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12.07.2018

Keine Angst vor Schwangeren!

Werdende Mütter im Team – ein Problem oder eine Herausforderung, die Chancen birgt?

„Es klingt paradox, aber der Gewinn des TOP Salon 2015 war eine Katastrophe für uns“, erzählt Stephan Hochstein von „barbers“ in Pforzheim. Der Award hatte dem Salon gute Buchungszahlen und viele Neukunden beschert. Doch dann: Zwei der wichtigsten Mitarbeiterinnen wurden schwanger, kurz darauf eine dritte Kollegin. „Es war die Höchststrafe. Wir mussten einen Neukundenstopp einlegen“, erinnert sich der Chef. Trotz aller Mitfreude ist die Nachricht einer Schwangerschaft für viele Arbeitgeber erst mal ein Schock – gerade, wenn sie keinen Riesenbetrieb führen. Für die Friseurunternehmer Stephan Hochstein und Andreas Klug folgte auf den ersten Schreck die Lernphase. Die Erkenntnisse daraus möchte Hochstein heute nicht mehr missen.

Langsam reduzieren

Schnell in eine offene Kommunikation kommen und aktiv mit der neuen Situation umgehen, sei enorm wichtig. „Okay, du bist schwanger. Ich möchte dich nicht verlieren! Wie kann es weitergehen?“ Die ersten Schritte waren: Aus dem Thema Haarfarbe rausnehmen, nach und nach die Stunden runterfahren und individuell sehen, wie es der Kollegin damit geht. Ein langsames Ausscheiden habe sich sowohl für die werdende Mutter als auch für den Betrieb und die Stammkunden als der richtige Weg erwiesen. „Fast alle meine Schwangeren konnten so bis zu Beginn des Mutterschutzes da sein – in der letzten Phase dann eben nur noch mit vier Stunden pro Woche“, berichtet Hochstein. Und: Bevor die schwangeren Kolleginnen sich in den Mutterschutz verabschiedeten, hielten sie für die anderen Kollegen zwei Übungsabende ab. So konnten sie ihr Expertenwissen an das Team weitergeben. Und der Wiedereinstieg? Eine Kollegin habe nach acht Wochen schon wieder peu à peu angefangen zu arbeiten. Inzwischen seien zwei Kolleginnen wieder auf 450-Euro-Basis mit dabei, die dritte arbeite 32 Stunden pro Woche. Ganz klar: Mit einem starren „Jeder arbeitet- Vollzeit-Konzept“ konnte das nicht gelingen. So mussten die beiden Geschäftsführer den Mitarbeiter-Einsatzplan neu überdenken. Schichtsysteme, flexible Arbeitszeiten, Öffnungszeiten bis 21 Uhr – der Salon hat sich der Veränderung angepasst und es hat sich gelohnt. Denn auch die frischgebackenen Mamas waren froh, dass ihr Betrieb so viele Möglichkeiten bot zurückzukommen, denn samstags oder abends zu arbeiten, wenn der Partner zu Hause ist, kam ihnen entgegen.

Gold wert

„Trotz allem Stress, den wir anfangs hatten: Mütter sind Gold wert! Sie nehmen vieles gelassener, führen die jüngeren Kollegen“, berichtet Stephan Hochstein. Die Teamstruktur sei bei „barbers“ wie bei einer Familie: der 16-jährige Lehrling, die 46-jährige Mutti, die 30-jährige- Vollzeitkraft – einfach eine gute Mischung. „Mütter sind in unserem Team Ankermitarbeiter. Sie vermitteln, brechen Grüppchen auf, schmieren den Motor. Das sind Qualitäten, die man als Unternehmer nutzen muss!“ Um Ausfälle aufzufangen, zum Beispiel, wenn ein Kind krank ist, werden die digitalen Medien bemüht. „Unsere Kolleginnen mit Nachwuchs haben eine ‚Müttergruppe‘ auf ‚Telegram‘ eingerichtet und sprechen sich selbstständig ab. Fällt eine aus, springt eine andere ein. Das klappt super“, weiß Hochstein, der selbst alleinerziehender Vater ist. Wie schwierig das Geld verdienen ist, wenn man nicht Vollzeit arbeiten kann und dann noch in einer schlechten Steuerklasse sitzt, weiß der Geschäftsführer auch. Deshalb nutzt er Provisionen für die Mitarbeiter, die nicht von der Steuer einkassiert werden: „44- Euro-Gutscheine, Erholungsbeihilfen, die man einmal jährlich zahlen kann – auf diese Weise können wir individuell wertschätzen.“ Für Andreas Klug und Stephan Hochstein schwebt das Thema Schwangerschaft nicht mehr wie ein Damoklesschwert über dem Salon. „Der Umgang mit Schwangerschaft und Wiedereinstieg gehört einfach zur Mitarbeiterführung. Steht der unternehmerische Plan insgesamt auf stabilen Füßen, bewältigt man auch diese Herausforderung – im besten Fall mit einem tollen Mehrwert!“

Mütter binden

Auch für Jochen Carls von Trio Hair ist das Thema „schwangere Arbeitnehmerinnen“ nicht negativ besetzt. Alle sechs bis sieben Jahre würden bei den rund 90 Kolleginnen gehäuft Schwangerschaften auftreten, schmunzelt er. Es gelte dann individuell zu klären, wo die Bedürfnisse liegen. „Jede Frau ist anders schwanger. Manche kommen beschwerdefrei durch die Schwangerschaft, andere haben Probleme“, ist die Erfahrung des Unternehmers. Damit müsse man umgehen – erforderliche Pausen ermöglichen, Stunden individuell runterfahren. „Unsere Branche kämpft ohnehin mit einer Verknappung der Mitarbeiter. Der Großteil der Beschäftigten ist weiblich. Also muss man mit dem Thema umgehen und nicht die Augen davor verschließen“, ist seine Meinung. Deshalb möchte er Mütter binden, nicht vergraulen. Vom Verständnis und der Unterstützung ihres Chefs profitierte auch Friederike Meier, die bei Trio Hair am Holzmarkt in Hannover arbeitet. „Als ich wusste, dass ich schwanger bin, habe ich mich selbst intensiv über Rechte und Pflichten informiert, das Mutterschutzgesetz durchgelesen und mit meiner Frauenärztin über die Arbeit mit Chemikalien gesprochen – einfach um sicherzugehen. Aber auch mein Chef hat von Anfang an mitgedacht und darauf geachtet, dass ich mich nicht überfordere“, erzählt sie. Für sie sei es besonders wertvoll gewesen, es offen und ehrlich sagen zu können, wenn es ihr mal nicht so gut ging. Als das Kind da war, wurde gemeinsam darüber nachgedacht, wie man die Einsatzzeiten im Salon und die Betreuungszeiten für den Sohn am besten aufeinander abstimmen kann. „Die jetzige Lösung passt perfekt und die Kunden freuen sich, dass ich wieder für sie da bin. Und wenn sich die Dinge verändern, weiß ich, dass wir Möglichkeiten haben, gemeinsam eine neue Regelung zu finden“, sagt Friederike Meier.

 

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