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27.05.2024

Kurzarbeitergeld in Coronazeiten? Es drohen hohe Verspätungszuschläge

Während der Coronakrise haben viele Arbeitnehmer*innen Kurzarbeitergeld erhalten. Zwar steuerfrei, aber der persönliche Steuersatz ist dadurch erhöht. Es kommt zu Nachzahlungen und möglicherweise Verspätungszuschlägen. Was kann man tun?

Das Kurzarbeitergeld ist steuerfrei. Es erhöht aber, über den sogenannten Progressionsvorbehalt*, den persönlichen Steuersatz. Deshalb kommt es oft zu Steuernachzahlungen für die Jahre 2020 bis 2022. Für viele Menschen, die für diese Jahre keine Steuererklärung abgegeben haben, kommt diese Nachricht zweifach überraschend. Denn neben einer Nachzahlung können hohe Verspätungszuschläge anfallen, wenn die Steuererklärung verspätet abgegeben wird, erklärt Steuerexperte Peter Schmitz. 

Wer muss eine Steuererklärung abgeben?
Wer mehr als 410 Euro Kurzarbeitergeld pro Jahr bekam, muss eine Steuererklärung abgeben. Das Finanzamt erfährt automatisch vom Bezug des Kurzarbeitergeldes und fordert zur Abgabe der Steuererklärung auf, wenn dies nicht pünktlich geschieht. Man kommt um die Abgabe der Erklärung also nicht herum.

Aktuell fordern Finanzämter viele Kurzarbeitergeld-Empfänger auf, ihre Steuererklärung nachträglich abzugeben. Manche, die ihre Erklärung, z.B. für 2020, erst jetzt einreichen, sind überrascht: Es können Verspätungszuschläge von mehreren Hundert Euro anfallen. Dies ist gesetzlich geregelt und rechtens. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 hätte bei Steuerzahlern, die keinen Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein beauftragt haben, je nach Bundesland spätestens am 1. oder 2. November 2021 beim Finanzamt sein müssen.

Und wenn man die Frist verpasst hat?
Dann muss man Verspätungszuschlag zahlen. Dieser beträgt für jeden angefangenen Monat der Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro pro Monat. Diese Regelung ist verpflichtend (§ 152 Abs. 2 und Abs. 5 AO). Wer die Steuererklärung für 2020 erst im März 2024 abgibt, muss daher mindestens 725 Euro Verspätungszuschlag zahlen (29 Monate seit November 2021 x 25 Euro).

Werden zusätzlich Nachzahlungszinsen erhoben?
Ja, neben Verspätungszuschlägen können auch Nachzahlungszinsen anfallen. Diese Zinsen beginnen ab dem 1. Oktober 2022 und betragen 0,15 Prozent pro Monat, also 1,8 Prozent pro Jahr. Der Zeitraum für die Berechnung von Zinsen beginnt grundsätzlich erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres, das der jeweiligen Steuererklärung zugrunde liegt – das ist die sogenannte Karenzzeit. Der Zeitraum endet dann mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids. Durch Corona wurde die Karenzzeit vorübergehend verlängert: Für die Steuerjahre 2019 bis 2021 beträgt sie 21 Monate, für die Erklärung 2022 waren es noch 20 Monate. 

Gibt es Ausnahmen vom Verspätungszuschlag?
Ja, der Verspätungszuschlag entfällt, wenn der Steuerzahler*in eine Steuererstattung zusteht oder wenn der Steuerbescheid mit 0 Euro festgesetzt ist.

Kann man sich darauf berufen, dass man von der Abgabepflicht nichts wusste?
Denkbar ist diese Argumentation z.B. bei Rentnern, die früher eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung oder eine Mitteilung, künftig nicht mehr erklärungspflichtig zu sein, erhalten haben, d. h., dass sie mit ihren steuerpflichtigen Einkünften jahrelang unter dem Grundfreibetrag lagen und dann zum Beispiel nach einer Rentenerhöhung plötzlich steuerpflichtig werden. Wenn sie nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist vom Finanzamt zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert werden - möglicherweise für mehrere zurückliegende Jahre - müssen sie den Zuschlag nur für die Monate nach der Aufforderung zahlen (§ 152 Abs. 5 Satz 3 AO).

Was passiert, wenn man die Steuererklärung überhaupt nicht abgibt?
Wer keine Steuererklärung abgibt, riskiert eine Schätzung durch das Finanzamt, was meist zu höheren Nachzahlungen führt. Man ist weiterhin verpflichtet, für das entsprechende Steuerjahr - trotz Schätzung - eine Erklärung abzugeben. Ignoriert man das, wird das Finanzamt weiter Zwangsmaßnahmen durchführen und Bußgelder verhängen oder sogar eine Ermittlung wegen Steuerhinterziehung aufnehmen.

Was können Betroffene tun, wenn sie eine Steuernachforderung samt Verspätungszuschlag erhalten haben?

Ignorieren Sie die Aufforderung nicht. Prüfen Sie den Steuerbescheid. Prüfen Sie, ob Sie alle Ausgaben, insbesondere Werbungskosten, Vorsorgeaufwendungen bzw. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht haben und ob alle Ausgaben anerkannt wurden. Legen Sie gegebenenfalls innerhalb der einmonatigen Frist Einspruch ein. Haben Sie Ausgaben vergessen? Machen Sie die entsprechenden Kosten nachträglich geltend. Wer Glück hat, erreicht so statt einer Nachzahlung sogar noch eine Steuererstattung und entgeht damit auch den Nachzahlungszinsen.

Bei unbilligen Härten können Sie einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags stellen, der gut begründet sein muss. Das heißt, dass Sie die sachliche und am besten auch die persönliche Härte erklären müssen, die durch die Festsetzung des Verspätungszuschlages entstanden ist. Sie müssen sehr gut begründen können, warum Sie daran gehindert waren, die Steuererklärung fristgerecht abzugeben. Zum anderen müssen Sie erklären, warum Sie die Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlages finanziell besonders hart trifft. Erklären Sie Ihre Situation schriftlich oder rufen Sie das Finanzamt an. Aber werden Sie auf jeden Fall aktiv.  Vielleicht lässt sich das eine oder andere Finanzamt erweichen.

Beachten Sie aber: Ein Einspruch verschiebt nicht die Fälligkeit der Steuerschuld. Wer nicht pünktlich zahlt, muss mit Säumniszuschlägen rechnen. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung muss gut überlegt und begründet sein, da bei Ablehnung zusätzliche Aussetzungszinsen anfallen. Um dieses Problem zukünftig zu vermeiden, lassen Sie sich von einer Steuersoftware kostenlos ausrechnen, ob auch nach Abzug Ihrer Kosten noch eine Nachzahlung fällig wird. Ist das der Fall, sollten Sie die Steuererklärung so schnell wie möglich abgeben, um den Verspätungszuschlag zu minimieren.

 

*Was ist der Progressionsvorbehalt?

Das ist eine steuerliche Regelung in Deutschland, die bestimmte steuerfreie Einkünfte berücksichtigt, um den Steuersatz für das übrige Einkommen zu bestimmen. Obwohl diese Einkünfte selbst nicht versteuert werden, erhöhen sie den Steuersatz für das übrige zu versteuernde Einkommen. 

Beispiele für Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, sind: Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Elterngeld, Krankengeld, Insolvenzgeld

Wie funktioniert der Progressionsvorbehalt?

Zunächst wird das gesamte Einkommen berechnet, einschließlich der steuerfreien Einkünfte. Auf Basis dieses Gesamteinkommens wird der Steuersatz ermittelt, der auf das zu versteuernde Einkommen angewendet wird. Dieser Steuersatz wird dann nur auf das zu versteuernde Einkommen angewendet, nicht auf die steuerfreien Einkünfte. Den höheren Steuersatz wendet der Arbeitgeber beim monatlichen Lohnsteuerabzug aber nicht an. Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin hat also im Laufe des Jahres eventuell zu wenig Steuern gezahlt. Somit ist eine Steuernachzahlung wahrscheinlich.

Beispiel: Jemand hat 30.000 Euro zu versteuerndes Einkommen und 10.000 Euro steuerfreies Kurzarbeitergeld. Das Finanzamt berechnet den Steuersatz, als ob die Person 40.000 Euro verdient hätte. Der höhere Steuersatz wird dann auf die 30.000 Euro angewendet. Dadurch erhöht sich die Steuerlast, obwohl das Kurzarbeitergeld selbst steuerfrei ist. Der Progressionsvorbehalt sorgt also dafür, dass der persönliche Steuersatz steigt, wenn steuerfreie Einkünfte bezogen werden.