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06.11.2018

Wie wird die Ausbildung attraktiver?

Von 2009 bis 2017 hat sich die Zahl der unbesetzten Lehrstellen im Handwerk verdreifacht. Der aktuelle BIBB-Report zeigt Ansätze, wie die Attraktivität der Berufsausbildung gesteigert werden könnte.

Die Nachwuchssorgen im Handwerk reißen nicht ab. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)  blieben 2017 in einigen Regionen und Berufen bereits mehr als 20 Prozent der angebotenen Ausbildungsplätze offen. In manchen Regionen, wie zum Beispiel im Arbeitsagenturbezirk Regensburg, lagen die Spitzenwerte sogar bei über 30 Prozent.

Ursachen
Grund hierfür sind zum einen die demografische Entwicklung und zum anderen der Trend zum Studium. Viele Jugendliche sind heutzutage studienberechtigt, während früher deutlich mehr nur über einen Hauptschulabschluss verfügten. Um ihre Chancen bei den jungen Menschen zu verbessern, müssten die Handwerksberufe insbesondere auch für Jugendliche mit höheren Schulabschlüssen attraktiver werden.

Doch wie soll dies gelingen? Der Report untersuchte hierzu, welche Faktoren für Jugendliche bei ihrer Attraktivitätseinschätzung einer Ausbildung maßgeblich sind und wie sich die Nachfrage der Jugendlichen steigern lassen könnte.

Ergebnisse
Jugendliche wählen besonders gern solche Berufe aus, die ihnen ihrer Meinung nach zu einer anerkannten sozialen Identität verhelfen. Hierbei spielen die soziale Herkunft und die Bildungserwartungen des sozialen Umfeldes eine große Rolle. Je weniger Anknüpfungspunkte die Eltern selbst zum Handwerk haben – sei es, dass sie selbst im Handwerk arbeiten, sei es, dass sie zumindest über Bekannte aus dem Handwerk verfügen – und je stärker die Erwartungen an ihre Kinder auf Abitur und Studium gerichtet sind, desto geringer ist die Bereitschaft der Jugendlichen, selbst einen Handwerksberuf zu erlernen.

Vor diesem Hintergrund erscheinen berufsorientierende Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität von Handwerksberufen zwar dringend erforderlich, aber alleine nicht ausreichend. Vielmehr müssen sie flankiert werden von identitätspsychologischen Maßnahmen, die auch das soziale Umfeld einbeziehen. Denn dieses bildet gleichsam den „sozialen Spiegel“ für die Jugendlichen, in dem sie die vermeintliche Richtigkeit ihrer beruflichen Identitätsentscheidungen zu erkennen meinen.

Lösungsansätze
Eine Möglichkeit könnte sein, die Fächer in den Gymnasien um ein Fach zu ergänzen, in dem gestalterische und handwerkliche Fähigkeiten gelehrt werden. Einige Experten unterstützen diesen Vorschlag, weil dem Fächerkanon in den vermeintlich höheren Schulen eine beträchtliche symbolische Bedeutung in Hinblick darauf zukomme, was zur „wesentlichen“ Bildung des Menschen zähle und was nicht.

Zudem plädieren einige Experten dafür, auch indirekte Signale vermeintlicher Ungleichwertigkeit von hochschulischer und beruflicher Ausbildung abzubauen. Studierendenwohnheime müssten deshalb in Bildungswohnheime umgewandelt werden, die Auszubildenden gleichermaßen offenstehen.

Ein weiterer Punkt ist die Qualitätssteigerung der Ausbildung. Hier sehen Berufsbildungsfachleuten, einen wichtigen Baustein, um Handwerksberufe attraktiver zu machen.

Ergänzend sind berufsorientierende Maßnahmen sinnvoll, die zu einer „Umkehr in den Köpfen“ beitragen. Dazu könnte der verstärkte Kontakt zu jungen Menschen mit höheren Schulabschlüssen beitragen, die selbst im Handwerk arbeiten und die für die Jugendlichen zu Identifikationsfiguren werden. Denn auch das gleichaltrige Umfeld spielt für die berufsbezogenen Einstellungen der Jugendlichen eine wesentliche Rolle. Dies spricht für den intensivierten Einsatz von Auszubildenden, die als „Ausbildungsbotschafter/-innen“ in Gymnasien und sonstigen Schulen engagiert und offen über ihre Ausbildungsmotive, -erfahrungen und weiteren beruflichen Pläne berichten.

Ob die Politik die nötigen Schritte angehen wird, bleibt abzuwarten.