01.04.2019

Werner Höfchen hat den Friseurblick

Werner Höfchen aus dem brandenburgischen Städtchen Beelitz reist mit seiner Frau Marion seit Jahren um die Welt und lässt sich in den Ländern stets die Haare schneiden. So ist er zu einem Kenner des internationalen Friseurhandwerks geworden. Über seine Erlebnisse berichtet er im Interview.

TOP HAIR: Normalerweise bringen Reisende aus anderen Ländern Souvenirs mit nach Hause, Sie dagegen einen frischen Haarschnitt. Aus wie vielen Ländern bisher?
Werner Höfchen:
Ich war bei rund 50 Friseuren in fast ebenso vielen Ländern - von Kuba über Japan und Südafrika bis Island. Gerade erst war ich mit meiner Frau, die unsere Friseurbesuche seit 2002 fotografisch festhält, in Kanada, wo ich mir natürlich wieder die Haare schneiden ließ.

TOP HAIR: Weil Sie mit den heimischen Friseuren unzufrieden sind?
Werner Höfchen:
Nein, überhaupt nicht. Die Sache hatte sich in den 90er-Jahren durch meine Arbeit einfach ergeben. Damals war ich als Kraftwerksingenieur in aller Welt tätig, oft mehrere Monate lang. In der Zeit musste ich natürlich immer auch mal zum Friseur, in Italien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Irgendwann dachte ich mir, dass ich doch eigentlich auch im Urlaub Friseure aufsuchen könnte. So ist daraus quasi ein Hobby geworden, ein richtiger Spleen.

TOP HAIR: Waren Sie schon immer fasziniert vom Haarschneiderberuf, der ja durchaus einen gewissen Mythos besitzt?
Werner Höfchen:
Das mit dem Mythos stimmt. Der Friseurladen als Ort, wo Neuigkeiten verbreitet werden und viel rumgetratscht wird. Ich kann mich auch gut an eine Kolumne in der DDR-Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“ erinnern, in der sich „Frisör Wilhelm Kleinekorte“ in fiktiven Frisörgeschichten über alle möglichen Dinge ausließ und auch tagespolitische Themen durch den Kakao zog. Dass mich der Beruf als Jugendlicher besonders fasziniert hätte, würde ich allerdings nicht behaupten. Ich weiß nur, dass ich mir damals immer von jungen Friseusinnen die Haare schneiden lassen wollte. Bei denen war ich sicher, dass nicht zu viel runterkäme, weil sie genauso schnitten, wie bei ihrem  eigenen Freund. Heute bin ich froh, wenn der Friseur 80 ist, denn in dem Alter hat er am meisten zu erzählen. Deshalb suchen wir gern alte, urige Läden auf, die aber natürlich auch jüngere Besitzer haben können.  

TOP HAIR: Wie finden Sie solche originellen Frisierstuben?
Werner Höfchen:
Manchmal erkundigen wir uns bei unserer Reiseleiterin, wohin ihr Mann zum Haareschneiden geht. Oft fragen wir auch Leute auf der Straße, wenn wir durch die Städte laufen. (Marion Höfchen wirft spontan ein: Wir haben schon den Friseurblick.) In Moskau fielen mir sogar noch ein paar Vokabeln aus dem Russischunterricht früher ein. Gdje nachodizija parikmacher? Wo befindet sich ein Friseur? Wir fanden ihn dann auf einem Hinterhof in einem Keller. Die Inhaberin war etwas erstaunt, warum ich ausgerechnet bei ihr einen Haarschnitt wollte, aber wir haben es ihr irgendwie erklärt: Ich lasse schneiden, meine Frau fotografiert es, und zu Hause kommt es in ein Fotobuch. Außerdem schreibe ich die Geschichten dazu auf.

TOP HAIR: Da dürften einige spezielle Erlebnisse zu Papier gekommen sein, oder?
Werner Höfchen:
Auf jeden Fall. Vor kurzem waren wir zum Beispiel auf den Seychellen in einem Classic Barber Shop. Der beeindruckte nicht nur durch laute Reggaemusik, sondern auch durch knallharte Verhaltensregeln für die Kundschaft: Berühren Sie nichts, was ihnen nicht gehört! Kein herumhängen! Sei nicht ungeduldig! Keine Kopfhörer tragen auf dem Frisierstuhl! Begleitung bitte draußen warten, außer Eltern von Kindern! Also war meine Frau meine Mami (lacht). Während des Haareschneidens redete der Barbier unablässig mit mir, bis ich merkte, dass er gar nicht englisch, sondern kreolisch sprach und auch nicht mit mir, sondern mit seinen Kollegen. Auch wenn am Ende meine Haare sehr kurz waren und beim Konturenstutzen mit der Rasierklinge sogar ein wenig Blut floss, war es ein tolles Erlebnis.

TOP HAIR: Gab es auch richtig unangenehme Erlebnisse?
Werner Höfchen:
Na ja, in der Dominikanischen Republik war ich einmal sauer über ein sehr spezielles Geschäftsmodell. Auf die Frage, was die Frisur kostet, hieß es fünf Dollar. Nachdem mir eine Kopfseite geschnitten wurde, war plötzlich Schluss. Nun sollte ich nochmal fünf Dollar zahlen, damit auch die zweite Hälfte drankäme. Am Ende haben wir uns auf 7,50 geeinigt.

TOP HAIR: Wurden Sie mal irgendwo richtig verkaddelt?
Werner Höfchen:
Kaum. Auf Kreta wurde ich aber fast Opfer meiner Vorliebe für originelle Läden. Statt in den schicken Frisiersalon bin ich selbstverständlich ins direkt daneben liegende Garagengeschäft gegangen. Als ich merkte, dass der Friseur ordentlich angedüdelt war, hatte der mir schon wie bei einer Schafschur die Haare rasiert. Meine Bitten „Nicht so kurz, nicht so kurz!“ hatte er einfach ignoriert. Ich dachte noch: Nimmt der denn niemals eine Schere? Am Ende hat er doch noch zu einer Kinderplastikschere gegriffen und damit die Restfrisur korrigiert.

TOP HAIR: Wo ist die Frisierkultur nach Ihrer Meinung am meisten ausgeprägt?
Werner Höfchen:
Schwer zu sagen. Sehr aufwendig betrieben wird das Frisieren auf jeden Fall in der Türkei. In Istanbul  waren gleich drei Mann knapp zwei Stunden mit mir beschäftigt: Einer hat gewaschen, einer geschnitten, der Dritte kümmerte sich darum, mir die Haare im Gesicht zu entfernen. Dazu trug er mir eine gummiähnliche Gesichtsmaske auf, die beim Abreißen ordentlich ziepte. Was ich auch noch nicht kannte: Ein in Alkohol getränkter, angezündeter Watteball wurde wie eine Art Minifackel verwendet, um die Ohrhaare zu beseitigen. Als ich Jahre später bei einem Friseur in Schottland saß und der dasselbe tat, wusste ich: Das muss ein Türke sein. Und in der Tat hatte der Schotte türkische Wurzeln.

TOP HAIR: Haben Sie durch ihre Erlebnisse als welterfahrener Friseurkunde einen neuen Blick auf das Handwerk bekommen?
Werner Höfchen:
Ich gehe richtig gern zum Haareschneiden, lieber als früher, und ich empfinde es als ein anspruchsvolles Handwerk, das nicht jeder beherrscht. Außerdem habe ich in den Ländern gravierende Unterschiede erlebt. So wurde ich in Japan zweimal gewaschen, weil die abgeschnittenen kleinen Haare noch mal rausgespült werden sollten. Interessant finde ich auch die Preisunterschiede. Ich lasse mich ja immer überraschen, frage nicht mehr wie zu Anfang nach dem Preis. Beim Trockenschneiden reicht die Spanne von 3,50 Euro in Mexiko bis 45 Euro in Island, wo das Schneiden genauso lange dauert.

TOP HAIR: Fiel Ihnen noch etwas auf, das anders ist als in Deutschland?
Werner Höfchen:
Hm. In einem Friseurladen in Trinidad standen auch gleich Couch, Fernseher und eine Koje zum Schlafen. Er war sozusagen das Zuhause des Besitzers. Überrascht war ich auch in  London, dass ich sogar dort an einem Sonntagmorgen um zehn in einem edlen Salon meine Haare schneiden lassen konnte. Und was ich in anderen Ländern eigentlich nie gesehen habe, sind diese typischen Friseur-Zeitschriften für die Kunden, diese Yellowpress-Hefte. In Österreich war ich mal bei einem Herrenfrisör, da lag für die Kundschaft der „Playboy“ aus.

TOP HAIR: Ein Tipp für hiesige Herren-Friseure?
Werner Höfchen:
Nein, ich glaube, das ist nicht nötig. Was mir auffiel: In vielen Ländern hängen an den Wänden der Salons Poster mit Fotos von Frisuren. Das finde ich eigentlich nicht so schlecht.

TOP HAIR: Auch wenn Sie selbst frisurtechnisch offenbar wenig experimentieren, haben Sie in puncto Herrenfrisur einen globalen Trend beobachtet?
Werner Höfchen:
Vielleicht, dass die Herren seit einiger Zeit überall modisch bewusst sind. Scheitel, kurz und lang an den Seiten, und viel ausrasiert - das sieht man in aller Welt so.

TOP HAIR: Auch den in Deutschland beliebten Trend zur Doppeldeutigkeit im Namen von Frisiergeschäften?
Werner Höfchen:
Das ist in der Welt nicht so ausgeprägt wie bei uns. In englischsprachigen Ländern heißen die Läden oft schlicht Hair Salon oder Barber Shop.

TOP HAIR: In Ihrer globalen Barber Shop-Sammlung fehlt Ihnen als einziger Kontinent nur noch Down under. Kommt das noch?
Werner Höfchen:
Australien ist mir wohl doch zu weit weg. Als nächstes steht Kroatien auf dem Plan und auch Irland reizt mich noch.

TOP HAIR: Sicher gibt es auch in Deutschland viele originelle Frisiersalons. Die interessieren Sie gar nicht?
Werner Höfchen:
Oh doch, das ändert sich gerade. Kürzlich hat mich ein Fernsehteam für einen Bericht mit dem bekannten Berliner Friseur Frank Schäfer zusammengebracht. Ich habe mich in seinem Laden total wohl gefühlt und festgestellt, dass hiesige Friseure ja auch interessante Geschichten zu erzählen haben. Außerdem kann ich mich mit ihnen natürlich viel besser auf deutsch unterhalten.
Weil ich mit meiner Frau demnächst in Hamburg bin, haben wir uns bei Bekannten erkundigt, welchen Friseur sie dort empfehlen würden. Nun treffen wir den ehemaligen Beatles-Friseur Franz Stenzel auf St. Pauli.

TOP HAIR: Wie viele Friseurgeschäfte gibt es eigentlich in Ihrer Heimstadt Beelitz?
Werner Höfchen:
Fünf. Eins betreibt sogar eine Friseur-Weltmeisterin, die Jana Eichler. Zu ihr werde ich auch noch hingehen und mir die Haare schneiden lassen. Das soll dann der Abschluss unseres zweiten Fotobuchs werden.

TOP HAIR: Frau Höfchen, Sie belassen es dabei, die Haarschnitte Ihres Mannes und die Friseursalons fotografisch zu dokumentieren. Sich selbst in der Fremde die Haare machen zu lassen, kam Ihnen nie in den Sinn?
Marion Höfchen:
Nein, ich war bloß einmal in Korfu in einem Damensalon, aber nur zum waschen und föhnen. Ich gehe lieber hier zu Hause zu meiner Friseurin. Natürlich muss ich ihr auch immer erzählen, wo wir wieder in der Welt bei den Kollegen waren.

TOP HAIR: Stimmt es eigentlich, dass Ihr Mann Ihnen den Heiratsantrag in einem Friseursalon im Ausland gemacht hat?
Marion Höfchen:
Ja, das stimmt.

Weitere Angaben
Interview:Gunnar Leue