22.01.2019

Zu hohe Erwartungen?

Im Ergebnis frustrierend: Mit diesen wenigen Worten lassen sich die Versuche von Rüdiger L., einen Unternehmer aus Berlin, beschreiben, seine finanzielle Altersabsicherung zu regeln. Unser Finanzexperte Michael Vetter schildert den Fall.

Der geplante Abschied vom Berufsleben sollte in rund acht Jahren sein. Nachdem dieser Termin für L. feststand, versuchte er zunächst, die erforderliche Bestandsaufnahme zur Klärung seiner finanziellen Lage selbst durchzuführen.

Wenig Sorgfalt

Dies erwies sich jedoch als äußerst schwierig, da sich L. vor allem durch seine hohe Arbeitsbelastung so gut wie nie mit seinen privaten Finanzen auseinandersetzte. So wurden beispielsweise jeweils aktuelle Informationen über die finanzielle Entwicklung („Standmitteilungen“) seiner Lebensversicherungen ebenso ungeprüft abgeheftet wie die wichtigen Belege über die Wertentwicklungen seiner ihm regelmäßig zugesandten Depotauszüge seiner Bank über das Wertpapiervermögen. Die zu einer verlässlichen Planung ebenfalls benötigten Darlehensstände zur Finanzierung seines mit der Familie bewohnten Einfamilienhauses und zweier vermieteter Eigentumswohnungen konnte er zwar relativ schnell ermitteln. Eine auch nur grobe Vorstellung, ob und in welcher Höhe diese Kredite ihn im Rentenalter finanziell noch belasten würden, hatte er jedoch nicht.

Ungehörter Hilferuf

Nach dem wenig erfolgreichen Versuch, diese Dinge selbst zu ordnen, zog L. schließlich die Notbremse und bat den Anlageberater seiner Hausbank um Hilfe. Zu Beginn seiner Bemühungen zeigte dieser auch noch ein großes Engagement, das in der Folge aber kontinuierlich nachließ. So wurden die Zeiträume, in denen bankseitig jeweils Zwischeninformationen erfolgen sollten, immer größer. Dabei wurde L.  deutlich, dass die Bank seinen hohen Erwartungen vor allem durch sein eigenes Verhalten nicht gerecht werden konnte. Denn der Bankmitarbeiter von L. erhielt in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen gerade einmal nur jene Unterlagen, die er jeweils anforderte.

Ohne Eigeninitiative geht es nicht

Eine Eigeninitiative war, das räumte L. durchaus selbstkritisch ein, kaum erkennbar. Während des gesamten Bearbeitungszeitraumes von mittlerweile fast einem halben Jahr fand auf ausdrücklichen Wunsch von L. nicht ein einziges ausführliches Gespräch weder im Bankgebäude noch im Betrieb statt. Kontakte gab es fast ausschließlich per Telefon, wenn sie denn aufgrund der erwähnten Arbeitsbelastung von L. überhaupt zustande kamen. Vor diesem Hintergrund erschien es also nur logisch, dass die Motivation des Bankmitarbeiters ab einem bestimmten Punkt nachlassen würde. Interessant ist bei der Betrachtung dieses Zusammenhanges, dass eine derartige Nachlässigkeit nicht im Geringsten zu L. passt. In seiner Tätigkeit als Unternehmer gilt er nicht nur als sehr sorgfältig, sondern auch als äußerst zielbewusst und ergebnisorientiert.

Konsequenzen ziehen

L. hat sich nun entschieden, den Gesprächsfaden zu seiner Bank erst wieder aufzunehmen und sie um konkrete Handlungsalternativen zu bitten, wenn er selbst seine finanziellen Hausaufgaben erledigt hat. Dazu gehören neben der Bestandsaufnahme seiner Vermögenssituation auch eine klare Formulierung der angestrebten Höhe seiner späteren Altersbezüge sowie die ebenso klare Gliederung von strategischen Schritten, um dieses Ziel in zehn Jahren auch tatsächlich zu erreichen. L. ist nun klar, dass er hier nur erfolgreich sein kann, wenn er neben seiner Bank auch den ihn bereits seit vielen Jahren begleitenden Steuerberater einbindet. Darüber hinaus ist für L. wichtig, sich von möglicherweise überflüssigem finanziellen Ballast wie beispielsweise der vermieteten Eigentumswohnungen zu trennen, wenn zu erwarten ist, dass sie seinen Renditeerwartungen zukünftig nicht mehr entsprechen.

Unschöne Erkenntnisse

L. weiß, dass noch eine Menge Arbeit auf ihn wartet, wie der folgende Sachverhalt zeigt: Auf Grund der Berechnung seiner Bank wird er, wenn er nichts unternimmt, in zehn Jahren noch mit Darlehensschulden von rund 70.000 Euro rechnen müssen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass er die Kreditrückzahlungen vor Jahren durch eine vorübergehende Aussetzung seiner Tilgungsraten unterbrechen musste, da seine damalige Liquiditätslage dies erforderlich machte. Diesen Zahlungsausfall, den L. offensichtlich unterschätzte, hat er bis heute nicht kompensiert.

So sollten Sie bei der Vorsorgeplanung vorgehen:

  • Wichtiger Maßstab ist naturgemäß das später angestrebte monatliche Nettoeinkommen
  • Dazu ist zunächst ein Überblick über die aktuelle Vermögenssituation einschließlich bisher erworbener und zukünftig zu erwartender Rentenansprüche wichtig. Die Ermittlung des Vermögens orientiert sich am Nettovermögen (Bruttovermögen abzüglich Verbindlichkeiten) und beinhaltet die bisher und zukünftig damit weitgehend sicher zu erzielenden Einnahmen
  • Von großer Bedeutung ist hier die Nachhaltigkeit zukünftiger Einnahmen. Ob Sie sich dabei eher an Finanzanlagen wie Wertpapieren oder an Sachanlagen wie Immobilien orientieren, ist vor Allem von Ihrem persönlichen Anlageverhalten und Ihrer Spekulationsstruktur abhängig
  • Ebenso sollten Sie prüfen, ob Bankschulden kurzfristig getilgt werden können und ob Vermögenswerte liquidiert werden sollten. In beiden Fällen können, sofern dies gewünscht und sinnvoll ist, finanzielle Abhängigkeiten verringert werden
  • Mit Hilfe dieser Informationen können Sie nun Ihre Hausbank(en) bitten, finanzielle Vorsorgelücken mit entsprechend abgestimmten Anlageformen zu schließen.