Nico Pulia, Foto: Terzo Algeri

08.09.2016

Nico Pulia vertreibt label.m in Deutschland

Nico Pulia, General Manager für Toni & Guy und jetzt auch Label.m Professional Haircare Deutschland, spricht mit TOP HAIR über seine neu dazu gewonnene Marktpräsenz, sein Verständnis für Arbeit und seine Liebe für das Salon-Business.

Viele Beauty-Unternehmen werden von Managern geführt. Aber nur wenige Entscheider sind selbst Friseure, wie Nico Pulia, General Manager von Toni & Guy Deutschland. Entscheider zu werden, lag nicht von Anfang in seinen Genen. Arbeitswille, Kreativität und Ehrgeiz prägen heute noch seine Sicht auf das Leben. Mit 14 jobbte er und wollte Geld verdienen, sprach kaum Deutsch, biss sich aber durch und zeigte, dass er weiter möchte. Talente hat er zu genüge, und das macht ihn souverän fürs Leben und für den Job.

Kreativ und erfolgreich

Eigentlich wollte er Profifußballer werden, hatte gute Chancen, schlug aber Angebote aus. Dann sollte er in ein IT-Unternehmen. Doch Anfang 20 entschied er sich, eine Ausbildung als Friseur zu beginnen. Das bei Keller in Stuttgart. Er wollte kreativ arbeiten, ein Handwerk können und Menschen glücklich machen. Das hat er erreicht. Pulia (61) liebt und lebt für die Branche. Er managt das Franchise-System Toni & Guy in Deutschland, steuert den Vertrieb der hauseigenen Produkte und setzt ganz stark auf Mitarbeiterschulungen in den eigenen Akademien.

Und weil er Stillstand nicht ertragen kann, hat er ein neues Baby: Label.m Professional Haircare. Der Vertrieb der Haarkosmetik-Marke in Deutschland wurde jüngst unter dem Dach von Toni & Guy vereint und vertrieben. Label.m International ist seit zwölf Jahren die Exklusivmarke der Londoner Fashion Week und wurde von der Familie Mascolo entwickelt, die einst auch Toni & Guy aus der Taufe hob. Die Entscheidung, Label.m in Deutschland neu zu positionieren, fiel auf Pulia, weil man von der Kompetenz und Erfahrung von mehr als 25 Jahren Toni & Guy profitiert. Pulia trägt gerne Verantwortung und denkt langfristig. Er hat kreative Menschen um sich herum, die mit ihm zuverlässig den Bedarf an Friseurprodukten sicherstellen.

Mit TOP HAIR sprach er über seine neu dazu gewonnene Marktpräsenz, sein Verständnis für Arbeit und seine Liebe für das Salon-Business.  

TOP HAIR:Herr Pulia, Sie sind Friseur, kommen aus einer Friseurfamilie und vertreiben nun friseurexklusive Produkte - wie lässt sich das miteinander verbinden?

Nico Pulia: Es lässt sich sehr gut verbinden. Die Idee von den Produkten fängt dann an, wenn man einen Bedarf hat. Man stellt fest, dass man in seiner täglichen Arbeit im Salon Produkte braucht, die man auf dem Markt nicht findet. So kommt man auf die Idee, Produkte zu entwickeln, die auf Friseure zugeschnitten sind. Mein Friseurberuf hat mir dabei geholfen.

Man kommt nicht mit dem Wunsch auf die Welt, Friseur zu werden und Friseurprodukte zu vertreiben? Warum sind Sie diesen Weg gegangen?
Ich bin zufällig in Kontakt mit Friseuren gekommen. Und dann habe ich mich spontan entschieden, selbst Friseur zu werden, obwohl ich ein tolles Angebot mit Studium von IBM vorliegen hatte. Ich hatte kein gutes Gefühl im Bauch und traf die Entscheidung, Friseur zu werden. Der Weg in die Haarkosmetikindustrie ergab sich letztlich auch, weil ich durch meine Erfahrung mitwirken wollte, Produkte für Friseure zu entwickeln, die ihnen ein optimales Ergebnis in der Haarpflege und im Finishing ermöglichen.

Was fasziniert Sie an der Branche?
Als ich Friseur wurde, fand ich, dass die Friseurwelt eine frische, kreative Welt ist und sich da wirklich viel tut. Ich jobbte damals in der Industrie und stellte fest, dass die Friseure aufgeschlossener sind. In der Friseurwelt gab es Mode, Frisuren, Musik und man tauschte sich aus. Das lag mir. Und deswegen habe ich mich für sie entschieden. Übrigens gilt das heute noch, dass die Branche frisch und lebendig ist.  

Was waren die Gründe, Label.m mit in Ihr Produktportfolio aufzunehmen?
Ich beschreibe es mal ganz einfach als Bild: Label.m ist wie ein Kind, das außer Haus war und jetzt wieder zuhause ist. Wir leben dieses Produkt in unseren Toni & Guy Salons und deswegen gehört es zu uns. Es ist strategisch wichtig, dass beide Marken nebeneinander vorgehen. In London und Italien funktioniert es hervorragend. Dort wo beide professionellen Produkte für professionelle Stylisten existieren, läuft es am besten. 

Welche Zielgruppe spricht Label.m an?
Alle, die Fashion lieben und den Anspruch auf Qualität haben. Es ist ein Produkt von Friseuren für Friseure entwickelt. Die Marke ist im Premium-Segment angesiedelt. Wir sprechen Menschen an, die Lifestyle mögen und unabhängig von ihrem Alter jung im Herzen geblieben sind. 

Welche Strategie verfolgen Sie mit Label.m?
Dass wir versuchen, so individuell wie möglich auf die Salons einzugehen! Wir wollen die hohe Qualität bei Toni & Guy halten und damit die Salons und ihr Business weiterbringen.  

Was war London bei der Produktentwicklung wichtig?
Wichtig war vor allem die modische Seite, also den Fashion-Aspekt abzubilden und sich von anderen Produkten abzusetzen.  

Was sind die Alleinstellungsmerkmale von Toni & Guy und Label.m?
Die USPs von Toni & Guy und Label.m sind Fashion und Education, von diesen Kernkompetenzen profitieren alle Salons gleichermaßen.  

Wieviel italienisches Designverständnis steckt in den Marken – sprechen Sie nicht eine eher britische Modeprache?
Jede Menge, auch wenn die Marken eher britisch und modisch wirken. Die Kollektionen müssen commercial sein, im Salon müssen wir die Frisuren dann feminin umsetzen. Das Gefühl für die Frisuren ist sehr italienisch. Wir lassen Frauen Frauen sein, auch dann, wenn wir kurz schneiden. Wir sehen das bei Label.m und auch für Toni & Guy. Wir sind ein Brit Style Brand mit italienischem Herzblut!  

Welche Unternehmensführung bzw. Mitarbeiterführung herrscht bei Toni & Guy?
Uns ist es wichtig, den Mitarbeitern viel auf ihrem Weg mitzugeben. Das bedeutet, dass wir sie auf höchstem Niveau ausbilden, nur dann bekommen wir das Maximum an Leistung zurück. Und wenn sie gute Arbeit leisten, sind die Kunden zufrieden und sorgen dauerhaft für ein gutes Image. Und das ist eine unserer wichtigsten Säulen: Den Endkunden im Salon immer im Blick zu haben.

Wie kann ein Unternehmen funktionieren, in dem so viele Kreative zusammenarbeiten?
Kreativität ist kein Hemmnis für Struktur. Man muss sie kanalisieren und Systeme schaffen, die Raum für Entfaltung und Aufstiegsmöglichkeiten geben. Jeder von uns hat seine Schritte zu gehen und diese sind im Vorfeld definiert. Deswegen ein klares Ja zur Kreativität, aber in der täglichen Arbeit und im Miteinander sind Strukturen sehr wichtig.

Was macht Sie erfolgreich?
Meine Ziele machen mich erfolgreich. Was sind Ihre Ziele? Dass wir zu den Besten gehören wollen, ohne unsere Kommerzialität zu verlassen. Damit wir nicht nur für Hochglanzbilder kreativ werden und im Salon kommt es nicht an. Wir müssen offen sein für die Mode, für Shootings, aber die Kunden im Salon dürfen wir nicht vergessen. Wissen Sie, wir haben weltweit etwas über 4.000 Salons und die müssen gut funktionieren. Und das können Sie nur dann tun, wenn Kunden mit dem Styling glücklich sind.

Was bedeutet Ihnen Arbeit?
(Kommt ins Schmunzeln) Alles! Ich arbeite seit meinem 14. Lebensjahr kontinuierlich. Ich habe immer das gemacht, was mir Spaß gemacht hat. Und wenn ich dann merkte, es erfüllt mich nicht mit Freude, habe ich damit aufgehört.  Ich habe auf viele tolle Angebote verzichtet und erhalte mir diese Lebenseinstellung, zu schauen, ob ich ein gutes Gefühl damit habe. Ich kann nur empfehlen, das zu tun, wofür man brennt. Und das was ich gerade tue, macht mir Spaß und deswegen werde ich weiterarbeiten, solange es geht.

Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?
Meine Familie, meine Kinder.  Eines davon arbeitet mit mir. Danielle, mein Sohn, hat auch den Friseurweg eingeschlagen, und meine Tochter ist fürs Studium gerade auf dem Weg nach Kalifornien. Ich habe Glück, dass sie beide sehr fleißig und zielstrebig sind. Ihre Erfolge machen mich glücklich.

Was möchten Sie an Ihrem Leben ändern?
(Lachend mit Nachdruck) Das Einzige, was ich vorhabe, ist, mit Label.m erfolgreich zu sein. Ich bin sehr dankbar, für das was ich erreicht habe. Und damit fühle ich mich wohl.

Was tun Sie, wenn Sie sich etwas Besonderes gönnen wollen?
(Lacht und muss überlegen) Ein Wochenende in Sardinien, dort wo ich öfter bin. Nicht wegen des Landes, ich bin dort gerne, weil ich dort viele Freunde habe. Wir sind dort alle auf dem gleichen Level, einige davon sind selbst erfolgreiche Unternehmer, teilen die gleichen Interessen und den Geschmack.  Wir genießen die Zeit zusammen, und wenn wir zusammen sind und Essen gehen am Abend, ist es eine riesen Gaudi!

Was täten Sie, wenn Sie sich ein Jahr lang nicht um Ihr Unternehmen kümmern müssten?
(Lacht) Ein neues Unternehmen gründen, ja, das könnte passieren.

Im Ernst, wieder arbeiten?
Ein Unternehmen ist nicht nur Arbeit. Es sind vor allem die Menschen, die mir Spaß machen. Aber, jetzt mal Scherz beiseite: Ich würde reisen. Wo zieht es Sie hin? Damit müsste ich mich auseinandersetzen. Ich war noch nie in Thailand, es soll schön sein. Australien würde mir auch sehr gefallen, aber da ist die Gefahr sehr groß, dass ich meinen Kollegen von Toni & Guy besuche. Ich müsste mich zusammenreißen und wir würden wieder nur über Arbeit reden. Japan wäre auch toll, ist für mich noch unbekannt. Das zu entdecken wäre schön.

Was treibt Sie persönlich an?
Meine Motivation ist, ein Leben zu haben, das einen Sinn hat. Und das finde ich sehr stark im Geschäft, aber nicht nur, auch mit meiner Familie und meinen Freunden. Was erwarten Sie von der Zukunft und was tun Sie dafür? Ich tue alles für die Zukunft, was in meiner Macht steht. Ich versuche mich fortzubilden, zu schauen, wie ich mich verbessern kann. Jetzt habe ich viel direkt mit den Verkäufern zu tun und lerne auch mit ihnen dazu. Auch der Austausch mit Kunden ist mir sehr wichtig. Es ist wichtig zu wissen, was sie wollen, damit man auf sie individuell eingehen kann. Ich muss wissen, wo der Markt gerade steht.

Wie findet man in einer Branche, die so vielschichtig ist, immer seine klare Linie?
Ich finde nicht, dass man sich auf die Konkurrenz konzentrieren muss. Den Markt im Blick zu behalten, gehört zwar dazu, aber man muss seinen eigenen Weg suchen und finden, und das geht nur dadurch, indem man erfährt, was die Kunden wollen. Das ist mein Thema: was sich Friseure und Endkunden wünschen. Meine persönlichen Bedürfnisse sind nicht identisch mit denen der Salons, und genau das darf ich nicht aus den Augen verlieren.

Was beeinflusst Ihr Handeln und Denken als Unternehmer: Intuition, Märkte oder Zahlen?
Auf keinen Fall nur die Zahlen. Ohne sie kommen wir nicht klar, aber vor den Zahlen gibt es eine Vision. Als ich mich entschieden habe, Label.m für Deutschland zu übernehmen, hatte ich eine Vision. Ich hatte ein gutes Gefühl. Und meine Vision war im Grunde genommen das Ziel.  Das was dazwischen ist, den Weg dahin musste ich ausarbeiten. Klar, derjenige der den Job immer macht, hat auch die Wege. Für mich heißt das jetzt, genau diese zu suchen. Und das ist der Kunde! Einen Weg aufzubauen, der am Kunden vorbeigeht, wäre schlecht, und dann zerbricht auch meine Vision. Ich möchte die Friseurbranche in Deutschland beeinflussen und sie weiterbringen. Es steht nicht still und geht immer weiter.

Was ist das besondere an der Branche, was lieben Sie an ihr?
Die Menschen. Sie sind in all ihren unterschiedlichen Gestalten und Charakteren unterschiedlich. Immer dann, auch im Rückblick auf meine 25 Jahre Berufserfahrung, wenn ich Kunden bediene und sie mit einem Strahlen meinen Salon verlassen. Menschen glücklich zu machen, ist das Schönste im Leben. So eine direkte Anerkennung bekommt man selten in anderen Branchen. Das sind unvergessliche Momente, Momente der Dankbarkeit, die mit nichts anderem zu vergleichen ist. Und: Etwas Neues zu kreieren, sich selbst ständig zu perfektionieren, das auch noch nach Geschäftsschluss, das finden Sie in anderen Bereichen nicht.

Wie erleben Sie den deutschen Friseurmarkt für neue Trends?
Die Probierfreudigkeit und Offenheit von Friseuren für Trends ist etwas sehr Persönliches. Dann stellt sich oft die Frage, wie viel muss ich probieren, bis ich zufrieden bin. Generell finde ich, dass der deutsche Markt sehr aufgeschlossen ist. Die Endkunden verändern sich gerne, probieren aus, und London ist da nicht immer am progressivsten.

Ich kenne kein Handwerk, das sich selbst so zelebriert. Wie ist Ihre Wahrnehmung?
Gut beobachtet. Wir Friseure zelebrieren unser Handwerk im Salon oder auf Messen, wie der TOP HAIR, sehr gerne, daran wird sich nicht ändern. Je besser man das beherrscht, umso besser kommt es beim Kunden an.

Text und Interview: Emel Tahta-Lehmann