Paul-Mitchell-Mitgründer, Entrepreneur und Multimilliardär John Paul DeJoria (knieend) mit dem Wild-Beauty-Vertriebsteam im Garten seiner Villa, Foto: Paul Mitchell

14.10.2019

Behind the scenes: das Paul Mitchell Headquarter

Die Kultmarke Paul Mitchell hat ihren Hauptsitz in Los Angeles. Dort haben wir hinter die Kulissen geschaut.

Die Offenheit und Freundlichkeit mit der Amerikaner ihren Gästen begegnen, ist berühmt. Die Gastfreundschaft von John Paul Mitchell Systems in Los Angeles war dennoch bemerkenswert. Die Menschen hinter dem Familienunternehmen gaben Einblicke in die Firmenzentrale, Forschung, Produktion und Distribution. Mitinhaber Angus Mitchell öffnete seine heißgeliebte Autowerkstatt, und Firmenmitgründer John Paul DeJoria lud das deutsch-österreichische Vertriebs- und Presseteam in sein Anwesen nach Malibu ein.

Das JPMS Headquarter liegt im 18. Stockwerk eines Hochhauses am Rande von Beverly Hills. Aus dem Konferenzraum schweift der Blick über die High School aus dem 90er-Jahre-  TV-Hit „Beverly Hills 90210“. In der Ferne erahnt man den berühmten Hollywood-Schriftzug. Drinnen erinnern die modernen Büros beinahe an eine WG. Jeder Raum trägt die persönliche Note der Mitarbeiter. Die stellvertretende Vorsitzende Michaeline DeJoria hat für ihre Kinder ein Tipi aufgestellt. An der Tür ihres Vaters John Paul hängt ein Geburtstagsplakat zu seinem 75. Die Zitate seiner Mitarbeiter darauf drücken Respekt, fast schon Verehrung für den Chef und Menschen aus, der es aus einfachen Verhältnissen zum mehrfachen Milliardär geschafft hat. Er lebt den American Dream, begegnet den Menschen auf Augenhöhe, handelt nach dem Motto: „Erfolg, den man nicht teilt, ist ein Misserfolg.“ Viele bezeichnen ihn als Vorbild.
   Sein einnehmendes Wesen lernen wir direkt hinter der Tür kennen: Megastolz zeigt uns JP wie ihn alle nennen erst Trophäen, die seine Tochter Alexis als Rennfahrerin gewonnen hat, dann die Miniatur eines Patrouillenschiffes der Marine, das er der Umweltorganisation Sea Shepherds gekauft hat. Im Golf von Mexiko jagen sie damit Tierquäler, die Haien ihre Flossen abschneiden und dann lebendig wieder über Bord werfen, wo sie grausam verenden. „Wir haben eine Unternehmenskultur, der es wichtig ist, Gutes für den Planeten zu tun und zu teilen“, wird uns später auch Angus Mitchell, Sohn des vor 30 Jahren verstorbenen Co-Gründers Paul Mitchell, erzählen.

Gesprächsrunde mit dem Führungsteam, Foto: Paul Mitchell

Reflektierte Unternehmensführung

Tatsächlich spielt das Thema Nachhaltigkeit in der fast 40-jährigen Firmengeschichte eine wichtige Rolle. Von Anfang an hat man auf Tierversuche verzichtet. „Paul hatte ein Solarauto, lange bevor es einen Prius gab, aber jetzt kommen die Themen in den Salons an“, erinnert Global Artistic Director Robert Cromeans und berichtet weiter von einer Kooperation mit der Green Circle Initiative, die sie dabei unterstützt, Müll aus Salons wiederzuverwerten. „Wie auch immer sie das tun, aber sie machen aus Farbresten Elektrizität“, ergänzt Artistic Director Heather Ka’anoi, und Creative Director Lucy Doughty weiß zu berichten, dass menschliches Haar einen Ölteppich aus dem Meer besser als alles andere absorbieren könne. „Es entsteht ein echtes Bewusstsein, bei dem es nicht nur darum geht Bäume zu pflanzen und auf die Umwelt zu achten. Es geht um jede Kleinigkeit, die du selbst tun kannst“, so Robert Cromeans.
   Wir erfahren weiter, dass der vegane Markt in den USA massiv wachse. Eine Biomarke gibt es indes unter dem Dach von JPMS nicht. „Wir haben darüber nachgedacht“, berichtet Michaeline DeJoria. „Es war immer unsere Intension sehr nachhaltig zu sein.“ Das könne sich in einer nachhaltigen Linie ausdrücken, in neuen Produktformulierungen, im Austausch von Inhaltsstoffen, die nicht mehr den eigenen Werten entsprechen, in Büro-Praktiken, Materialien, Reisen. JPMS wolle kein Greenwashing betreiben, sondern Nachhaltigkeit weiter als integralen Bestandteil der Firma ausüben, ohne bei der Produktperformance Abstriche zu machen. „Wir haben das alles kürzlich vorangetrieben und werden nächstes Jahr etwas Aufregendes dazu veröffentlichen.“ Mehr will sie aber nicht verraten.

Farbepidemie in den USA

Ein anderes Ziel ist weniger geheim: „Wir sind von Farbe begeistert und wollen in den nächsten fünf Jahren zu den führenden Anbietern zählen“, verrät Geschäftsführer Jason Yates. In den USA und auch in Europa verändere sich der Markt. Die Salons werden kleiner, der Produktverkauf fnde zunehmend  auf Kanälen außerhalb der Salons  statt. Mit Farbdienstleistungen will man das Friseurgeschäft stärken. „Wir sind uns bewusst, dass wir uns im Bereich der Haarfarben noch verbessern können.“ In den kommenden zwei  Jahren soll es deshalb Produktneuerungen im „Über-Premium Luxussegment“ sowie bei neuen Nuancen geben. Die demipermanente Farbe „The Demi“ sei mit einer Wachstumsrate von 50% im Jahr das am schnellsten wachsende Produkt des Unternehmens. „Wir hatten echt Glück. In den USA sehen wir eine regelrechte Farb-Epidemie!“, freut sich Robert Cromeans über die neue Lust an Haarfarben, an der Instagram einen großen Anteil hat.

Das Produktlager mit Versand, Foto: Paul Mitchell

Friseurbranche im Umbruch

Social Media habe sowieso alles verändert. Mit einer Facebook Live Übertragung erreichte Education Director Noogie Thai kürzlich eine Million Zuschauer. „Das ist die Summe aus meiner 30-jährigen Reisetätigkeit zusammengefasst in einer 45-minütigen Showübetragung“, konstatiert Robert Cromeans. „Für die Kommunikation mit Friseuren und Verbrauchern sind dies die besten Tools, die uns jemals gegeben wurden.“ Kein Wunder also, dass JPMS viel Wert auf Social Media legt und eine eigene Abteilung dafür hat. Dort ist man sich einig: Pinterest ist neben Instagram und Facebook die soziale Medienplattform der Stunde. Ihre Bedeutung wächst rasant.
   Wir werfen einen Blick in ein kleines Fotostudio, in dem (Lern-)Videos und Bilder für die eigenen Kanäle und die der Partnersalons produziert werden. Education fndet dank der Technik zunehmend unabhängig von Zeit und Ort statt. Die Branche erlebe zurzeit interessante Veränderungen, die viel mit Lifestyle zu tun hätten, gibt uns Robert Cromeans noch mit auf den Weg, bevor wir das Headquarter verlassen. „Die Leute wollen nicht mehr so hart arbeiten wie vielleicht ihre Vorfahren. Ein typischer Friseur arbeitet 60 Stunden die Woche. Jetzt strebt man 30 Stunden an. Von meiner letzten Deutschlandreise weiß ich vom Fachkräftemangel in den Salons. Ich glaube, das liegt daran, dass die Friseure die Freude am Job nicht rüberbringen. Wenn du deinen Lifestyle lebst und Spaß daran hast, wollen auch andere genau dies tun. Hast du keinen Spaß wird sich niemand diesem Business oder Life-style zuwenden.“

Angus Mitchell (re.) in seiner Werkstatt, Foto: Paul Mitchell

Paul Mitchell - made in the USA

Unser nächster Stopp bringt uns ins Herz des Unternehmens nach Santa Clarita, wo sich Forschungslabor, Testsalon, Produktion, die Abfüllanlagen sowie das riesige Distributionslager für über 200 Produkte befindet. Von hier nehmen die Produkte ihren Weg in die Salons in Deutschland. Wir sind fasziniert von der komplexen Logistik, dem Trendscouting, der wissenschaftlichen Arbeit. Unpersönlich erscheint auch hier nichts. Die Büroflure wirken wie eine Galerie. Fasziniert bleibt man vor Familienbildern stehen, entdeckt Schnappschüssen mit berühmten Stars und Präsidenten wie Bill Clinton und George Bush, liest gerahmte Dankesbriefe von großen Persönlichkeiten, bestaunt Andenken aus aller Welt sowie einen Rennfahreranzug von Motorsportfan JP.

Pimp My Ride mit Angus Mitchell

Autos, diese Leidenschaft teilt er mit Angus Mitchell. Der Sohn von Paul Mitchell  und  JPMS-Mitinhaber freut sich wie ein Kind, als er uns tags drauf seine „Garage“ zeigt. Diese Bezeichnung ist stark untertrieben für die High End Eventlocation, die sich vor uns eröffnet. Rund 30 Autos, alte und neue, Liebhaberstücke allesamt, stehen hier versammelt. Angeschlosen ist eine eigene Werkstatt, in der alte Autos zu hochmodernen, PS-starken Wagen mit allerlei Gadgets (bis hin zu simulierten Maschinengewehrsalven am Heck) aufgemotzt werden. Ein Bereich der „Gearbox“ beherbergt einen vollausgestatteten Salon. „Ich wollte mir hier ein Education Center und Fotostudio bauen“, erzählt Angus Mitchell von seiner ursprünglichen Intension. Inzwischen ist daraus ein eigenes Business entstanden, das er für Fotoshootings und Dreharbeiten vermietet. Netflix wolle möglicherweise eine Serie hier drehen, verrät er. 

Die Berufswahl Friseur habe er damals getroffen, um seinen Vater zu ehren. Dass er kein Naturtalent gewesen sei, habe ihn angespornt härter zu arbeiten. Neben seinen Führungsaufgaben bei JPMS steht er schon lange als Educator auf Bühnen weltweit. Seit der Geburt seines Sohnes Dylan vor vier Jahren reist er allerdings weniger. Seine Prioritäten haben sich verschoben. Sollte sein Sohn später auch Friseur werden, wäre er stolz ihm eines Tages seine Schere weiterzugeben.
 

Im Wohnzimmer von John Paul DeJoria, Foto: Paul Mitchell

John Paul DeJorias Villa in Malibu

John Paul DeJoria gehört zur amerikanischen Wirtschaftselite. Sein Geld hat er nicht nur mit Paul Mitchell gemacht. Als er uns zum Abschluss über sein weitläufges Privatanwesen in Malibu führt, kann man nur schwer glauben, dass er auch schlechte Zeiten erlebt hat, zeitweise obdachlos war. Teil seines Erfolges ist wohl die Art, mit der er Menschen begegnet. „Wem ich meine Zeit widme, dem schenke ich sie voll und ganz.“ Das macht er auch für uns, lässt eine mexikanische Kapelle aufspielen, Essen servieren. Persönlich führt er durch den Garten, der Pflanzen aus aller Welt beheimatet. In seinem Wohnzimmer weiß er Anekdoten zu beinahe jedem Gegenstand und Kunstwerk zu erzählen. Schnell räumt er noch ein paar Teller ab, bevor er von seinem neuesten Coup erzählt: ein preiswertes 3D-Smartphone, für das man keine Brille braucht und mit dem er den Markt aufmischen will – und das Paul Mitchell Kunden natürlich zum Vorzugspreis erhalten.