Mandy Beck (li.) und Mirabela Jänner, Foto: Torsten Beck

29.04.2021

Zum Testen zum Friseur

Einen neuen Haarschnitt bekommt man durch die bundesweite Notbremse nur noch mit Negativ-Test und in manchen Bundesländern nach erfolgter zweiter Corona-Impfung. Damit sie dadurch nicht ausgebremst werden, lassen sich die Friseure etwas einfallen. Sie eröffnen z. B. ein eigenes Testzentrum. Sonja Böhme hat bei drei Salons nachgefragt.

Nachdem die Kund*innen die Salons nach dem zweiten Lockdown quasi „überrannt“ haben, klagen viele Friseur*innen nach Inkrafttreten der bundesweiten Notbremse nun über einen starken Terminrückgang. Viele Kunden seien verunsichert, andere wollen sich nicht testen lassen und sagen die Termine lieber wieder ab, so viele Stimmen aus der Branche. Um dies zu vermeiden und auch um etwas für das Allgemeinwohl zu tun, hat Torsten Beck ein Corona-Testzentrum im Salon „Ihr Friseur Mandy Beck“ seiner Frau in Ötigheim bei Rastatt eröffnet. „Bei uns im Ort gab es bereits ein Testzentrum, das aber montags, mittwochs und freitags geschlossen hat. Was machen aber die Kunden, die z. B. am Dienstag einen Termin bei uns haben?“
Eher durch Zufall hatte Torsten Beck erfahren, dass man sich beim Deutschen Roten Kreuz oder bei den Johannitern zum fachkundigen Personal bezüglich Corona-Tests ausbilden lassen kann. „Der Kurs dauert 1,5 bis 2 Stunden, das kommt auf den Betreiber an. Dann sind Sie fachkundig und befugt, Tests auszuwerten und Zertifikate auszustellen“, so Beck. „Mittlerweile sind auch manche Online-Kurse anerkannt, aber da muss man aufpassen, denn das ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich.“ Kostenpunkt des Kurses: ca. 50 Euro. Inhalte des Kurses seien neben der Einweisung - was ist ein Nasenabstrich, wo wird er genommen, was ist zu tun, wenn es zu Nasenbluten kommt, welche Arten von Tests gibt es - auch das Thema Datenschutz. „Der Kunde unterschreibt, dass seine Daten gespeichert werden und bei einem positiven Testergebnis an das Gesundheitsamt vermittelt werden.“

Torsten Beck sprach zunächst mit dem Bürgermeister von Ötigheim, der von der Idee begeistert war und sofort den Mehrwert für seine Bürger*innen sah. Der erste Schritt war somit getan. Der Eröffnung eines Testzentrums muss jedoch das örtliche Gesundheitsamt zustimmen. Vorgeschrieben sind Mindestabstände, Einbahnstraßen, die Belüftung der Räume und Filteranlagen für die Luft. „Über die Überbrückungshilfe 3 hatte jeder die Möglichkeit der Subvention eines Luftreinigers", sagt Beck. „Modernisierungsmaßnahmen bis zu einem Betrag von 20 000 Euro waren möglich, darunter fielen auch die Luftreiniger. Und sie bedeuten mehr Sicherheit für einem selbst und die Mitarbeiter.“ Sein Testkonzept von der Örtlichkeit sowie einen Hygieneplan reichte er beim Gesundheitsamt ein. „Der Hygieneplan ist wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter schulen, dass Sie wissen, was müssen Sie beachten.“

Um die Tests auch abrechnen zu können, muss man sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung registrieren. Erst dann sind Sie berechtigt, die Tests abzurechnen bzw. einzureichen.“ Für jeden durchgeführten Test bekommt Torsten Beck 18 Euro.  „Wir haben Tageslisten mit fortlaufender Nummer. In die Listen wird das Datum, der Name der Kunden sowie die Uhrzeit vom Test eingetragen. In der Einweisung weise ich die Kunden darauf hin, dass ihre Daten vier Wochen gespeichert bzw. abgeheftet werden.“

Torsten und Mandy Beck bieten in ihrem Testzentrum den Nasenabstrich und den Spucktest an. Letzterer sei für manche Kunden eine angenehmere Variante, sich testen zu lassen. „Ganz neu sind jetzt auch die Lolly-Tests. Sie sehen wie ein Lolly aus und werden unter die Zunge gelegt. Dort müssen sie zwei Minuten bleiben“, berichtet Torsten Beck. Aktuell gebe es ein Pilotprojekt im Karlsruher Kreis, bei dem man den Lolly-Test in den Kindergärten und Schulen ausprobiert, um flächendeckend Erfahrungen zu sammeln. Torsten Beck kauft die Tests, die er in seinem Testzentrum verwendet, in der Apotheke. „Das hat den Vorteil, dass sie zum einen die Beratung in der Apotheke und zum anderen eine kurze Lieferkette haben.“

Termine für die Tests vergeben Torsten und Mandy Beck nicht. „Wir haben erst überlegt, ob wir Termine vergeben sollen, uns aber letztendlich dagegen entschieden. Denn viele kommen damit nicht zurecht, vielen ist das zu viel.“ „Wir Friseure müssen uns doch was überlegen. Wir haben es doch eh schon schwer. Manche Kunden wollen gerne zum Termin kommen, wissen aber gar nicht, wo sie auf die Schnelle den Test machen können. Und dabei haben wir ja sowieso schon weniger Umsatz durch die neuen Vorschriften.“

 

Mit Serviceangebot punkten

Auch Peter Heintz, Inhaber der P&A Friseure in Alpirsbach, hat sich Gedanken gemacht, wie er vermeiden kann, dass ihm durch die neuen Vorschriften Umsatz wegbricht. „Wir können nur versuchen, den Kund*innen Arbeit abzunehmen“, sagt der Friseurmeister, der gemeinsam mit seiner Frau Annemarie den Salon führt. „Wir haben mittlerweile 60 Testmöglichkeiten in unserem Fundus, und können jedem Kunden sagen, wo er zum Testen hingehen kann. Der Friseurmeister versucht, das Beste aus seiner Situation zu machen: „Ich kann es nicht ändern, deshalb versuche ich so flexibel wie möglich zu sein. Wir kontaktieren nun telefonisch jeden Kunden und besprechen mit ihm die Situation.“ Dabei schaut er, wann der Kunde seinen Termin hat und wohin er vorher zum Testen gehen könne. „Wir versuchen, den Kunden über das Serviceangebot von vornherein Arbeit und Unannehmlichkeiten abzunehmen.“ Die Kunden seien dankbar, so Heintz. „Viele sind unbeholfen, denken, ein Selbsttest reicht. So kann ich dann reagieren und agieren, sagen, bitte mach einen Test, in deiner Nähe ist die oder die Apotheke, die machen das ohne Termin. Geh hin und bestell einen lieben Gruß von uns.“ Denn mittlerweile sind er und sein Team dort schon gut bekannt, die Mund-Propaganda sorge sogar für Neukunden: „Das Schöne ist, gestern war eine Apothekerin da und hat gesagt, sie wolle nun auch mal zu uns zum Friseur kommen. Und noch einen Vorteil habe laut Peter Heintz die momentane Situation: Die Kunden seien so dankbar über diesen Service, dass auch der Warenverkauf immens gestiegen sei in der letzten Woche. „Ich will nicht sagen, wir sind die Gewinner der Situation, aber wir sind auch auf keinen Fall die Verlierer. Wir profitieren im Moment davon.“

„Konsequenz ist unser Schlüssel zum Erfolg“

Von Kunden habe er erfahren, dass in einigen Barbershops Termine auch ohne Tests möglich seien. Das kommt für Peter Heintz überhaupt nicht in Frage: „Wir fahren die Schiene: nur mit Test und versuchen dann, dem Kunden jegliche Arbeit bzw. Organisation abzunehmen, damit er nicht in die Versuchung kommt, zu sagen, ich habe keinen Test, ich kann nicht kommen.“ Denn: Man müsse die Ausfallquote durch Quarantänesituationen ja auch noch berücksichtigen. „Der eine kommt nicht, weil er keinen Test hat, der andere kommt nicht, weil er in Quarantäne ist, und der dritte kommt nicht, weil er aufgrund von Kontaktpersonen zum PCR-Test muss. Und dann hat man ruckzuck Ausfall. Und da muss ich aus unternehmerischer Sicht das, was ich selbst in der Hand habe, organisieren, letztendlich für Umsatz sorgen. Da nutze ich die Zeit aktiv und versuche den Kunden in den Salon zu bewegen, dass er eigentlich nur kommen muss und einmal den Umweg über ein Testzentrum macht. Wir versuchen über unseren Service, über den persönlichen Kontakt, den Kunden an uns zu binden, das haben wir schon vor Corona gemacht und fahren auch jetzt gut damit. Das ist unsere Marketingstrategie.“

 

Augenmerk auf Sicherheit und Wohlfühlen

Dipl. Kaufmann Ralf Steinhoff, der gemeinsam mit seiner Frau Astrid den Salon „Steinhoff Haardesign“ in Reutlingen führt, gehörte mit zu den ersten, der sich mit dem Thema „Testzentrum Friseur“ beschäftigt hat. Ausgangspunkt seiner Überlegungen seit Anfang der Pandemie war es, das Risiko einer Infektion bestmöglich zu reduzieren. Schon seit Wochen testet der Diplomkaufmann, der als Visionär in seinem Unternehmen gilt und es nach unternehmenssethischen Grundsätzen führt, sich und seine Mitarbeiter*innen zweimal die Woche selbst, absolvierte gemeinsam mit ihnen im Februar den Kurs zur Durchführung von Schnelltests bei der DRK. „Dann kam die Info, dass Baden-Württemberg die Notbremse vorzieht und wir mussten testen. Wir haben unsere Kund*innen angeschrieben und sie informiert, dass wir sie testen können. „Denn mir war klar, wenn sie vor ihrem Termin noch ins Testzentrum gehen und sich dort anstellen müssen, hagelt es Absagen. Das habe ich auch von Kolleg*innen gehört." Die Mindestanforderungen waren erfüllt, der Salon verfügt über zwei separate Räume, in denen getestet werden kann, jeder Raum im Salon ist mit mehr als einem Luftreiniger ausgestattet. "Das habe ich alles genau berechnet. Die Investition lohnt sich, die Kunden sind dankbar dafür. Überall ist ein leises Brummen zu hören, das beruhigt.“

Ralf Steinhoff sei ein „Hardliner“ in Sachen Hygienemaßnahmen, so sagt er. „Ich bin der Meinung, wir Unternehmer*innen haben die Verantwortung, unsere Unternehmen so sicher wie möglich zu machen. „Es ist sicherer, wenn die Menschen in hygienischen Salons bedient werden, anstatt - wie im Lockdown geschehen - im privaten Umfeld frisiert werden. Maximale Sicherheit für alle Menschen, die sich bei uns aufhalten: Das ist der eine Antrieb. Und natürlich muss gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit gegeben sein, denn sonst kann das Unternehmen nicht überleben. Verantwortung trifft Ökonomie.“

Nach einem ermutigenden Gespräch mit dem Oberbürgermeister von Reutlingen, saß Ralf Steinhoff drei Tage und drei Nächte an seinem Konzept, das insgesamt 27 Seiten umfasst sowie einen Hygieneplan von 18 Seiten, und reichte beides beim Gesundheitsamt ein. Seit ein paar Tagen ist sein Salon offiziell als Testzentrum gelistet. Unterstützt in seinem Vorhaben wurde er neben dem Oberbürgermeister, der eine klare Schnellteststrategie unterstützt, von den Kommunen und vom Gesundheitsamt. Nun ist er offiziell als Testzentrum gelistet. „Doch bis zum Schluss hatten wir eine Baustelle: das war das Personal“, berichtet er. „Wir waren ja eh schon personell am Anschlag. Wo nimmt man die Leute her?“ Denn die Tests dauern insgesamt pro Kunde eine Viertelstunde. „Sie müssen die Schutzkleidung anziehen, der Kunde muss aufgeklärt werden, das muss sehr sorgfältig gemacht werden.“ Er hatte dann die Idee, den bekannten Schauspieler und Model aus Reutlingen, Alexander Gutbrod, im Testzentrum zu beschäftigen. „Er hat durch die Pandemie ja momentan auch nicht so viele Aufträge und unterstützt uns nun hier beim Testen.“ Bei den Bürgern käme er sehr gut an, freut sich Steinhoff.

"Wir können auf Dauer nicht nur die Kontakte reduzieren, sondern wir sollten antizipativ mit smarten Tools gegensteuern, um sichere Kontakte zu ermöglichen. Denn epidemiologisch gesehen macht es keinen Sinn, die Begegnungen dem unsicheren privaten Umfeld zu überlassen. Zudem blüht dann dann der Schwarzmarkt. Das würde auf Dauer unsere Branche zu ihrem Nachteil verändern."