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16.08.2023

Star Online stellt Geschäftsbetrieb zum Oktober ein – Frist für Datensicherung

Nutzer*innen können zum neuen Anbieter Phorest wechseln oder kostenpflichtige Datensicherung in Auftrag geben. Die Branchenexperten Rene Krombholz und Heiko Schneider ordnen die Situation im Interview ein.

Die Star-Online Deutschland GmbH stellt zum 1.10.2023 ihren Geschäftsbetrieb ein. Erwin Blanka, Geschäftsführer, zieht sich nach 38 Jahren in der Entwicklung und Vermarktung von Kassensystemen als Unternehmer zurück. In einem Schreiben informierte das Unternehmen seine Kund*innen über die Geschäftsaufgabe und über den neuen Kooperationspartner Phorest, mit dem die nahtlose Fortführung der Kassenbuchhaltung sichergestellt sei.

Datensicherung ohne Wechsel zu Phorest

Für Verunsicherung bei Nutzern der Softwarelösungen von Star Online sorgte insbesondere der Hinweis: „**Kunden, welche sich nicht für Phorest entscheiden, müssen sicherstellen, dass alle buchungsrelevanten Daten bis zum 30.09. 2023 exportiert und gesichert sind.“ Wichtig zu wissen ist, dass jeder Friseur seine Daten zehn Jahre lang aufbewahren muss (Aufbewahrungsfrist), falls es zu einer Kassennachschau kommt. Markus Lorscheidt, Managing Director bei Phorest, stellte klar: „Wer nicht mit Phorest als neuem Anbieter kooperieren möchte, kann eine Datensicherung in Auftrag geben.“ Für Star-Online-Nutzer wurde hierfür eine Hotline unter der Rufnummer: +4953639559069 eingerichtet. Diese automatisierte Datensicherung ist allerdings kostenpflichtig und liegt, je nach Sicherungsart, bei 590 oder 790 Euro.

Rechtliche Verpflichtungen beim Wechsel sind eingehalten

Wer nach der Geschäftsaufgabe von Star Online mit den Systemen von Phorest weiterarbeiten möchte, könne versichert sein, dass die rechtlichen Verpflichtungen zur Aufbewahrung und Prüfbarkeit von Daten beachtet wurden, sagt Star Online-Geschäftsführer Erwin Blanka: „Uns war es wichtig, unseren Kunden keinen Schaden zuzufügen, sondern möglichst reibungslos den Übergang zu schaffen und dafür einen ausgesuchten Partner zu finden.“

Branchenexperten ordnen ein

Die kostenpflichtige Datensicherung bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter als Phorest verärgert weiterhin viele bisherigen Star Online-Nutzer*innen.

Rene Krombholz, Branchenkenner und Gründer der Initiative „Der faire Salon“, hat für TOP HAIR einen weiteren Experten aus der Branche um Einordnung der Situation gebeten: Heiko Schneider, Friseurunternehmer und Inhaber von friseur digital, Anbieter der Kassensoftware shortcuts.

Rene Krombholz: Lieber Heiko Schneider, die Unruhe im Friseurhandwerk, bezugnehmend auf das Thema Kassensoftware, ist derzeit gewaltig. Bei uns gehen, ebenso wie bei Ihnen, laufend Anfragen ein. Sie haben bereits in den letzten Tagen Interviews hinsichtlich der Verfügbarkeit von Daten gegeben. Klarheit ist trotzdem immer noch nicht eingekehrt - im Gegenteil. Darum möchte ich Sie, im Namen vieler Friseure, herzlich um die Beantwortung dieser fünf Fragen bitten:

1) Friseure sind, ebenso wie alle anderen Anwender von Kassenprogrammen, verpflichtet eine tägliche Datensicherung durchzuführen. Der notwendige Button hierzu wurde, so ist den Kritiken zu entnehmen, passwortgeschützt.

a) Wird hier nicht diese Sicherungspflicht be- oder verhindert?

Heiko Schneider: Es gibt keinen Grund einen Datensicherung zu behindern. Die Datensicherung dessen, was im Programm passiert, sollte mindestens täglich durchgeführt werden. Ob diese Daten online oder offline gesichert werden, ist nicht ausschlaggebend- sondern dass der Saloninhaber über seine tägliche Datensicherung verfügen kann. Beispiel des eigenen Salons- die Datenbanken liegt im Salon – die Datensicherung erfolge automatisch alle 3 Stunden in die Cloud.

Diese Datensicherung dient dazu, bei einem Ausfall des Internets, der Hardware, eines online-Dienstleisters (nennen wir ihn einmal so) die Salondaten zum Zeitpunkt der Sicherung wieder herzustellen.

Wir empfehlen eine mindestens tägliche Datensicherung, egal welches System. Verantwortlich dafür ist – gesetzlich vorgegeben – der Saloninhaber und deshalb kann er davon auch nicht ausgeschlossen werden.

b) Star Online gibt an, dieses sei durch den Datenschutz notwendig geworden. Wie sehen Sie / oder die Mitbewerber das?

Die DSGVO-Vereinbarung mit dem Kunden trifft der Salon. Das DSGVO-Verhältnis mit dem Kunden hat also der Salon/Saloninhaber. Ein Softwareanbieter/Datenverarbeiter muss nur dafür sorgen, dass diese Daten sicher aufbewahrt werden. Das regelt allerding der Auftragsverarbeitungsvertrag gemäß EU-Richtline zwischen Salon und Softwareanbieter. Ich glaube, wenn man sich als Saloninhaber mit dem Thema einmal 30 Minuten beschäftigt, bekommt man einen Überblick über die Rechtsverhältnisse und erfährt, dass ein Softwareanbieter bei den Salondaten eigentlich überhaupt nicht eingreifen darf. Da auch verschiedene Softwareanbieter als Kollegen miteinander reden und austauschen weiß ich, dass einige Kassenanbieter hinter dieser Meinung stehen.

2) Eine tägliche Sicherung, sofern man sie auf USB Stick, CD oder anderen Datenträger verfügbar hat, ist diese ausreichend um zu einem anderen Kassenanbieter zu wechseln? Ist diese Sicherung konform mit den Anforderungen der Finanzbehörde bei einer Kassenprüfung? (generell – nicht zwingend nur auf Star Online bezogen)

Im Moment wird da einiges miteinander vermischt. Die regelmäßige Datensicherung der Kassendaten ist die Pflicht des Inhabers (er kann auch jemanden damit beauftragen), damit es zu keinem Datenverlust kommt. Die Buchführung muss entsprechen der Finanzverwaltung „vollständig und lückenlos“ sein.

Im Zweifelsfall wird die Finanzbehörde immer den Unternehmer und nicht das Datenverarbeitungsunternehmen zur Rechenschaft ziehen. Diese Sicherung kann dann auch zu einem späteren Zeitpunkt in das System zurückgespielt werden – zum Beispiel erfolgt 3 Jahre nach Kassenwechsel eine Prüfung des Salons rückwirkend – und die notwendigen Daten für die Prüfung werden digital ausgelesen.

Das hat aber nichts mit einem Anbieterwechsel des Kassensystems zu tun. Den Saloninhabern geht es ja vor allem um ihre meist jahrelang (DSGVO-gerecht) selbst gesammelten Kundendaten wie Kundennamen, Anschrift, Handynummern, Geburtstage etc., in Verbindung mit zum Beispiel Behandlungsnotizen. Diese liegen ja beim Softwareanbieter in Datenbanken vor. Diese Datenbanken können in einem allgemeinen Format (.CSV) exportiert und beim neuen Softwareanbieter dann importiert werden.

Heiko Schneider. Foto Maik Lagodzki
Heiko Schneider. Foto Maik Lagodzki

3) Uns wird mitgeteilt, bei den kritisierten Sicherungen von euroCIS und cloudCIS für mehrere hundert Euro, handele es sich um Daten, die maschinenlesbar, von anderen Mitbewerbern oder den Finanzbehörden direkt für den Datenimport verwendet werden können.

a) Können Sie das nachvollziehen?

Alle aktuell am Markt befindlichen Programme müssen die Finanzamtsschnittstelle DSFinVk (früher GDPDU-Schnittstelle) haben, also maschinenlesbare Daten auswerfen, so dass das Finanzamt bei einer Außenprüfung in den Salons die Daten auslesen können muss. Da muss nichts aufgearbeitet werden, die Kassendaten liegen digital vor.

b) Sehen Sie den Preis als gerechtfertigt an?

Die Daten gehören den Salons, warum sollten sie diese bezahlen müssen?

c) Wie ist das bei in Ihrem Unternehmen / bei anderen Anbietern?

Auch hier gibt es einige Kassenanbieter auf dem Markt die rechtskonform und kundengerecht mit den Daten umgehen, wenn ein Salon die Software wechseln möchte. Der Saloninhaber hat natürlich unterschiedlichste Gründe für einen Anbieterwechsel, aber das ist doch in einem Markt ganz normal. Kunden wechseln auch mal Ihren Friseur, Mitarbeiter ihren Arbeitgeber und Friseursalons ihren Anbieter, egal ob für Haarfarbe oder für Gas und Strom oder Software.

Ich persönlich würde niemanden aufhalten oder versuchen zurückzuhalten. Die Fehler sind dann ja und Gründe für einen Wechsel sind dann ja schon früher passiert.

4) Wenn der Friseurunternehmer seine Daten nun auf einem Datenträger zur Verfügung hat, dann dürfte das zeitliche Problem gelöst sein? Schließlich kann er sich mit Ruhe einen neuen Anbieter suchen….

Wie bereits gesagt, die normale Datensicherung muss ja täglich gemacht und für finanzamtliche Belange 10 Jahre aufbewahrt werden. Zumindest die vom letzten Tag, bevor ein Kassensystem ausgewechselt wird. In Ruhe geht ja insofern nicht, da ja der Friseur am 01.10.2023 mit einem neuen System weiterarbeiten muss – egal mit welchem. Auch das ist ja ein Kritikpunkt vieler Friseure: warum so schnell und nur 8 Wochen Zeit? Ich denke 4-6 Monate wären für alle Kollegen angemessen gewesen.

5) Einmal EDV – immer EDV? Nicht wenige Friseure sind gefrustet und wollen zur händischen Kassenschublade zurückkehren. Ist das rechtlich gestattet? Eine gesetzliche Pflicht zur elektronischen Kasse gibt es in Deutschland ja bisher noch nicht …?

Leider geht die sogenannte „offene Kassenlade“ nur in Unternehmen, die bisher noch gar keine elektrische oder elektronische Kasse in Betrieb hatten. Faktisch also nur bei Neugründungen oder aber eben Salons die bisher noch mit Stift geschriebenen Kassenbons hatten. Allerdings hat der Gesetzgeber auch für diese Unternehmen die Dokumentationspflicht enorm verstärkt, das ist interessant einmal zu lesen. Grundsätzlich überwiegen natürlich die Vorteile einer digitalen Kasse, auch wenn solche Dinge wie im Moment großen Ärger bereiten. Denkt da mal an E-Mail-Marketing an Kunden, Anzahlungen bei Onlinebuchungen, digitalen Kassenbon-Versand, Rechnungsversand, Datev-Export der Kassendaten, unzählige Auswertungsmöglichkeiten über den Salon und die Arbeit der Mitarbeiter usw. Jetzt die komplette EDV zu verdammen ist so, als wenn wir zukünftig ganz auf das Auto verzichten wollen, nur weil das eigene Auto gerade mal kaputt gegangen ist und die Werkstatt es nicht reparieren will.

Ich wünsche auf alle Fälle allen betroffenen Friseuren viel Kraft den Wechsel gemeinsam mit den Mitarbeitern durchzustehen und schnell wieder normal an der Rezeption arbeiten zu können.

Besten Dank!