12.12.2024
Nachhaltiges Handeln bei Kao: Reduktion ist die Prämisse
Wie nachhaltig kann ein Kosmetikunternehmen agieren? Wir haben bei Kao Salon in Darmstadt nachgefragt.
„Bei Kao ist viel passiert“, sagt Dr. Elmar Mussenbrock, Global Director für Nachhaltigkeit Kao Salon Division. Das Unternehmen hat sich als oberste Priorität auf die Fahnen geschrieben, Verpackungsmaterial zu reduzieren: „Die Recyclingquoten sind so gering – in Deutschland zwar deutlich höher als in den USA, aber immer noch bei nur 30 %. Und Verpackungsmaterial bedeutet auch immer, dass CO2-Emissionen verursacht werden. Wenn wir nichts ändern, steuern wir auf eine Erderwärmung von 2,62 Grad hin, die 1,5 Grad haben wir dieses Jahr schon erreicht. Unser Credo: Was nicht produziert wurde, kann die Umwelt nicht belasten.“
TOP HAIR: Bei den Aluminium-Dosen der StyleSign-Serie wurde die Wanddicke reduziert. Geht das problemlos?
Dr. Elmar Mussenbrock: Ja. Wir machen ganz intensive Fall- und andere Stabilitätstests. So bleibt die Stabilität absolut gleich, aber wir sparen wertvolle Ressourcen und verringern den CO2-Abdruck.
Wo lässt sich noch ohne qualitative Verluste, Material einsparen?
Wir haben, und da hilft uns unsere Mutter in Japan sehr, materialsparende Folienverpackungen entwickelt und eingeführt: Das „KMS Color Vitality Intense Gloss Treatment“ gibt es seit diesem Jahr als kleine Beutelchen. Das sind keine Nachfüllbeutel, sondern die neuartige Verpackung. So sparen wir 86 % Kunststoff gegenüber einem 100 ml-Tiegel, den wir sonst verwendet hätten. Auch Shampoo und Conditioner gibt es bei KMS Hair im 750 ml-Nachfüllbeutel: Die sparen 70% Kunststoff. Wenn wir Kunststoff sparen, sparen wir auch CO2-Emissionen. Bei diesen Beuteln reduziert sich der CO2-Abdruck der Verpackungen um über 60%. Den neuesten Nachfüllbeutel, den wir jetzt einführen, ist in der Luxusmarke Oribe.
Die japanische Kao hat es geschafft, durch die Einführung und Entwicklung und Weitergabe der Patente von Nachfüllbeuteln „for free“, in den 70 und 80er-Jahren den gesamten Haushaltsreiniger und Kosmetikmarkt in Japan auf Nachfüllbeutel umzustellen. Heute werden dort 70% der Produkte als Beutel gekauft.
Bereits in den 70- und 80er-Jahren! Warum hier erst jetzt?
Wir haben in Deutschland Akzeptanzprobleme mit diesen Folienverpackungen. Weil es noch nicht so viele Nachfüllbeutel in Deutschland gibt, sind die Produktionskosten höher. Der Konsument meint, er müsste weniger dafür ausgeben, weil sie vielleicht aus seiner Sicht nicht ganz so schön aussehen. Aber nur durch höhere Mengen, kann der Preis runter gehen. Das ist in Deutschland ein holpriger Weg, in den USA kam die Folienverpackung bei Oribe sehr gut an.
Was hat sich noch bei Kao getan?
Wir erhöhen Schritt für Schritt den Anteil an recycelten Materialien in unserer Verpackung. Das machen wir für Aluminium und für Plastik. Beim StyleSign-Relaunch haben wir einige Verpackungen, die bis zu 98% aus recyceltem PET bestehen.
Fast 100 Prozent. Gibt es hier denn Grenzen?
Ja, das will ich nicht verhehlen, hier sind auch Grenzen gesetzt, weil wir natürlich Kosmetika verkaufen. Das heißt: Der Kunststoff, den wir einsetzen, muss Kosmetikqualität haben. 100% recycelte Materialien, wie man es von bestimmten Putzmittel-Marken kennt, das geht bei uns in der Kosmetik nur mit PET. Der PET-Kunststoff-Strom ist sauber, weil dort nur Getränkeflaschen drin sind. In dem Moment, wo man anderen Kunststoff hat, Polyethylen oder Polypropylen, kommt es in den gelben Sack und das ist schwieriger, zu reinigen und so zu trennen, dass wir einen Kunststoff in Kosmetikqualität bekommen.
Sie machen das aber trotzdem?
Ja. Die Verpackung des „Sea Salt Sprays“ von KMS Hair besteht aus 75% recyceltem Kunststoff, bei der „Styling Putty“ sind es 53%. Aber da machen wir einen Kunstgriff: Das ist ein Tiegel im Tiegel. Der innere ist ganz dünn, der ist virgin, also unverbrauchter, neuer Kunststoff und alles drum herum ist 98% recycelter Kunststoff. Dann kommt man in der Summe auf 53 %. Das sind gute Ansätze, wie wir dem Kosmetikrecht und natürlich der Sicherheit unserer Produkte Vorrang geben und trotzdem versuchen, den Anteil von recyceltem Kunststoff zu erhöhen.
Wahrscheinlich spielt auch ein wirtschaftlicher Faktor eine Rolle?
Sie haben Recht, es ist teurer. Sie können mit den Prozentzahlen noch ein Stück höher gehen, aber dann muss jede einzelne Charge des Kunststoffs, der beim Granulat-Hersteller gekauft wird, durch verschiedene Tests laufen, um sicherzustellen, dass die Reinheit gegeben ist. Und das ist schlichtweg nicht bezahlbar. Da gehen wir lieber ein paar Prozent runter bis andere Lösungen gefunden sind.
Stichwort Aluminium: Der Energieaufwand für die Herstellung von Aluminium ist sehr hoch. Andererseits sagt man Aluminium auch einen hohen Recyclingwert zu. Wiegt sich das auf?
Der Energieaufwand bei Aluminium ist immens. Aber die Recyclingfähigkeit ist perfekt. Deswegen sollte man, wenn es geht, recyceltes Aluminium einsetzen. Das Recycling von Aluminium kostet nur 5 % der Energie, die die Herstellung der gleichen Menge an Aluminium verbraucht. Deshalb haben wir z.B. bei der Einführung von Topchic Zero im letzten Jahr Tuben aus 100 % recyceltem Aluminium eingesetzt. Und bei Colorance haben wir im Januar auf recyceltes Aluminium umgestellt. Schwieriger wird es, wenn es um Druckverpackungen wie bei unserem Depot-Dosensystem geht. Da arbeiten wir gerade dran.
Wie oft kann man Aluminium recyceln?
Das kann man pauschal nicht sagen. Es gibt Hersteller, die sagen unendlich. Es gibt sogar ein Logo „Infinity Recycling“, aber da halte ich persönlich nichts davon, da wird der Verbraucher getäuscht. Aber die Recyclingfähigkeit ist sehr gut, viel besser als bei Kunststoff. Ein weiterer Vorteil von Aluminium: Man kann es viel besser reinigen und zum Nachfüllen verwenden als eine Kunststoffflasche. Die Hersteller von wieder befüllbaren Kunststoffflaschen geben an, dass die Flasche fünf bis zehn Mal verwendet werden kann. Dann muss man sie entsorgen, sonst ist das Produkt evtl. nicht keimfrei und hat auch nicht die Haltbarkeit, die wir als Hersteller, ja auch versprechen und für die wir geradestehen.
Wie agieren Sie beim Thema Versand?
Wir versenden unsere Produkte in Kartons, und da ist schon selbstverständlich, dass diese Kartons aus recyceltem Papier sind. Der andere Ansatz ist – und das finde ich ganz spannend, weil manchmal die Verbrauchersicht sich nicht mit der wissenschaftlichen Sicht deckt – dass wir kein recyceltes Papier als Füllstoff verwenden, weil wir festgestellt haben, dass das umwelttechnisch die falsche Lösung ist. Wir nutzen sogenannte Luftkissen. Diese Luftkissen sind aus 100% recyceltem PE und können wiederverwendet werden. Sie werden als ganz flache Folien angeliefert und erst beim Verpacken aufgeblasen und bestehen nur aus einem Prozent Kunststoff und 99 % Luft. Pro Karton brauchen wir für die Luftkissen 14 Gramm, wenn wir recyceltes Papier nehmen, wären es 130 Gramm. Papier wiegt einfach mehr und gerade recyceltes Papier ist dicker. Hochgerechnet auf ein Jahr sparen wir über 90.000 Kilogramm Gewicht an Füllmaterial ein. Mit dieser CO2-Einsparung, die wir damit generieren, könnte man mit dem PKW 488.000 Kilometer weit fahren.
Kompensieren Sie den CO2-Fußabdruck des Unternehmens?
Ja. Wir bestimmen schon seit Jahren für alle unsere Produkte den CO2-Fußabdruck. Dann schauen wir, wo wir ihn reduzieren können. Das tun wir durch den Einsatz von bestimmtem Verpackungsmaterial, aber auch in der Produktion, indem wir die Produktionsbedingungen verbessern sowie durch den Einsatz von 100 % erneuerbarer Energie, Isolierung etc. Aber egal was Sie tun, immer emittieren Sie. Diese unvermeidbaren Emissionen kompensieren wir, indem wir ein Windenergieprojekt in Südafrika unterstützen, das sonst nicht finanziert werden könnte.
Warum Südafrika?
Zum einen, weil wir seit vielen Jahren in Südafrika verkaufen, zum anderen dürften wir das gar nicht in Deutschland machen, weil solche Projekte nur in Entwicklungsländern stattfinden dürfen. Und auch dort muss darauf geachtet werden, dass jegliche Doppelzählung vermieden wird: Die Windfarm, die wir durch den Kauf von Carbon Credits finanziell unterstützen, darf nicht von der südafrikanischen Regierung benutzt werden, um deren Klimaschutzziele zu erreichen. Dafür gibt es dann auch unabhängige Unternehmen (z.B. Verra), die erst einmal ein Projekt nach diesen Kriterien zertifizieren und dann ein zweiter Unabhängiger (z.B. TÜV Austria), der dies validiert.
In Deutschland könnten wir jetzt keine Bäume pflanzen. Also könnten wir schon machen, aber die könnten wir dann nicht zählen, weil Deutschland ohne finanzielle Unterstützung Bäume pflanzen und Windräder hochziehen kann. Es trägt sich finanziell und in Entwicklungsländern ist das noch anders. Das mag sich in den nächsten Jahren ändern. Dann werden wir uns was anderes einfallen lassen, wie wir helfen können.
Wie sieht es aus mit Umverpackungen? Haben Sie sich davon komplett verabschiedet?
Wenn wir eine Umverpackung haben, dann ist die fast immer aus recyceltem Papier. Umverpackungen finden bei uns fast ausschließlich bei Farben statt: Der Grund, weshalb wir unsere Farbtuben in einem Karton verkaufen, ist, dass es sich dabei um ein chemisches Produkt handelt, das wie Pharmazeutika eine Gebrauchsanweisung mit Sicherheitshinweisen aufweisen muss. Den Beipackzettel haben wir bereits rausgenommen und drucken die Instruktionen innen auf die Umverpackung. Allerdings sehen wir uns mit immer mehr Anforderungen seitens des Gesetzgebers konfrontiert. Das heißt, wenn sich dort etwas in den Vorgaben ändert, dann werden wir den Beipackzettel mit Gebrauchsanweisung und Warnhinweisen wieder einführen müssen. Auch hier wird es 2030 ein Gesetz für die EU geben: Danach müssen Hersteller, die nicht auf die Umverpackung verzichten, nachweisen, dass die Umverpackung notwendig ist.
Schauen wir in die Zukunft: Tüftelt Kao schon an ganz neuen Dingen?
Es gibt natürlich noch Potenziale, aber uns sind Grenzen gesetzt durch das Kosmetikrecht. Und diese Begrenzung wird sich nur dann aufweichen, wenn es uns als Gesellschaft gelingt, dass wir ausreichende Mengen Kunststoff-Rezyklat in geeigneter Qualität zur Verfügung stellen können. Bei PET ist das in Deutschland kein Problem. Der Gesetzgeber fordert, dass wir bis 2030 für PET eine Mindestanzahl von 30 % Rezyklat haben. Bei Kao Salon haben wir bereits heute mehr, das heißt, wir sehen uns da auf der guten Seite. Wenn es um andere Kunststoffe geht, kommen wir an die große Begrenzung, weil es hier bislang keinen reibungslos funktionierenden Kreislauf gibt. Bis 2030 müssen Kunststoffverpackungen, die nicht aus PET sind, einen Anteil von mindestens 10 % Rezyklat vorweisen.
Was heißt das jetzt konkret für die Zukunft?
Wir bemühen uns, besser zu werden. Es gibt auch auf unserer Seite noch Potenzial zum Beispiel bei den erwähnten Folienverpackungen. Der Nachteil an ihnen ist: Sie sind nicht immer ausreichend recyclingfähig. Daran arbeitet Kao Japan aktuell: Wie kann man auf der einen Seite ganz viel Material durch Folienverpackungen und Refill sparen, aber wie kann man auch sicherstellen, dass all diese Folienverpackungen voll recyclingfähig sind. Momentan sind das Monomaterial-Folien. Diese eignen sich für Shampoos und andere Haarpflegeprodukte, aber für chemisch anspruchsvolle Produkte wie Entwicklerlotionen geht das nicht unbedingt. Dafür gibt es sogenannte Mehrschichtfolien, die aber nur chemisch zu trennen sind.
Gibt es noch mehr?
Zum anderen sind es die Rohstoffe in der Kosmetik. Manche werden aus Palm- oder Palmkernöl hergestellt: Wenn dieser Rohstoff aus Mono-Plantagen in Indonesien, Sumatra oder Borneo stammt, gefährdet der Anbau die lokale Biodiversität und belastet so die Umwelt. Wir bemühen uns daher, Chemikalien, die auf Palmöl als Rohstoff zurückgreifen, von Herstellern zu kaufen, die für das verwendete Palmöl einen zertifiziert nachhaltigen Ursprung und Anbau nachweisen können.
Zusätzlich arbeiten wir in Japan als Teil eines Joint Ventures an einer nachhaltigen Alternative zu Palmöl. Und wir haben außerdem ein Verfahren entwickelt, mit dem sich aus Abfällen von der Palmölproduktion wertvolle Chemikalien entwickeln lassen – modernes Upcycling. Aber auch hier gibt es wieder eine Begrenzung: Noch ist es nicht für Kosmetik freigegeben, aber in unseren Waschmitteln in Japan verwenden wir diese Upcycling-Rohstoffe bereits. Und ganz weit in die Zukunft geschaut, können zukünftig Algen eine relevante Rohstoffalternative zu Palmöl werden. Das steckt aber noch in der Grundlagenforschung – also in den ‚Kinderschuhen‘.
Tonnenweise weniger
-Beim Relaunch der Stylingmarke StyleSign wurde streng darauf geachtet, Verpackungsmaterial zu reduzieren. So wurde etwa das „Compressed Working Hair Spray“ in 150 ml eingeführt, das dieselbe Anzahl an Anwendungen ermöglicht, wie das normale „Working Spray“ in 300 ml. Einsparung: 44 % Aluminium.
-Produkt „Rough Man“: Mit dem Relaunch umgestellt von einem Spender auf eine Tube. Einsparung: 71% Kunststoff.
-Bei den Aluminium-Dosen in der StyleSign-Serie wurde die Wandstärke reduziert und große Kappen auf kleine umgestellt. Jährliche Einsparung: 22 Tonnen Plastik und 1,7 Tonnen Aluminium.