Ist die Branche selbst daran schuld, dass viele nicht nur zum Rasieren zum Barber gehen? Foto: shutterstock/Rov7

17.05.2023

Rene Krombholz zu Barbershops: Da haben wir die Quittung!

Branchen-Insider Rene Krombholz über den Erfolg der Barber und warum die Branche zum Teil selbst daran schuld ist.

Welches Segment im Friseurmarkt verzeichnet das größte Wachstum? Die Einen werden es geahnt haben, Andere ungläubig staunen: Es sind die Barber.
Henrik Haverkamp, Wella General Manager DACH, präsentierte während der TOP HAIR einige Kennzahlen der Branche. Der herkömmliche Friseur verzeichnete ein Wachstum von +3%, Hausbesuche +4%, die Barber satte +19%.

Dieser Gedanke wird bei vielen Kollegen*innen wieder Unmut erzeugen, das ist nicht gut! Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen, was wir dazu beigetragen haben oder wie wir Veränderungen (die wir wollen) herbeiführen können.

Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit das Angebot der Barber dem herkömmlichen Salon schadet. Nehmen sie uns Kunden weg, oder versorgen die Barber eher das Klientel, das sich gerne zu Hause die Haare schneiden lässt?
Beides trifft wohl zu. Es betrifft aber nicht den qualitätsbewussten Mann, der Wert auf seine Erscheinung legt und einen entsprechenden Haarschnitt wünscht und auch bereit ist, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen.

Wo ist der Unterschied zwischen Barber und Friseur?

Um es vorwegzunehmen: auch in der Barber-Szene gibt es sehr hochwertige Konzepte, preislich im höheren Segment, aber das ist eine Minderheit dieser Salons. Die Mehrheit arbeitet im unteren Preisbereich. Oft muss man Kalkulation und/oder Geschäftsgebaren in Frage stellen.

Preisorientierte Barber erarbeiten ihre Herrenhaarschnitte für zwölf bis 15 € im Schnellverfahren: Maschine angesetzt, Trockenhaarschnitt. Eine Formgebung mittels Graduation findet in der Regel nicht statt. Genau an dieser Stelle fängt es an fragwürdig zu werden, erst recht, wenn Friseure oder Friseurinnen ebenso arbeiten. Maschine, Aufsteckkamm, die Haare dann einmal shampoonieren, trocken pusten und den dreifachen Preis (wie beim Barber) verlangen.

Nass und Trockenhaarschnitt - zwei nicht vergleichbare Leistungen.

Zu meiner Gesellenprüfung im Jahr 1968 musste ich noch zwei Haarschnitte fertigen, einen Trocken- und einen Nasshaarschnitt. Die Zeit, in welcher im Herrensalon zu 99% Trockenhaarschnitte erfolgten, näherte sich ihrem Ende. Bedingt durch die neue Schnittlehre von Vidal Sassoon lernten und dachten die Friseur*innen um, empfahlen jetzt die neue Formschnitt Technik am nassen Haar. Die Frisurenmode bei den Männern wurde länger und die Friseur*innen verdienten an der neuen Dienstleistung deutlich mehr.

Irgendwann hatte der Nassformschnitt einen Marktanteil von fast 90% erreicht. Da brauchen wir den Trockenhaarschnitt doch gar nicht mehr, folgerte die Branche und strich diesen aus der Ausbildungsordnung. Jahre vergingen, die Unterschiede gerieten in Vergessenheit.
Als in den 90er-Jahren die Männerfrisuren wieder kürzer wurden, waren es zuerst die Friseure*innen die zu Gunsten einer kleinen Pause im (damals noch gut gefüllten) Terminplan, die Schnelligkeit der Haarschneidemaschine entdeckten, auf Waschen und Föhnen verzichteten (damit auch auf Umsatz) und ihren männlichen Kunden die preiswerte Art des Haarschnitts näher brachten.

Wenn für den Kunden erkennbare Unterschied fehlen, entscheidet der Preis!
In zu vielen Salons werden die Männer als fünftes Rad am Wagen behandelt. Sie genießen weder Service noch Qualität, die Beratung bleibt aus. Unterschiede zwischen dem Trockenhaarschnitt des Billigsalons, im Vergleich zum höherwertigen Nasshaarschnitt, werden nicht kommuniziert.  Lieber mal eben dazwischen, schnell mit der Maschine, bitteschön. Und jetzt haben wir die Quittung!

Einfacher Haarschnitt

Formhaarschnitt

wird immer trocken geschnitten, ggf. nach dem Schnitt „angefeuchtet“

wird immer nass geschnitten, bei bereits gereinigtem Haar ggf. Kopfmassage

Technik des „über den Kamm schneidens“

Technik der Graduation

Wirbel und Schwachstellen schwer erkennbar

Wirbel und Schwachstellen sofort erkennbar

wenig Volumen, stark ausgedünnt

volumengebende oder reduzierende Technik

Frisur fällt glatt, flach und platt

Frisur fällt locker und stufig, natürlicher Fall

individuelle Formgebung schwer möglich

individuelle Formgebung durch Graduation

Form und Halt durch Finish-Produkte

bleibt durch den Schnitt in Form

Zeitaufwand ca. 15 Minuten

Zeitaufwand ca. 20-30 Minuten