Am Anfang haben wir uns alle mit Händen und Füßen verständigt, trotzdem hat es immer gut geklappt und meine Azubis können sogar ohne viel Erklärungen in der Praxis von ihm lernen.“

Der Schock

Von einem auf den anderen Tag musste Marie-Christine Wolf aber Ende Juli doch plötzlich auf den wertvollen Mitarbeiter verzichten. Naim Karimi wird kurz nach seiner Prüfung zu einer „Vorstellung wegen Bescheinigungsablauf“ geladen. Die praktische Prüfung hatte er bestanden, aufgrund der Sprache jedoch den theoretischen Teil bereits zum zweiten Mal leider nicht. Marie-Christine Wolf begleitete ihn zu dem Termin, durfte aber nicht mit ins Amtszimmer. Dort drin teilte man ihm mit, dass die Aufenthaltsduldung zum 31. August auslaufe. Er musste seinen Ausweis abgeben und durfte mit sofortiger Wirkung nicht mehr arbeiten. Es drohte die Abschiebung.

Für Chefin Marie-Christine Wolf ist das neben der menschlichen auch eine unternehmerische Katastrophe: „Naim ist immer voll ausgebucht. Ich kriege seine Kunden gar nicht auf die anderen Mitarbeiter verteilt. Und bei ihm löst das Wort Abschiebung natürlich Todesangst aus.“ Die Familie Wolf übergab den Fall sofort einem Anwalt und meldete sich bei der Presse, die kurze Zeit danach bayern- und bundesweit berichtete. Außerdem finden die Wolfs und Naim Karimi breite Unterstützung bei ihren Kunden, die sie in langen Telefonaten bei der Terminabsage über die Situation informieren. Auch ein Lokalpolitiker engagierte sich, indem er sich an das zuständige Ministerium wandte.

Mit positiver Wirkung, wie Marie-Christine Wolf erzählt: „Nur ein paar Stunden nach der Veröffentlichung in der Presse kam das Amt wieder auf uns zu, hat die Arbeitserlaubnis zurückgegeben und verlängert. Man hatte seinen Fall offenbar nicht wirklich angeschaut, sondern nur nach Schema F abgehandelt. Dass Naim ja erneut eine Nachprüfung machen wird, hatte man nicht berücksichtigt.“

Die derzeitige Lösung

Naim Karimi kann nun nach zwei Wochen entzogener Arbeitserlaubnis vorerst wieder arbeiten und auch in Deutschland bleiben. Das gemeinsame Ziel ist es, dass er nach der abgeschlossenen Ausbildung eine Festanstellung bei Wolf Haardesign und damit eine Aufenthaltsgenehmigung erhält. „Einem kleinen Handwerksbetrieb wie uns einen so wertvollen Mitarbeiter zu entziehen, halte ich wirklich für das völlig falsche Signal“, betont Inhaberin Marie-Christine Wolf. „Seine Integration ist uns eine absolute Herzensangelegenheit, aber auch unternehmerisch wert- und sinnvoll. Wir brauchen solche engagierten und fähigen Mitarbeiter.“

Für Kollegen, die ebenfalls Geflüchtete als Azubis beschäftigen, hat Marie-Christine Wolf einige Tipps:

  • Immer aktuell informiert bleiben, was Fristen, Unterlagen und Termine angeht
  • Nicht abwimmeln lassen
  • Rechtlichen Beistand haben
  • Bei Schwierigkeiten Presse und Kunden ins Boot holen
  • Lokalpolitik sensibilisieren

Sie ist sich sicher: „Obwohl es natürlich mit einigem Aufwand verbunden ist, Geflüchtete im Salon zu integrieren und den hohen bürokratischen Aufwand zu betreiben, lohnt es sich! Wir haben einen sehr loyalen, fähigen und engagierten Mitarbeiter gewonnen und das in diesen Zeiten des Fachkräftemangels. Wir würden es wieder so machen.

Zudem steht sie für Kollegen, die von einer ähnlichen Thematik betroffen sind, zum Austausch bereit.

Wolf Haar-Design
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