24.09.2024
Hair Help the Oceans: Was passiert mit den Haaren?
Im Januar 2022 startete die deutsche Initiative zur nachhaltigen Verwertung von Schnitthaaren „Hair Help the Oceans”. TOP HAIR hat nachgefragt, wie die Haarspenden von Friseuren zum Einsatz kommen.
Das Unternehmen Hair Help the Oceans hat eine innovative Methode entwickelt, um Flüsse und Seen von Ölabfällen zu befreien. Mit Haaren gefüllte Schläuche bzw. Filtermatten nehmen als natürliche Reinigungsfilter die Fette aus den Gewässern auf. Damit die von Friseur*innen aus ganz Deutschland gesammelten Haare endlich Gutes tun können, warten die Initiatoren derzeit auf die Zertifizierung der entwickelten Schläuche und Matten.
Friseurunternehmer Emidio Gaudioso und Unternehmensberater Thomas Keitel sind überzeugt vom Konzept des französischen Gründers der „Coiffeurs Justes“ und setzen ihre Energie seit zweieinhalb Jahren für die nachhaltige Initiative ein. Rund 1.000 Friseure haben sich „Hair Help the Oceans“ inzwischen in Deutschland angeschlossen und spenden ihre Schnitthaare aus dem Salon für den guten Zweck. Wir haben mit Emidio Gaudioso und Thomas Keitel über den Stand der Dinge gesprochen.
TOP HAIR: Herr Gaudioso, mehrere hundert Kisten mit Schnitthaaren von Friseursalons sind es jeden Monat aus ganz Deutschland und einigen Nachbarländern, die bei Ihnen ankommen. Was passiert mit den Haaren?
Emidio Gaudioso: Wir sortieren die Haare, entfernen Fremdkörper, dann werden die Haare ausgesiebt und gelockert. Die gefilterten Haare werden mit Kork in Schichten gemischt und dann halbautomatisch in die Schläuche gefüllt. Das Haarmehl wird separiert.
TOP HAIR: Aus was bestehen die Schläuche? Die französische Mutter der Initiative verwendet ja Nylonstrümpfe…
Thomas Keitel: Ja, in Frankreich geht das alles unbürokratischer. Das mussten wir hier leider an einigen Stellen schmerzlich feststellen. Die Feuerwehr, die unsere Schläuche zum Einsatz bringen wird, hat uns andere Vorgaben gemacht. Wir mussten längere und bessere Schläuche entwickeln. Unsere Schläuche bestehen nun zu 95 Prozent aus Baumwollte und zu 5 Prozent aus Elasthan und sind länger als die französischen Schläuche. 1 kg Haare füllen 1 Meter Schlauch. Wir haben zum Glück einen Hersteller gefunden, der uns die passenden Schläuche entwickeln konnte. Das hat einige Monate gedauert. Diese Schläuche befüllen wir nun fortwährend mit Schnitthaaren und mit Naturkork, den wir ebenfalls von unseren Kollegen sowie von Kunden oder Gastronomen erhalten.
Wir werden auch von NABU Weserbergland unterstützt, die für uns die Weinkorken sammeln und es finden Gespräche auf Bundesebene mit dem NABU Deutschland statt, die uns ebenfalls unterstützen wollen.
TOP HAIR: Wann kommen die Haarschläuche zum Einsatz?
Emidio Gaudioso: Wir warten täglich auf die Zertifizierung der Schläuche. Denn auch das wird in Deutschland gefordert. Die Suche nach einer Zertifizierungsstelle war nicht einfach. Es ist etwas Neues in Deutschland und da tun sich die Behörden schwer. Nachdem ich von Pontius zu Pilatus alle Stellen abgeklappert und sogar bei der Ministerpräsidentin des Saarlandes vorgesprochen hatte, haben wir nun endlich eine Zertifizierungsstelle gefunden. 20 unserer Schläuche und mehrere Haarmatten für die längeren Schnitthaare sind nun beim Materialprüfungsamt Nordrein-Westfalen in der Prüfung und wir warten täglich auf die Zertifizierung. Dann können wir loslegen.
TOP HAIR: Was heißt das genau?
Thomas Keitel: Die Feuerwehren und das Technische Hilfswerk erhalten die Schläuche von uns und können sie zum Einsatz bringen, wenn es auf Flüssen und Seen zu Unfällen mit ausgelaufenem Öl kommt. Für das Haarmehl arbeiten wir gerade an einem Verfahren, das bei Unfällen statt der derzeit eingesetzten Chemiekeulen verwendet werden kann – auch hier, um ausgelaufene Flüssigkeiten zu binden.
TOP HAIR: Was passiert mit den Schläuchen nach dem Einsatz?
Emidio Gaudioso: Wenn sie aus den Gewässern rausgenommen werden, müssen sie in einer Verbrennungsanlage von den Hafenmeistereien und der Feuerwehr entsorgt werden. Wiederverwendbar sind sie nicht.
TOP HAIR: Es gab Friseure, die von Problemen mit der Abholung berichtet haben.
Thomas Keitel: Ja, am Anfang, als wir gestartet sind, hatten wir leider Probleme mit dem DPD, der Pakete nicht abgeholt hat. Nun sind wir seit einiger Zeit zu DHL gewechselt, was sehr viel besser funktioniert. Wenn die Abholung aufgrund des Paketdienstleisters nicht klappt, holen wir das Paket aber kostenlos ein zweites Mal ab. Wir haben auch schon mitbekommen, dass Postboten den Label nicht mitbringen - aus welchen Gründen auch immer .
Emidio Gaudioso: Es ist aber leider auch manchmal so, dass unsere Kollegen uns nicht ihre Öffnungszeiten mitteilen oder uns falsche Pakete zusenden, die nicht für uns bestimmt waren und das richtige Paket bleibt im Salon. Hier möchten wir auch noch einmal darum bitten, darauf zu achten, dem Postboten tatsächlich das Haarpaket, das uns erreichen soll, zu übergeben.
TOP HAIR: Die Friseure, die sich den Hair Helpern angeschlossen haben, zahlen 21 Euro netto pro Monat. In was genau fließt das Geld aktuell?
Tomas Keitel: In die Abholung durch DHL, dann die Lagerung in der Produktionsstätte, die Weiterverarbeitung. Aktuell arbeiten bei uns 11 Mitarbeiter. 4 im Büro und 7 in der Produktion, darunter 2 Menschen der Lebenshilfe in der Region. Des Weiteren floss das Geld in die Entwicklung der Schläuche und Haarmatten sowie die verarbeitenden Maschinen und nun in die Zertifizierung. Die Anschaffung einer Ballenpresse war notwendig, um die Pappe möglichst kompakt und platzsparend entsorgen zu können. Auch hier wieder nachhaltig gedacht. Und dann haben wir natürlich alles, was ein Unternehmen an Kosten, Steuern usw.
Emidio Gaudioso: Sobald die Zertifizierung abgeschlossen ist, veranstalten wir Active Days für Friseure. Wir möchten einen Einblick in unsere Arbeit geben und transparent zeigen, dass das Geld meiner Kollegen in eine gute und nachhaltige Sache fließt und wir nach bestem Gewissen und unserer ganzen Kraft am Erfolg des Projekts arbeiten!
Interessierte Friseure können sich jetzt schon umfassend von Emidio Gaudioso und Thomas Keitel informieren lassen, Hair Help the Oceans in Deutschland besuchen und vielleicht auch gerne einmal mitarbeiten.
Kontakt: info@hair-help-the-oceans.com