26.03.2021

Der Hype um Clubhouse

Es gibt Phänomene in der digitalen Medienlandschaft, die so plötzlich einschlagen, dass sich die Welt von einem Tag auf den anderen zu ändern scheint. Und auch wenn solche Hypes naturgemäß rasch abflachen, so verändern manche neuen Medien die Kommunikation unter Menschen doch nachhaltig.

Nach Instagram und TikTok ist nun Clubhouse das soziale Medium der Stunde. Ungefähr seit dem Jahreswechsel hat sich die App auf Zehntausenden Smartphones hierzulande ausgebreitet. Wie es sich für neue Medien gehört, fußt auch dieses auf einem maximal einfachen Konzept: Während Instagram die Kommunikation bekanntlich über (Bewegt-)Bilder organisiert, geht es bei Clubhouse ums Sprechen. Und zwar nicht um das professionell produzierte und editierte Sprechen wie etwa in einem Podcast, sondern um das unmittelbare Gespräch zwischen Menschen, dem man in Echtzeit lauschen und an dem man sich mit Erlaubnis der Gesprächsführer auch selbst beteiligen kann.

Es darf also als nächste Evolutionsstufe in der Demokratisierung der Medienlandschaft gelten, dass jeder Nutzer hier einen Gesprächsraum (einen „Club“) zum Thema seiner oder ihrer Wahl eröffnen kann: ob es um politische oder wirtschaftliche Themen des Tages geht, um berufliches Netzwerken, Dating, oder um witzigen Austausch unter Freunden. Unter den fleißigsten Nutzern der App finden sich bisher vor allem einflussreiche Personen aus der Politik, den Medien und dem Kulturgeschehen, die sich die Vorteile von Clubhouse zu eigen machen. Doch auch jede Menge Friseure tummeln sich in diesem Lockdown-Winter auf Clubhouse – und zwar, wie sich gezeigt hat, mit Mehrwert.

Im Januar und Februar etwa wurde die Plattform zum Gesprächstreiber für die Kampagnen rund um die Forderung nach einer baldigen Salonöffnung. Verzweifelte Inhaber, kämpferische Initiatoren für das Umschwenken der Regierung, sachliche Fachtrainer, ruhige Innungsvertreter –  Branchenvertreter aller Couleur versammelten sich oft mehrmals täglich in vielen unterschiedlichen „Clubräumen“ mit Namen wie „Hair Group Germany“, „Geschichten aus dem Salon“, „Realtalk – Friseure reden Klartext“ und „Friseure im Lockdown“. Die Stimmung schwankte von Sachlich bis Aufgeheizt. Doch was im Vordergrund stand: Man tauschte sich aus. Und so simpel das klingen mag, so kam in einer Zeit der pandemiebedingten Bewegungslosigkeit just durch diesen Austausch doch etwas in Bewegung.

Manche Friseure wurden im Lockdown regelrecht zu Aktivisten, die hier auf ein stetig wachsendes Publikum trafen. Immer wieder wurde in den so entstandenen „Clubs“ kritisiert, dass die Politik sich mit ihren Entscheidungen zu weit abseits der Friseurbranche bewege. „Wo ist der Druck aus der Industrie, wo ist die politische Lobbyarbeit?“, fragte da etwa ein Stuttgarter Teilnehmer. „Wir haben das in Deutschland einfach nicht.“ Im Vergleich sei die Lobby-Einwirkung aus anderen Branchen so stark, dass beispielsweise die Lufthansa direkt zur Staatsangelegenheit geworden sei. „Die Innungen und die Handwerkskammer sind natürlich wichtig für uns, aber eine modernere Vertretung wäre ein Signal für unsere Industrie.“ Ein Punkt, den die Anwesenden lange diskutieren und sich darin einig sind, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinterherhinke.

„Wir müssen als Friseure vermutlich noch lernen, mit einer Stimme zu sprechen und nicht als Konkurrenten“, bringt es eine Saloninhaberin eines Abends auf den Punkt. Gerade aus diesem Grund schätze sie Clubhouse: „Ich finde es ein wichtiges Zeichen, dass wir hier von überallher zusammenkommen, diskutieren und eine gemeinsame Linie verhandeln. Wir vereinen uns hier und werden gemeinsam laut. Das wird unserer Branche gut tun.“ Ein anderer ergänzt, gerade das Sprechen mache einen bedeutenden Unterschied: „Schließlich sind wir Friseure ja auch nicht nur Handwerker, sondern auch Mundwerker.“

Seit der Öffnung der Salons im März hat sich die Zahl der auf Clubhouse aktiven Friseure natürlich reduziert, und damit auch die Zahl der „Clubs“. Doch eine Handvoll regelmäßiger Talk-Events ist geblieben, darunter „Friseur Club Deutschland“, „Friseure Deutschland“ und „Friseur Montag“. Unter der Moderation von hochaktiven Unternehmern aus dem deutschsprachigen Raum versammeln sich hier auch weiterhin regelmäßig Vertreter aus der Branche, um Updates zu teilen, Maßnahmen zu diskutieren und manchmal auch, um gemeinsame Pläne zu machen. Die meisten Clubs, die sich aus der anfänglichen Masse der Angebote inzwischen herauskristallisiert haben, finden wöchentlich zu gleichbleibenden Terminen statt, sodass eine Diskussion nicht jedes Mal von Neuem beginnen muss, sondern sich tatsächlich fortsetzen und Ergebnisse zeitigen kann.

Generell neigt sich die erste Hochphase der App dem Ende zu. Doch es ist zu erwarten, dass Clubhouse als Plattform einen festen Platz in der Medienlandschaft einnehmen wird – und damit auch die Möglichkeit für Branchenvertreter bestehen bleiben wird, im gemeinsamen Austausch noch enger zusammenzurücken.

Text: Constanze Ehrhardt

Wie funktioniert Clubhouse?

  • Das Konzept besteht aus Gesprächen zwischen Menschen, in etwa wie ein großes Telefon-Meeting, dem man als Nutzer zuhören und sich auch beteiligen kann. Kamerafunktionen, Likes oder andere bekannte Funktionen spielen hier keine Rolle.
  • Tausende von Nutzern initiierte Talkrunden (sogenannte „Clubs“) zu Themen von A-Z finden weltweit statt, und zwar in Echtzeit, das macht das Ganze so authentisch. Mit einem Klick kann man sich zuschalten und wieder aus dem Gespräch austreten.
  • Damit nicht wahllos durcheinandergequasselt wird, muss digital die Hand heben, wer etwas sagen möchte. Die Veranstalter haben die Kontrolle darüber, wem sie das Wort erteilen und wer im Publikum verbleibt.
  • Anders als andere Apps ist die Nutzung nicht gleich nach dem Download (derzeit übrigens nur für iPhone-Besitzer) möglich, sondern nur auf Einladung eines bereits registrierten Teilnehmenden. Was anfangs wirkte wie gehobene Exklusivität, entpuppte sich schnell als gewitzter Marketingschachzug. Denn natürlich ist Clubhouse an flächendeckender Nutzung interessiert, sodass die potenziell zu verteilenden Einladungen gar nicht so limitiert sind, wie es anfangs schien. Bei Interesse also einfach mal im Bekanntenkreis nachfragen!
 

 

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