Schrott vor einem der Stadttore von Ahrweiler >< Foto: Wulff

01.10.2021

Nach der Flut: Positive Aufbruchstimmung

Das verheerende Unwetter über Teilen Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz im Juli hinterließ Spuren jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Das Ahrtal hat die Jahrhundertflut besonders katastrophal getroffen. Unglaubliche Bilder erreichten uns alle. Auch mehr als zwei Monate danach ist das Ausmaß überall noch zu erkennen, auch wenn die Müllberge weitestgehend beseitigt sind. Es bleiben Schicksale, die unter die Haut gehen. Existenzen wurden vernichtet und bedroht. Ein Blick hinter die Kulissen.

Katastrophen haben immer zwei Seiten: Die eine ist das schreckliche Schicksal der Betroffenen, die andere die Chance für einen bewusst klimaneutralen Wiederaufbau.

Ein kleiner Fluss, der etwa 40 Kilometer weiter bei Sinzig in den Rhein fließt, hat die Weinregion mit vielen Touristenattraktionen stark verändert. Fassaden der Mauern rund um den Ortskern Ahrweiler verraten das Alter und eine interessante Historie. Bereits vom Schlamm befreite Fachwerkhäuser lassen noch immer das Ausmaß der Flut erkennen. Getroffen hat es neben Kellerräumen mit Heizungsanlagen überwiegend die Erdgeschossbereiche bis fast unter die Decke. Die Ahr ist inzwischen nahezu unscheinbar in ihr ursprüngliches Bett zurückgekehrt, aber von Normalität kann noch keine Rede sein. Doch viele betroffenen Menschen lassen sich nicht unterkriegen. Friseure schon gar nicht!

Soforthilfe, die gelenkt werden musste

Speziell in den ersten Wochenenden nach der Flut brach im Ahrtal einfach alles zusammen. Menschen wollten helfen, mit anpacken. Aber bis alles richtig verteilt war, damit an Ort und Stelle mit den ersten Aufräumarbeiten losgelegt werden konnte, mussten die Einsatzkräfte vom THW logistische Höchstleistungen erbringen. Parkplätze außerhalb wurden geschaffen und Shuttlebusse eingerichtet. 

Friseure mit eigenem Netzwerk

Obermeister Daniel Röber bringt es im Gespräch mit Brigitte Wulff, TOP HAIR, auf den Punkt: „Friseure sind deutschlandweit eine große Familie, die in der Not beispielhaft zusammenhält.“  Moderne Netzwerke tragen dazu bei, dass in null Komma nichts die Bereitschaft Einzelner mobilisiert war. Viele Friseure in Deutschland fühlten mit den in Not geratenen Kollegen und entwickelten persönliche Hilfsangebote. So wurde auf einem freien Platz ein großer Sattelaufleger, wie er bei Filmproduktionen benötigt wird, geparkt. Das Innenleben war ausgestattet mit Strom und warmem Wasser sowie elf Bedienplätzen.

Mobilisiert wurden hilfsbereite Friseure aus ganz Deutschland, die Bedürftigen gratis wieder zu einem positiven Lebensgefühl verhalfen. Allerdings: Zehn Wochen danach sind ortsansässige Friseure über diese Charity-Cuts nicht mehr so erfreut. Viele Ahrweiler Salonbesitzer blicken wieder optimistisch in die Zukunft und wollen ihre Chance zu einem, wenn auch schmerzlichen Neuanfang nutzen.

Fast wie ein Rinnsal schlängelt sich die Ahr nun wieder durch die Weinberge und das Städtchen Ahrweiler >< Foto: Wulff

35 zerstörte Salons im Ahrtal

„Von den 47 stark in ihrer Existenz bedrohten Salons kommen 35 aus dem Ahrtal“, so Röber.  Vorübergehend war auch die Innungsgeschäftsstelle in Ahrweiler von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Strom, kein Wasser. Eine Telefonumleitung in den Salon Daniel Röbers und zur Geschäftsstelle des Landesverbands half, in Kontakt zu bleiben. Der Biosthétique-Salon Daniel Röbers liegt vor einem der historischen Stadttore und blieb dank des höher gelegten Erdgeschosses in dem ehemaligen Weinguthaus mit vier Meter hohem Kellergewölbe verschont. „Einzig“ die Heizungsanlage wurde komplett zerstört. „Dafür werde ich die nächtlichen Schreie auf der Straße und die Menschen auf den Dächern nie wieder vergessen.“ 

Etwa jeder vierte Salonbesitzer in der Region wird nicht mehr weitermachen – auch altersbedingt. Zu groß waren für sie schon die Einbußen durch Corona und die Reserven aufgebraucht. Aber die Situation nach mehr als zwei Monaten zeigt auch, wie selbst jene, die bei Null anfangen müssen, kreativ an ihre und die Zukunft ihrer Mitarbeiter herangehen. Einfach bewundernswert! 

Spendenaufruf LV Rheinland

Die Geschäftsstelle mit Landesinnungsmeister Guido Wirtz, dessen Salon 2018 in der Westeifel vom Hochwasser beschädigt worden war, wurden schnell mit einem erfolgreichen Spendenaufruf aktiv. Außerdem wurde eine Fluthilfe-Börse für Sachspenden installiert und öffentlich zugänglich gemacht. Viele haben auch die angebotene Hilfe zu rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen in dieser speziellen Situation in Anspruch genommen. Wieder andere wollten, dass die Gelder, die ihnen zustehen, für Salons verwendet werden, die stärker betroffen seien. Guido Wirtz: „Das sind starke Signale. Wir haben bundesweit eine so große Anteilnahme erfahren, dass ich heute noch überwältigt bin.“

Resümee zwei Monate danach

Von den 250.000 Euro Spendengeldern – und täglich werden es mehr – konnte der Verband bisher 200.000 Euro an Betroffene auszahlen – egal, ob Innungsmitglied oder nicht! Mehr als 500 Einzelspenden gingen ein. Allerdings hat bisher nicht jeder geschädigte Salon die Soforthilfe abgerufen. ►Viele Industriepartner zeigten sich solidarisch und sind immer noch bei ihren Kunden.

Autorin: Brigitte Wulff

Hier helfen Sie:

Spendenkonto Fluthilfe
Kontoinhaber: Landesverband Friseure & Kosmetik Rheinland
IBAN: DEO4586500300008036857
BIC: MALADE51BIT

Fluthilfe-Börse auf www.lv-friseure.de oder direkt über https://fluthilfe.innungsfriseure-rheinland.de