12.02.2021
Einblick in die Salon-Situation in Österreich und in der Schweiz
Die TOP HAIR-Korrespondenten der Ausgaben TOP HAIR Austria und TOP HAIR Suisse berichten vom Status Quo der Branchen ihrer Länder.
Friseure in Österreich: Arbeitslust und Testfrust
Martin Schrapfeneder, Chefredaktuer der TOP HAIR Austria, berichtet:
Nach dem (harten) Lockdown ist vor dem Lockdown (light): Seit 8. Februar haben in Österreich Handel und körpernahe Dienstleister wieder geöffnet, auch Schulen stehen wieder für den Präsenzunterricht offen, wenn auch überwiegend im Schichtbetrieb. Die vorsichtigen Öffnungsschritte werden allerdings von verschärften Sicherheits- und Hygienemaßnahmen flankiert: Für einen Besuch beim Friseur müssen sich Kundinnen und Kunden nun mit einem „Eintrittstest“ qualifizieren und ein negatives Attest vorweisen, das nicht älter als 48 Stunden ist. Darüber hinaus gilt FFP2-Maskenpflicht und eine Zugangsbeschränkung: Pro Kunde muss eine Fläche von 20 Quadratmetern zur Verfügung stehen.
„Lieber mit Test öffnen, als gar nicht aufsperren“, richtete Bundeskanzler Sebastian Kurz den körpernahen Dienstleistern via Pressekonferenz aus. Und ja, die heimischen Friseure sind natürlich froh darüber, nach mehr als sechs Wochen endlich wieder Kunden empfangen zu dürfen. Nicht zuletzt auch wegen des Umstands, dass man zu schneidende Häupter nicht der zunehmend wuchernden Schwarzarbeit einiger (mobiler) Kollegen überlassen möchte. Und der „Pfusch“, wie Schwarzarbeit in Österreich liebevoll genannt wird, fand teilweise auch recht ungeniert hinter mit Zeitungspapier verklebten Schaufenstern statt.
Die Idee laufender Corona-(Massen)Tests ist keineswegs neu. Schon zu Beginn des Jahres verkündete die Regierung eine Massentest-Strategie. Geplant war, dass Österreicherinnen und Österreicher sich via Gratis-Testung eine Woche früher aus dem Lockdown freitesten können. Doch der Versuch scheiterte an verfassungsrechtlichen Hürden, auch wehrten sich Gastronomen gegen die Auflage, ihre Kunden vor Betreten des Lokals auf einen negativen Test kontrollieren zu müssen. Die mit viel Aufwand eingerichteten Teststraßen waren daher in Folge nicht annähernd ausgelastet, der Plan verlief im Sand.
Friseure als "Versuchskaninchen" für nationale Massentests?
Mit der Ankündigung der „Eintrittstests“ ist die Branche nun zu Recht darüber verärgert, als Testkandidaten für eine weitere Massenteststrategie der Bundesregierung herhalten zu müssen. Außerdem legt die Verordnung der Regierung zwar die Testpflicht fest – wie diese Maßnahme umzusetzen ist, wusste jedoch auch am Öffnungstag tatsächlich niemand. Denn: Rein rechtlich betrachtet besitzen Friseure selbstverständlich keine Befugnis, von Besuchern ein Testergebnis zu verlangen. Und mit einem Testergebnis alleine ist es auch nicht getan: Solange nur Stammkunden kommen, stellt die Identifikation kein Problem dar. Was aber, wenn es um Neukunden geht, die im Salon niemand kennt? Dann müsste schließlich auch ein Ausweis verlangt werden, um festzustellen, dass das vorgewiesene Testergebnis auch tatsächlich zu dem gehört, der es vorzeigt. Und die Befugnis, die Identität per Ausweis nachzuprüfen, fehlt Friseuren natürlich erst recht. Ob dieser Unschärfe verließen sich einige Salonunternehmer auf die Unrechtmäßigkeit und warben in Sozialen Medien u.a. damit, keine Tests von ihren Kunden zu verlangen. Sehr zum Verdruss jener Kollegen, die die Testpflicht ernst nehmen wollen.
Viele Fragezeichen auch bei den Friseurkunden
Auch unter Kundinnen und Kunden ist die Verwirrung groß: Welche Tests werden als „Eintrittstest“ akzeptiert und welche nicht? Muss ich mich auch testen lassen, wenn ich bereits infiziert bzw. erkrankt war? Wo kann ich mich denn überhaupt testen lassen und was kostet das? Licht in dieses Besucherdunkel müssen nun wohl oder übel die Friseure bringen und avancieren so unfreiwillig zu Beratungshotlines. Ungehört blieb bisher u.a. Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder, der für die verpflichtenden Mitarbeitertests kostenlose Selbsttestmöglichkeiten fordert, um die wöchentliche Testpflicht so unkompliziert wie möglich zu halten. Eders Bilanz nach knapp einer Woche Betrieb: „Unsere Kunden denken um. Zuerst besorgen sie sich den Friseurtermin, damit sie sich nachher um den nötigen Test kümmern können. Ich merke allerdings einen Unterschied in der Akzeptanz der Maßnahmen und auch der Testbereitschaft: Ich habe einen Salon in der Stadt und einen am Land und am Land werden definitiv mehr Termine abgesagt.“ Der Bundesinnungsmeister rechnet auch nicht damit, dass die Testpflicht so bald fallen wird, im Gegenteil: „Ich glaube die Eintrittstests werden uns eine ganze Weile lang bleiben und in Folge auch für Gastronomie und Hotellerie gelten“, so Eder. Wann Restaurants und Hotels wieder öffnen dürfen, steht indes allerdings noch in den Sternen.
Maßnahmen schrecken vor einem Friseurbesuch ab
Festzustehen scheint, dass die nun verschärften Maßnahmen viele abschrecken, demnächst zum Friseur zu gehen. Befürchtet wird außerdem, dass die verunsicherte Kundschaft lieber den „Pfuscher“ nach Hause bestellt, als den mitunter im ländlichen Bereich oft weiten Weg zur nächsten Testmöglichkeit auf sich zu nehmen. Katharina Strassl, Intercoiffeurin in Wien, berichtete nach dem ersten Öffnungstag im ORF-Frühstücksfernsehen von spürbaren Folgen: „Wir haben ja den Vergleich zum ersten Lockdown, da waren wir für fünf bis sechs Wochen wirklich knackevoll. Im Moment sind es etwa eineinhalb Wochen – das sind unsere eingefleischten Kunden, die alles mittragen. Aber dann wird es schön langsam mau. Besonders stark merken das Salons mit Online-Buchungen, wo man sich schon vorher Termine für nach dem Lockdown buchen konnte – die beklagen im Moment Absagen von 30 bis zu 60 Prozent.“ Strassl moniert auch, dass es bundesweit keine flächendeckenden Testmöglichkeiten für Konsumenten gibt und fordert, dass Friseure auch die wöchentlich in Schulen bei Kindern und Jugendlichen durchgeführten Tests akzeptieren dürfen. „Das ist für viele einfach nicht nachvollziehbar und wir können das auch nicht erklären und müssen sagen: Das ist leider so, wir können das nicht ändern“, so Strassl, die sich auch verlängerte Testslots wünscht, um Berufstätigen den Zugang zu Test und somit auch zum Friseurbesuch zu erleichtern.
Öffnung der Friseursalons in Österreich zu früh?
Insgesamt ist in Frage zu stellen, ob die nun vorgenommenen Öffnungsschritte tatsächlich zum richtigen Zeitpunkt kamen, wird doch die derzeit fortschreitende Verbreitung von Coronavirus-Mutationen – etwa der britischen und der südafrikanischen Variante – zunehmend zum Problem: In Tirol häufen sich Verdachtsfälle auf die südafrikanische Mutation. Außerhalb Südafrikas, dem mit Abstand am stärksten von der Pandemie betroffenen afrikanischen Land, stellt Tirol das derzeit weltweit größte bekannte B.1.1.7-Cluster dar. Es besteht der Verdacht, dass Tiroler Hoteliers die hoch infektiöse Mutante während eines Golfurlaubs in Südafrika eingeschleppt haben. Zwar liegen dafür noch keine Beweise vor, doch allein der Verdacht wirft kein gutes Licht auf Österreich und insbesondere Tirol, dessen politische Entscheidungsträger sich nach dem Fall Ischgl vor ziemlich genau einem Jahr nun erneut nicht durch die Bereitschaft zu raschen und wirksamen Maßnahmen auszeichnen. Schon nach dem Fall Ischgl hatte man beteuert, alles richtig gemacht zu haben – ein Standpunkt, der zur Verärgerung vieler auch jetzt wieder eingenommen wurde. Gegen die Beteuerungen von Tirols Politik sprechen allerdings die von den Gesundheitsbehörden der jeweiligen europäischen Länder vorgelegten Daten, denen zufolge Anfang 2020 mehr als 11.000 Infektionen auf einen Winterurlaub in Ischgl zurückzuführen waren.
Geht es nach der Meinung zahlreicher Experten, wird die Freude über die nun vorgenommen Öffnungen ohnehin nicht lange währen können: Sie sagen einen baldigen und steilen Anstieg der Infektionszahlen voraus. Der nächste Lockdown wird also vermutlich kommen, die Frage ist nur, wann.
Schweizer Friseure nach dem ersten Lockdown dauerhaft geöffnet
Sabine Klopfer, Chefredakteurin TOP HAIR Suisse, berichtet:
Die wichtigste, alles überstrahlende Tatsache ist, dass die Coiffeurgeschäfte in der Schweiz seit dem 27. April 2020 wieder geöffnet sind und von einem zweiten Lockdown verschont blieben. Die Erleichterung darüber ist so gross, dass alle Erschwernisse und Unwägbarkeiten, die mit der Coronakrise einhergehen, in den Hintergrund rücken – insbesondere, wenn man über die Grenzen schaut und sieht, dass die Berufskollegen in den Nachbarländern schon seit Monaten keine Kunden bedienen dürfen.
Sechs Wochen Lockdown für Schweizer Friseursalons in 2020
Insgesamt sechs Wochen hatte der Shutdown im letzten Jahr gedauert. Danach gehörten die Friseure zu den ersten Geschäften, die wieder öffnen durften und von dankbaren Kunden förmlich überrannt wurden. Dies u.a. dank eines Hygiene- und Schutzkonzepts, das der Verband coiffureSuisse frühzeitig erarbeitet und vorgelegt hatte.
Masken, Desinfektionsmittel, Schutzhandschuhe, ausreichend Abstand zwischen den Bedienplätzen etc. sind inzwischen fester Bestandteil des Berufsalltags. Ein notweniges Übel, über das sich kaum noch jemand beschwert, schließlich ist die strikte Einhaltung der Maßnahmen der Garant dafür, weiterarbeiten und seinen Lebensunterhalt verdienen zu können.
Regeln verschärft zur Eindämmung der Mutationen
Zur Eindämmung von Covid-19 sowie der sich rasch verbreitenden und immer zahlreicher auftretenden Mutationen, hat der Bundesrat Mitte Januar 2021 verschärfte Regeln angeordnet: Alle Läden, die nicht zur Grundversorgung gehören, sind geschlossen; Restaurants und Freizeitbetriebe sowieso. Homeoffice ist Pflicht, und treffen darf man sich maximal zu fünft. All dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Friseurgeschäfte. Die Kundenströme werden umverteilt. Wer einen Salon in der Innenstadt, einem Einkaufszentrum oder in einem Gewerbegebiet hat, verzeichnet einen deutlichen Kundenrückgang, da die Pendler fehlen, die Büros ausgestorben und die Straßen menschenleer sind. Über vermehrte Terminanfragen können sich hingegen Coiffeurbetriebe in Wohngebieten und ländlichen Gegenden freuen. Wer im Homeoffice sitzt, entdeckt plötzlich den Salon in seinem Dorf oder seinem Quartier – und bleibt ihm eventuell treu. Die Karten werden neu gemischt.