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06.12.2017

Wenn das Kreuz schmerzt

Schon minimale Haltungsschäden nimmt unser Körper langfristig übel. Das muss nicht sein. Beugen Sie vor!

Gesundheitsmanagement im Salon – wie kann das aussehen? Der 40-jährige Sportwissenschaftler, Biologe und Buchautor Prof. Dr. Karsten Krüger beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit dem Themenbereich Gesundheit im Beruf . Seit 2017 unterrichtet der ehemalige Leistungssportler als Professor für Sport und Gesundheit an der Leibniz Universität Hannover. Konzepte zum Gesundheitsmanagement entwickelte er bereits für Polizisten, Schweißer und Zeitarbeiter. Auch für Friseure hat er Tipps parat. Im Gespräch gibt er einen Vorgeschmack auf seinen Kongress-Vortrag auf der TOP HAIR – DIE MESSE im März 2018.

TOP HAIR: Wie oft gehen Sie zu Ihrem Friseur?
Prof. Dr. Karsten Krüger: Wenn ich in den Spiegel sehe und das Gefühl habe, meine dichten Haare sollten wieder geschnitten werden, etwa alle sechs Wochen. Dann vereinbare ich einen Termin mit der Friseurin meines Vertrauens.

TOP HAIR: Was macht diese bei Ihnen?
Prof. Dr. Karsten Krüger: 
Das klassische Programm: Waschen, Schneiden, Föhnen.

TOP HAIR: Macht sie dabei alles richtig?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Was die Frisur betrifft, macht sie alles goldrichtig. Doch an ihrer Körperhaltung müsste sie einiges verändern, um langfristig gesund zu bleiben. Durch meinen Beruf habe ich ein Auge dafür, welchen Schaden jemand seinem Rücken, den Gelenken oder Sehnen durch eine schlechte Körperhaltung zufügt. Tatsächlich klagt auch meine Friseurin über Rückenschmerzen. Wenn ich sie auf ihren krummen Rücken beim Schneiden hinweise, reagiert sie sofort, versucht eine ergonomische Körperhaltung einzunehmen. Doch nach fünf Minuten fällt sie in ihr altes Bewegungsmuster zurück.

TOP HAIR: Wie lässt sich das verhindern?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Ich halte nichts von einer radikalen Umstellung. Wichtig ist, im Arbeitsalltag kleine Akzente zu setzen, Impulse zu geben, um den Rücken zu entlasten. Das können kleine Dehn- und Streckübungen sein, die man alle 30 Minuten in die Arbeit einbaut. Erholungsphasen dieser Art müssen selbstverständlich werden.

TOP HAIR: Kann ein Friseur nach 30 Jahren im Beruf noch ohne körperliche Probleme arbeiten?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Ich glaube, das geht grundsätzlich, wenn die Rahmenbedingungen positiv sind. Natürlich gibt es Individualitäten, jeder Mensch hat andere Grundvoraussetzungen. Wer etwa schon als Kind Haltungsprobleme hatte, leidet im Alter unter Umständen schneller. Auch das gilt es zu berücksichtigen.

TOP HAIR: Gesundheitsmanagement beim Friseur – geht das überhaupt?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Gesundheitsmanagement steht und fällt mit der Führung. Wenn die Chefin oder der Chef eines Salons positiv vorangehen, fällt es Mitarbeitern leichter mitzuziehen. Es muss zur Kultur eines Salons gehören, zwischendurch für kleine Entlastungen zu sorgen. Ein rücksichtsvoller Umgang untereinander lässt sich auch den Kunden positiv vermitteln. Wichtig ist, die Mitarbeiter in eine solche Kulturveränderung einzubeziehen und als Team eine Strategie zu entwickeln. Diese sollte zum einen die Prävention umfassen und zum anderen berücksichtigen, wie man mit Erkrankungen der Kollegin oder der eigenen Person umgeht. Sinnvoll ist auch, sich den Rat eines externen Fachmanns zu holen. Krankenkassen bieten im Bereich Gesundheitsmanagement z. B. Seminare für Führungskräfte an.

TOP HAIR: Hatten Sie bereits bei Trainings und Schulungen mit Friseuren zu tun?
Prof. Dr. Karsten Krüger: 
Vor einiger Zeit habe ich mit Schweißern zusammengearbeitet. Das klingt weit weg, tatsächlich aber haben diese ähnliche gesundheitliche Probleme: Schweißer stehen stundenlang gebeugt und starren bei ihrer Arbeit auf einen Punkt. Sie bewegen sich also wenig und halten die Hände und Arme in Zwangspositionen. Dazu kommt, dass auch sie Dämpfe einatmen und unter Atemwegserkrankungen leiden.
Beim Friseur ist der Zeitdruck hoch, Pausen sind nur schwer einzubauen. Die Zeit für kleine Bewegungspausen ist letztlich aber geringer als die Zeit, die Mitarbeiter benötigen, um wieder zu genesen. Denn was mit Verspannungen beginnt, endet eventuell mit einem Bandscheibenvorfall. Zudem motiviert Arbeit nur, wenn sie nicht krank macht. Das sollten sich Chefs immer wieder vor Augen führen und gesundes Arbeiten unterstützen. Das Thema Gesundheitsschutz ist zu wichtig, um einfach nebenbei abgehandelt zu werden. Dabei ist die ergonomisch sinnvolle Körper- und Handhaltung genauso wichtig wie der gesundheitsbewusste Umgang mit Friseurprodukten.

TOP HAIR: Probleme mit dem Rücken, Sehnenscheidenentzündungen an Händen, Hautekzeme und Atemwegsprobleme zählen zu den häufigsten Erkrankungen unter Friseuren. Wie lässt sich gegensteuern?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Das Thema Gesundheitsschutz sollte stets präsent sein, die Mitarbeiter sind schließlich die wichtigste Ressource des Salons. Das heißt: Vorschriften ernst nehmen, Handschuhe tragen, die Haut pflegen und gute Produkte verwenden. Dazu gehört ebenfalls, mit einem weichen Fußbodenbelag, verstellbaren Hockern und heller LED-Beleuchtung für eine ergonomisch sinnvolle Arbeitsumgebung zu sorgen. Wichtig ist, einseitigen Bewegungsmustern entgegenzuwirken, die Kolleginnen immer wieder daran zu erinnern. Schon die Auszubildende muss trainieren, frontal zum Kunden zu arbeiten, sich mit der Schulterachse zu ihm hin zu orientieren. Und sie muss üben, wie sie die Schere ergonomisch richtig hält. Durch Fortbildungen oder Mitarbeiterbefragungen muss man den Fokus immer wieder auf das Thema lenken.

TOP HAIR: Hört sich gut an, doch ist das in jedem Salon möglich?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Umsetzbar ist Gesundheitsbewusstsein in jedem Unternehmen, egal welcher Größe. Wichtig ist eine überzeugte Führungsetage. Hat ein Salon wenige Mitarbeiter, sind schnelle Veränderungen möglich. Größere Unternehmen haben oft trägere Strukturen, da dauert es länger, Dinge zu verwirklichen. Dafür verfügen sie über größere Ressourcen, um etwa in neue Hocker oder bessere Beleuchtung zu investieren.

TOP HAIR: Was erwartet die Zuhörer in Ihrem Vortrag?
Prof. Dr. Karsten Krüger:
Ich möchte meinen Zuhörern klarmachen, wie wichtig Bewegung im Berufsalltag ist, dass sie zur Selbstverständlichkeit werden muss. Ich will aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, Gesundheit auch in Friseursalons zu fördern und hilfreiche Hinweise geben, den inneren Schweine­hund zu überwinden. Wenn erwünscht, animiere ich die Zuhörer zu ein paar Bewegungen. Dann nehmen sie gleich praktische Beispiele mit nach Hause.