Holger Püschel, Foto: www.jekaterina-knyasewa.com

13.09.2018

Für „Phantomlohn“ zahlen?

Nachzahlungen für „Phantomlohn“ spülen Geld in die Sozialkassen – und schaden den Betrieben. Unser Steuerexperte Holger Püschel klärt auf.

Das sogenannte Anspruchsprinzip im Sozialversicherungsrecht besagt, dass Sozialversicherungsbeiträge immer auf den Lohn anfallen, auf den der Arbeitnehmer einen gesetzlichen oder tariflichen Anspruch hat. Egal ist, ob dieser Lohn tatsächlich ausbezahlt wurde.

Jeder Friseurunternehmer hat daraufhin gelernt, dass Tariflohnunterschreitungen zu Nachzahlungen bei Prüfungen führen. Ein einfaches Beispiel: Ein Friseurunternehmer hat von der Anpassung des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages zwei Monate zu spät erfahren. Er erhöht seine Löhne erst im Folgemonat, ohne aber gleichzeitig die Leistungsanforderungen der Mitarbeiter zu erhöhen. Für alle Beteiligten war die Sache damit in Ordnung. Jahre später aber erhebt der Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung auf diesen Sachverhalt eine unangenehme Nachzahlung. Ein neues Wort war geboren: Phantomlohn.

Provision mit Nebenwirkungen

In jüngster Zeit tappen Friseurunternehmer in neue Fallen des Phantomlohns: Ein Friseurunternehmer zahlt seinem Team Provisionen für gute Leistungen. Das Prämienmodell sieht vor, dass der Mindestbruttoumsatz das 3,5fache des Grundgehaltes beträgt. Die Provision liegt bei 20 Prozent des Betrages, der den Mindestbruttoumsatz übersteigt. Solche oder ähnliche Modelle sind gelebter Alltag in vielen Salons in Deutschland und von Chefs sowie von Mitarbeitern gleichermaßen akzeptiert. Was macht die Deutsche Rentenversicherung aus einem solchen Sachverhalt? Sie legt § 11 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes zugrunde. Dort heißt es: „Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat.“ Ist die Friseurin also im Urlaub, steht ihr nicht nur ihr Grundlohn zu, sondern auch eine Provision. Sie hat somit im Urlaub Anspruch auf die durchschnittlich zuvor erzielte Prämie! Es handelt sich hier um eine dieser gesetzlichen Lohnfiktionen, die zum berüchtigten Phantomlohn führen.

Ein weiteres Zahlenbeispiel: Eine Jungfriseurin mit bestandener Gesellenprüfung hat ein Grundgehalt von 1.556 Euro. Sie erreicht im Mai eine Prämie von 171 Euro, im Juni eine Prämie von 231 Euro und im Juli eine Prämie von 91 Euro. Im August hat sie vier Wochen Urlaub, die Monatsabrechnung erfolgt mit dem Grundlohn von 1.556 Euro brutto.

Die Friseurin hat aber nach § 11 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz im August einen Lohnanspruch von 1.556 Euro zuzüglich rund 164 Euro Prämie (durchschnittliche Prämie der letzten drei Monate)! Auf diese (nicht gezahlte) Prämie – den Phantomlohn – erhebt die Deutsche Rentenversicherung nun rund 66 Euro Beiträge nach. In einem Salon mit fünf Angestellten kommt so in vier Jahren eine Nachzahlung von insgesamt fast 3.000 Euro heraus.

Prämiensystem überlegt anpassen

Provisionsmodelle und Prämiensysteme sollen Leistungsanreiz sein. Durch den Prüfungsansatz der Deutschen Rentenversicherung wird das Gegenteil erreicht. Ein freiwilliger Leistungsanreiz des Arbeitgebers in guten Leistungsmonaten führt im Urlaubsmonat zu einem leistungslosen Zusatzlohn, der als Phantomlohn teure Sozialversicherungsbeiträge auslöst. Was also tun? Eine sorgfältig überlegte Anpassung des saloninternen Prämiensystems könnte der Ausweg sein. Anstatt zum Beispiel 20 Prozent Provision auf den erreichten Mehrumsatz zu gewähren, wird der Satz auf 15 Prozent gesenkt, aber auch in Urlaubszeiten ein Provisionsanspruch abgerechnet und ausgezahlt – ganz im Sinne des Gesetzes.