Foto: Sebastian Krombholz

27.01.2016

Der faire Salon

Ein faires Miteinander führt zu wirtschaftlichem Erfolg. Das ist stark verkürzt die Aussage des Verhaltenskodex „Leitlinien für europäische Friseure“,

der von den europäischen Sozialpartnern, Coiffure EU und UNI-Europa, unterschrieben wurde und von der Europäischen Kommission unterstützt wird. In Kooperation mit TOP HAIR hat Friseurmeister René Krombholz die Initiative „Der faire Salon“ gegründet, die den Kodex bekannt machen soll. Denn, wird der Kodex konsequent umgesetzt, gewinnen alle: Unternehmer, Mitarbeiter, Kunde.

Was ist der Verhaltenskodex?

Den Kodex gibt es seit 2001. Die darin verfassten Leitlinien richten sich an die Arbeitgeber und -nehmer im Friseurgewerbe. Die Verfasser des Kodex sind sicher, dass gutes Arbeitsklima und Geschäftserfolg nicht voneinander zu trennen sind. So sieht der Kodex etwa vor, dass im Salon alle an einem Strang ziehen sollen, Schwarzarbeit bekämpft wird und der Unternehmer gegenüber seinen Mitarbeitern transparent agiert. Gesundheitsschutz soll groß geschrieben, Weiterbildung und lebenslanges Lernen gefordert und gefördert werden. Faire Löhne sollen die besten Auszubildenden anziehen, Qualität garantieren und damit den Geschäftserfolg sichern. Denn das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Verständnis für und Kenntnis von der Situation aller Beteiligten führt zu mehr Arbeits- und Lebensqualität und wird so für alle zum  Gewinn. Was das konkret im Salonalltag, für Unternehmer, Mitarbeiter und Kunden heißt, stellen wir in einer kleinen Serie vor. Zum Auftakt sprachen wir mit „Der faire Salon“-Initiator René Krombholz.

TOP HAIR: Herr Krombholz, warum engagieren Sie sich für die Umsetzung des Kodex?

René Krombholz: Der Kodex entspricht meinen persönlichen Wertvorstellungen. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass nur die Unternehmen langfristig erfolgreich sind, die nach dem Win-win-Prinzip arbeiten.  Wenn also mein Vorteil zugleich der Vorteil des anderen ist. Nach meiner Überzeugung bietet der Kodex viele Lösungswege an. So wie es der Untertitel verspricht: „Wie man miteinander auskommt.“

Welche Probleme kann der Kodex lösen?

Keine – und gleichzeitig fast alle! Es handelt sich um Leitlinien, anders gesagt: Empfehlungen. Der Kodex kann nur „bewusst machen“ mit dem Ziel, dass sich die Betroffenen selber an die Arbeit machen. Es geht um gegenseitiges Verstehen, den gemeinsamen Dialog als Grundlage eines erfolgreichen Miteinanders. Die daraus resultierenden Handlungsweisen lösen die Probleme.

Welche Probleme kann er nicht lösen?

Die Grenzen setzen lediglich die Menschen, die ihn leben – oder eben nicht. Die Umsetzung erfordert eine hohe Konsequenz, Bereitschaft zur Veränderung und den Willen, an sich zu arbeiten.

Sind die Forderungen des Kodex in Deutschland nicht schon längst umgesetzt?

Bei uns sehe ich zur Umsetzung noch viel Handlungsbedarf. Die soziale Absicherung haben wir realisiert, lebenslanges Lernen ist möglich, aber nicht die Normalität. Aber der Kodex spricht auch von wirtschaftlich gesunden Betrieben und von der Beseitigung der Schwarzarbeit als Grundvoraussetzung. Wer die deutsche Friseurbranche kennt, weiß, dass dies zurzeit Utopie ist! Wenn der Kodex von fairen Löhnen spricht, denke ich nicht nur an Löhne im Osten Deutschlands, sondern weiß, dass hierzulande weit verbreitet Tarifverträge ausgehebelt werden. Aber ich denke auch an das Einkommen der Unternehmer, denn auch das ist nicht immer fair. Nicht jeder Unternehmer erreicht die Höhe des Mindestlohns.

Ich empfinde es als unfair, wenn Unternehmen Bewerber bis zu 14 Tage „Probe arbeiten“ lassen, um dann ohne Entgelt zu sagen: „Danke, das war’s.“ Nicht unüblich, aber unfair den Menschen und Mitbewerbern gegenüber. Aber das sind nur so einige Punkte, wo in Deutschland eine Umsetzung fehlt, es gibt genügend weitere.

Wie sind Sie auf den Kodex aufmerksam geworden?

Durch Zufall stieß ich im Internet auf diesen Kodex und war sofort begeistert. Er enthielt so ziemlich alles, was ich selber an Gedanken im Kopf hatte, aber bis dahin nicht umsetzen konnte. Zum damaligen Zeitpunkt habe ich gezweifelt, ob meine Vorstellungen überhaupt realisierbar seien. Der Kodex gab mir die Zuversicht, meinen Weg weiterzugehen.

Setzen Sie in Ihrem Salon alle Leitlinien um?

Inzwischen ja! Aber es ist ein Prozess, der sich ständig weiterentwickelt. Ständige Überprüfung im Team, Gespräche, Controlling, fast täglich neue Herausforderungen. Ehrlich gesagt brauchte das aber mehrere Anläufe, da ich auch Fehler machte. Trotz einer Meisterprüfung mit Auszeichnung musste ich sehr viel Lehrgeld bezahlen.

Was sind die häufigsten Fehler?

Dieser Kodex beruht auf guten Beziehungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern. Solche Arbeitsbeziehungen gründen auf Vertrauen, auf Teamgeist, auf einem unablässigen sozialen Dialog, und sind Ausdruck gegenseitigen Verstehens. Bereits in diesen Grundprinzipien liegt die Schwierigkeit. Ich möchte an dieser Stelle meine eigenen Fehler aufzeigen:

Meine Selbstständigkeit habe ich mit dem Vorsatz angefangen: „Behandle und bezahle deine Mitarbeiter gut – der Rest ergibt sich von alleine!“ Das war ein großer Irrtum, weiß ich heute. Meine Mitarbeiter sprachen zwar vom besten Chef der Welt, aber als die Zahlen rot wurden und ich Leistung einforderte, wurde es kritisch und ein Unternehmensberater kam dazu. Mit dem Bemühen das Ruder herumzureißen, begann eine schwere Zeit. Drei Mitarbeiter verließen uns sofort, schlechte Stimmung herrschte im Team. Die Tatsache, dass die Löhne verspätet gezahlt wurden, wurde lautstark herumgetratscht, der Umsatz sank und sank, die wirtschaftliche Katastrophe drohte.

Ich hatte Mitarbeiter mit vielen Seminaren gefördert, aber sie setzten es nicht um, hatten gar keine Lust dazu. Ich hatte versäumt zu fordern, statt nur zu fördern, hatte Notwendigkeiten nicht erklärt und das Okay dazu nicht eingeholt – schlichtweg: Es fehlte der Dialog und es waren vielleicht auch nicht die richtigen Mitarbeiter!

Wie motiviert man so eine Mannschaft? Mit Prämienlöhnen, meinte unser Berater. In der Folge zahlten wir Prämien zwischen 400 und 1.000 Euro pro Monat und Mitarbeiter – ohne dass sich ein Mehrumsatz ergab. Unsere Mitarbeiter freuten sich über mehr Geld, während Chef und Chefin ihre Kleidung am Trödelmarkt kauften und auf Urlaub und Freizeit verzichteten. Geld ist überhaupt keine Motivation, lernte ich daraus, schon gar nicht in solchen Situationen. Faire Entlohnung ja, aber Zielvorgaben, die vereinbart und kontrolliert werden, sind unerlässlich.

Was haben Sie geändert?

Aus Fehlern lernt man, und ich lernte, wie wichtig ständige Kontrolle ist. Besonders, wenn es um die „Stars“ des Salons geht, die Umsatzträger.

Mein erster Star, auf ständig schlechte Verkaufszahlen angesprochen, beteuerte inständig: „Ich berate und empfehle, immer!“ Eine Aussage, die durch eingeführte schriftliche Qualitätschecks von den Kunden selber der Lüge gestraft wurden. Die bemängelten nämlich die fehlende Produktberatung!

Mein zweiter Star führte eine Filiale, die ich vertrauensvoll nicht kontrollierte. Für die sinkenden Umsätze bekam ich glaubwürdige Erklärungen – bis ich zufällig erfuhr, dass mein „Star“ eine Einkaufskarte für den Großhandel besaß – und dort für rund 700 Euro im Monat Waren orderte. So schlecht lief die Filiale nun wohl doch nicht. Mein Unternehmen hatte mehrere solcher Stars.

Mit Menschen und menschlichen Konzepten zu arbeiten heißt auch, um die Fehler und Schwächen zu wissen, die sich hieraus ergeben. Ständige Wachsamkeit und Kontrolle, ausgewogenes Fördern aber auch Fordern sind ebenso wichtig wie ständiger Dialog und stetige Veränderung.

Veränderungen machen aber den meisten Menschen Angst, nicht alle Mitarbeiter sind fähig, einen ausgewogenen Dialog zu führen.

Besonders starke Mitarbeiter werden hier oft zum Problem, weil sie meist Einzelkämpfer sind. Sie sehen ihre Krone in Gefahr und letztlich: was bisher (aus ihrer Sicht) erfolgreich war, muss ja gut sein. Fast immer fehlt aber die Sicht nach Außen. Die Gesellschaft hat sich ebenso gewandelt wie die Wünsche der Kunden, und auf alten Wegen kommt keiner zu neuen Ergebnissen. Genau die brauchen wir aber heute in den Salons. Diese Sicht soll auch durch die Initiative „Der faire Salon“ ermöglicht werden.

Was erhoffen Sie sich von der Initiative „Der faire Salon"?

Der Kodex ist für viele Friseure zu abstrakt. Er spricht von ausreichenden Gewinnen, einem fairem Miteinander, Weiterbildung und Wachstum. Aber wie soll der ehrlich und engagiert arbeitende Friseur das umsetzen? Viele Unternehmer arbeiten so, aber im Salonalltag, der für Unternehmer eben nicht mit einer 50 Stundenwoche endet, bleibt vieles auf der Strecke. Besonders wenn rundherum immer mehr Kunden abwandern, fehlen Antworten und Lösungen.

Aber die gibt es! Kunden haben gänzlich unrealistische Vorstellungen von dem, was dem Friseur als Gewinn übrig bleibt. Mitarbeiter übrigens auch – und es demotiviert sie, wenn sie für wenig Lohn arbeiten müssen in dem (Irr)glauben, nur für das Vermögen des Chefs zu arbeiten.

Hier ist die Aufklärung über wirtschaftliche Fakten dringend notwendig, so wie es der Kodex empfiehlt. An dieser Stelle höre ich heute schon den Aufschrei vieler Friseure. Nein, Sie als Unternehmer sollen nicht erklären, was Sie verdienen, aber Mitarbeiter müssen über die Kostensituation informiert sein. In einfacher Art müssen sie die wirtschaftlichen Notwendigkeiten verstehen lernen, um das dann gegebenenfalls locker an Kunden weitergeben zu können, wenn das Gespräch auf die vermeintlich hohen Friseurpreise kommt.

Apropos Kunde. Wie spricht die Initiative ihn an?

Mit der Internetseite www.der-faire-salon.de soll auch bei den Kunden ein anderes Bewusstsein geschaffen werden. Ich erhoffe dadurch Kontrapunkte gegen die „Geiz ist geil“-Mentalität, Wege zu einem besserem Miteinander und mehr Menschlichkeit. Und dadurch auch bessere Perspektiven für junge Menschen in unserem Beruf.

In meiner Ausbildung lernte ich noch, dass die Tätigkeit des Friseurs eine soziale ist. Durch unsere Arbeit am Äußeren des Menschen nehmen wir deutlich Einfluss auf sein Inneres und stellen Weichen wie er sich in naher Zukunft fühlt. In der Berufsschule lernten wir damals Menschentypen, Charaktere, Verhaltensweisen kennen, lernten, dass Frisuren nicht nur Haare sind, sondern auch Ausdruck der Persönlichkeit. Heute lernen junge Menschen, in welchem Winkel Haare graduiert werden, und Vorschriften über den Gesundheitsschutz. Der Bezug zu den Menschen geht mehr und mehr verloren – aber genau das ist es, was den erfolgreichen Friseur von morgen ausmacht. Begleitender Schönheitsberater auf dem sich wandelnden Weg der Kundin! Ich glaube, viele Friseure haben das Zeug dazu, aber sie versäumen es, richtig zu präsentieren und mit den Kunden darüber zu reden. „Der faire Salon“ zeigt hier Möglichkeiten auf.

Wir haben in Deutschland die europaweit höchsten Renten und die billigsten Lebensmittel. Und zu wenig Geld für den Friseurbesuch?! Unsere Kunden kaufen Katzenfutter für einen Kilopreis von rund 50 Euro, Kaffee in Pads zu 40 Euro das Pfund, einen Liter Motorenöl für 15 Euro und beschweren sich über das teure Pflanzenöl für 3.99 Euro. Viele unserer Kunden haben einen Stundenlohn von über 15 Euro, aber empfinden die zweistündige Haarbehandlung für 30 Euro als unverschämt teuer! Wird es da nicht Zeit, darüber zu reden?

Welche Vorteile hat der Kunde vom geschäftlichen Erfolg eines Friseurs?

Gegenfrage: Wo gehen Sie lieber einkaufen? Dort, wo Sie strahlend empfangen, mit Fachkompetenz herzlich und menschlich beraten und professionell bedient werden, oder dort, wo es einfach nur billig ist?

Geschäftserfolg und Betriebsklima gehen Hand in Hand. Weiterbildung und Service verursachen Kosten, faire Löhne bewirken motivierte Mitarbeiter, aber all das geht nur, wenn ein Betrieb auch wirtschaftlich erfolgreich ist. So wird das gut gehende Geschäft des Friseurs direkt wieder zum Vorteil des Kunden.

Den gesamten Verhaltenskodex für europäische Friseure finden Sie auf der Internetseite von Friseurmeister und Unternehmer René Krombholz www.friseur-news.de. Dort gibt es auch Tipps und Material zur Umsetzung sowie Informationen zur Initiative „Der faire Salon“ von René Krombholz in Kooperation mit TOP HAIR International. Unternehmer können sich dort auch für die Internetseite www.der-faire-salon.de registrieren lassen. Diese Seite ist an Ihre Kunden gerichtet, klärt auf und stellt die Vorteile eines fairen Salons heraus. Weisen Sie Ihre Kunden darauf hin!